Autor Thema: Sofort nachgeben auf Zug am Zügel - warum eigentlich nicht beim Englischreiten?  (Gelesen 96692 mal)

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Offline sahara

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Hab mal eine Frage zu Sperriemen:

Mein Reithalfter habe ich bei meinem Kleinen auch sehr locker, zusätzlich zum Schutz noch ein Polster unterm Kinn, da er dort etwas empfindlich ist. Es passen leicht zwei Finger rein, wenn ich diese auf dem Nasenrücken lege.
Zusätzlich habe ich auch noch ein Sperriemen, der aber auch sehr locker hängt. Der Kleine kann problemlos ein Leckerli nehmen und kauen, wie dies auch offiziel von diversen Ausbildern gefordert wird.
Komisch ist bei mir nur, dass sich das Reithalfter aushängt. Sprich: Es zieht sich runter und verformt sich, ist also nicht mehr gerade, sondern seitlich gesehen etwas nach unten gebogen, als ob es von einem Gewicht (wahrscheinlich dem Gewicht des Nasenriemens) nach unten gezogen wird. Die Trense ist von guter Qualität, daran liegt es auch nicht. Die Richtwerte sind genau eingehalten bei der Verschnallung. Pferd ist auch zufrieden, soweit man als Mensch beurteilen kann.
Habt ihr das auch, kann man was dagegen tun, außer ohne Nasenriemen reiten? Habe es bei anderen noch nicht gesehen. Könnte natürlich behaupten, die Trense ist so geschnitten... ;D

@zaino: Stimmt, wenn man immer mehr anstatt immer weniger anpacken muß, sollte man sich mal Gedanken machen  ;D

@patti: Meiner ist auch so ein lauffreudiges Modell. Hinzu kam, das er sich, als ich ihn bekommen habe, gern durch hinter den Zügel gehen, aber doch ziemlich flott durch die Gegend laufend, auch der Anstrengung (vielleicht auch noch durch mangelndes Vertrauen, er war gerade erst angeritten) entzogen hat. Er hatte einen langen dünnen Hals mit viel Ganaschenfreiheit, für ihn war es auch einfach leicht den Kopf so zu tragen. Vermehrt treiben, damit er den Hals streckte und an das Gebiss herantrat, half nicht, er konnte dies auch in einem abartigen Tempo. Erst als ich ihn dort abgeholt habe, wo er war, sprich die Zügel so aufgenommen, dass ich Kontakt mit seinem Maul bekam, dann vorsichtig von hinten getrieben, und wenn er dann an das Gebiss kam, sofort nachgegeben habe, begriff er, was ich von ihm wollte, erkannte sozusagen seine Aufgabe. Vorher dachte er wohl, es wäre richtig, wenn er das Gebiss nicht berührt. Viel mir ganz schön schwer, da man ja immer das Bild von einem Pferd vor der Senkrechten im Kopf hatte, und es war bestimmt ein ganz anderes Bild, das ich da bot. Solange man wieder rauskommt.... So stark treiben, wie man es manchmal sieht, kann ich auch nicht, bin froh, wenn ich zum treiben komme und starke Arrets würden uns beide bestimmt mit dem Rücken auf den Boden legen... Jedes rantreten ans Gebiss habe ich erstmal mit einem nachgeben beantwortet, jetzt sind wir schon soweit, dass es reicht, wenn ich weich mitgehe, und er sich auch manchmal am Gebiss abstößt, wieder rantritt usf., wie ich es mir vorstelle. Aktiv einwirken nur mal als bremse, wenn es gar nicht anders geht, weil er mich nicht zum treiben kommen läßt, sondern in einem Affenzahn abgeht. Viel mit Kreuz kann man ja in dem Alter noch nicht machen, und auch ich bin darin noch nicht so fit (muß ich gestehen). Kommt jetzt aber auch schon langsam.

Haben da die Klassiker oder Westler noch eine Idee? Wie würdet ihr das angehen? Vielleicht kann man ja in den Einzelfällen die Unterschiede/Gemeinsamkeiten herausarbeiten? Esge, wie wäre Deine Idee? Wir reiten übrigens meistens untertouriges Tempo, damit er zum schwingen kommt und ruhe reinkommt. Erst wenn er alle Hilfen "durchläßt" wird mal das Tempo erhöht, und Tempounterschiede geritten.

Tina68

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Zaino, ich denke, dass man dann auf dem richtigen Weg ist, wenn dieses "sich durchsetzen" des Reiters nur ab und zu mal nötig ist.
Ich finde es auch wichtig, dass das Pferd überhaupt körperlich dazu in der Lage ist, eine Aufgabe zu bewältigen. Klingt jetzt fürchterlich banal, aber wie viele Reiter kümmern sich drum, ob das Pferd z.B. überhaupt genügend Kraft in der Hinterhand hat, um sich Runde um Runde zu tragen?  :-X
Ich bevorzuge deshalb, das Pferd die kräfteraubenden Lektionen vor allem am Anfang immer nur kurze Zeit am Stück gehen zu lassen. Wenn das Pferd sich Mühe gibt, wird es durch eine Verschnaufpause am langen Zügel belohnt. Diese Arbeitsphasen werden dann nach und nach verlängert. Aber es gibt bei mir beim Training so oder so alle ca. 10 Minuten mal eine Verschnaufpause von 2-3 Minuten. Und auf Galopp-Reprisen folgen Schritt-Übungen.
Ich denke, dass es für ein Pferd auch sehr frustrierend sein muss, konditionell überfordert zu werden. Und dies fördert dann Widersetzlichkeiten.

Tino

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Hallo,
ich denke, dass es bei einem englisch gerittenen Pferd genauso sein sollte, mein Pferd drückt schon am Anfang dagegen, aber es soll ja ein annehmen und nachgeben sein, ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich in einer Phase des Drucks vom Pferd ganz kurz gegenhalte (wirklich nur eine kurze millisekunde) und dann nachgebe, dann ist der Druck sofort weg. Klar, bis wir mal sweit sind, das es anhält ohne gegendruck, das wird noch dauern, aber ich denke wir sind auf dem richtigen Weg. Durchlässig heißt für mich allerdings auch über den Rücken laufen, und auf kleinste Schenkelhilfen zu reagieren. Das ist genausowichtig wie eben nur schön den Kopf runter zu nehmen und den Hals rund zu halten. es gibt nur allzuoft eben die Blender, die erst mal nett aussehen, aber unehrlich sind.

Allerdings klappt das Konditionieren bei den westerngerittenen Pferden auch nicht immer so einfach wie es aussieht.

Tina68

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Allerdings klappt das Konditionieren bei den westerngerittenen Pferden auch nicht immer so einfach wie es aussieht.

Tino, da stimme ich Dir absolut zu!
Ich sehe da auch noch etwas anderes. Um die schwungvollen Gänge eines grossrahmigen Warmblüter überhaupt richtig sitzen zu können, muss er seinen Rücken hergeben, sonst ist es sehr unbequem für den Reiter. Westernpferde hingegen haben eher flache Gänge, die sich auch bei weggedrücktem Rücken oder auf der Vorhand latschend einigermassen sitzen lassen. Deshalb legte zugegebenermassen auch ich lange keinen Wert auf das Aufwölben des Pferderückens beim Reiten. Aber es gibt doch nichts schöneres, als auf einem "runden" Pferd mit leichter Schulter durch die Gegend zu schweben! *schwärm*

Ritter

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Hi zusammen, da ich beruflich aus einer technischen Schiene komme (Dipl.-Ing. für Hochbau) habe ich mir diese "Druckgeschichte" mal unter technischen Gesichtspunkten überlegt :)

Sobald ich Druck im Zügel habe, muss mein Pferd ja gegenziehen, allerdings kann man nicht ziehen, ONHE sich dabei abzustützen. Also geht der Druck, den ich im Zügel verspüre bis in die Beine des Pferdes, welche sich gerade auf dem Boden befinden. Oder im Pferd entstehen entgegengesetzte Kräfte. Meiner Meinung führt das zu einer Verspannung im Körper des Pferdes, wodurch es nicht mehr so locker laufen kann, wie es eigentlich geht. Davon abgesehen ist Druck meines Erachtens immer unangenehm für das Pferd.
Mein angestrebtes Ziel ist es deshalb, mit den Zügeln und anderen Hilfen mein Pferd in Form zu modelieren und es in der gewünschten Form ohne Druck zu reiten, also das Selbsttragen, wie es in der Klassik gefordert wird. Ich habe auch noch kein FN-Buch gelesen bei dem Anlehnung als 3 kg. in der Hand beschrieben wird.

lg Thies

Offline felis

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@Ritter beschrieben wirds so nicht, aber geritten wirds so - soweit jedenfalls die Messergebnisse von Prof. Preuschoft (Uni Bochum). - Da war von 3 - 12 kg die Rede (bzw. 30 bis 120 N um genau zu sein)
Man müsste mal ausrechnen, welche Kräfte allein schon dafür aufgewandt werden müssen , den Zügel angespannt zu halten. Wenn ich mir das Eigengewicht meiner (Leder)zügel vor Augen halte - ca. 100g, wäre schon 1 N Kraft erforderlich - nur um die Zügel stramm zu halten. Damit wären die berühmt berüchtigten "wenigen Gramm" Anlehnung ins Reich der Mythen zu verweisen - was sagts Du als Bauing. denn dazu?
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Offline Beagle-Petra

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Haben da die Klassiker oder Westler noch eine Idee? Wie würdet ihr das angehen? Vielleicht kann man ja in den Einzelfällen die Unterschiede/Gemeinsamkeiten herausarbeiten? Esge, wie wäre Deine Idee? Wir reiten übrigens meistens untertouriges Tempo, damit er zum schwingen kommt und ruhe reinkommt. Erst wenn er alle Hilfen "durchläßt" wird mal das Tempo erhöht, und Tempounterschiede geritten.

Ich als Westler habe da keine andere Idee, ich mache es genauso. Im Moment hab ich das Problem bei meiner Stute, dass sie das Vom-Gebiss-Wegreiten nutzt, um sich hinters gebiss zu verkriechen und da rumzunickeln (zunge übers gebiss nehmen, sperren). Mir fällt da auch nichts anderes ein als zu treiben und bei annehmen des gebisses nachzugeben und mehr laterale spannung ins pferd zu bringen, sprich es besser geradezurichten. geen das genickel hab ich ein sperrhalfter aufgezogen, ein starres rope mouth shutter. starr heisst: es kann in der länge nicht verändert werden, es ist so groß, dass es über das maul gezogen werden kann, in der kinngrube sind dann 3 finger platz - 2 finger bei standard-männerhand. ohne sperrhalfter kann sie sich zu sehr in ihr genickel reinsteigern und ich komm gar nicht zum reiten. mit dem halfter versucht sie es zwar immer mal wieder, aber sobald sie merkt, dass es wirklich nicht geht bzw. mühsamer ist als "sich zu benehmen", lässt sie das nickeln sein und hat den kopf wieder frei für was anderes.
Nur echt mit dem Beagle!

Ritter

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Zitat
Damit wären die berühmt berüchtigten "wenigen Gramm" Anlehnung ins Reich der Mythen zu verweisen - was sagts Du als Bauing. denn dazu?
@felis  :D :D, deshalb gebe ich etwas nach, dass die Zügel etwas durchhängen, aber das Eigengewicht bleibt, das stimmt natürlich. Ein Ideal ist leider kaum zu erreichen, es geht eher darum, sich GEDANKEN zum Reiten zu machen und nicht alles unreflektiert zu übernehmen.
Man sollte sich halt bewußt sein, das Zug am Zügel den Bewegungsablauf des Pferdes behindert.
Jetzt stört eigentlich nur noch der Mensch obendrauf, sonst könnten sie gut laufen ::) ::)
lg Thies

Offline horsmän

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Ah, Thies - ein Mann im Forum - selten...

Deine Ausführungen gefallen mir als Bewunderer der Legerete natürlich.

Ich hatte, wie oben schon erwähnt, bei meinen "späten" deutschen Ausbildern eine Rüge bekommen, wenn ein Zügel mal kurz locker durchhang. Das fanden sie nicht korrekt, er springt... Andere dt. Ausbilder  hatten da kein Problem mit.
Ich denke, dass gerade der Punkt "Anlehnung" eben von vielen immer wieder anders definiert wird, weil die FN sie ja auch als elastisch federnde sichere aber weiche Verbindung von Zügelhand und Pferdemaul beschreibt. Da bleibt viel Raum für individuelle Gestaltung :D

Hab gerade eben in der Pause erst nochmal die FN-Richtlinien im Pferdemarkt dazu durchgeblättert.

Da steht aber auch, dass jeder annehmenden oder durchhaltenden Zügelhilfe sofort und auf jeden Fall eine nachgebende Zügelhilfe folgen muß. Wobei nachgeben entweder das Zurückkehren der Hand in seine (vordere) Ausgangsposition bedeuten kann, oder ein öffnen der Hand.
Ob nun dieses Nachgeben von einem kurzzeitig lockeren Zügel begleitet sein kann steht da nicht. Es steht dort aber, das das Nachgeben langsam erfolgen muß, damit der Zügel nicht springt (was immer das jetzt heißt? mein Zügel ist noch nirgendwo hingesprungen - wie auch er ist ja festgeschnallt  ;D)

Ich finde, dass ein Zügel nicht automatisch böse "springt", wenn er mal locker durchhängt. Demzufolge wäre ja auch ein Überstreichen eine böse Handeinwirkung. Dem ist ja nicht so. Da bleibt die FN-Richtlinie mir zumindest eine präzise Information schuldig.

Gruß
horsmän

Tina68

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Ritter, Deine Überlegungen finde ich interessant. Zudem ist es tatsächlich schon die halbe Miete, wenn man sich als Reiter zumindest Gedanken macht.
Die krasseste Form davon, dass ein ziehender Zügel das Pferd behindert ist wohl, wenn ein Pferd "zügellahm" wird.  ::)
Das mit dem Annehmen und Nachgeben löse ich übrigens so, dass ich die Zügel in der "neutralen Position" nur zwischen Daumen und Zeigefinger halte. Ein Schliessen der Faust bedeutet dann ein Annehmen, das Öffnen wieder ein Nachgeben. Der Zügel bewegt sich also nur wenig und "springt" nicht.

Offline Beagle-Petra

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Ein springender zügel ist ein zügel, der weder steten kontakt hat noch beständig gar keinen kontakt hat. der also ständig zwischen kontakt und nichtkontakt hin und her springt. wichtig ist dabei, dass dieses ständige hin und her nicht vom reiter absichtlich herbeigeführt wurde. ein springender zügel entsteht z.b., wenn der reiter eine starre hand hat und nicht genügend auf die eigenbewegung des kopfes eingeht. was man ja bei jungen und nicht ausreichend gymnastizierten pferden tun muss, es ist schon ein zeichen für ein etwas besseres gerittensein, wenn das pferd den Kopf aus sich heraus ruhig halten kann, also sich in Selbsthaltung tragen kann.

bei einem springenden Zügel wird der Kontakt also nicht vom Reiter durch weiches Annehmen hergestellt, sondern das Pferd poliert sich durch seine eigenen Bewegungen dauernd selbst die Fresse - sorry für den harten Ausdruck. Als Konsequenz wird es lernen den Kopf starr zu halten oder sich zu verkriechen > künstlicher Head set statt gelöster Selbsthaltung.
Nur echt mit dem Beagle!

Offline horsmän

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Danke für deine Definition.
Demnach ist ein Zügel, der aufgrund bewußten Nachgebens für einige Zeit (2-5 sek.) mal locker hängt kein springender Zügel.
Das beruhigt mich ;)

gruß
horsmän

Offline wolkennavigator

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@BP: Du kannst es einfach super erklären  ;D! *HMLmodus wieder ein*
Ein Pferd galloppiert mit seiner Lunge,
hält durch mit seinem Herzen,
gewinnt mit seinem Charakter

Tina68

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Sage ich ja immer wieder, BP kann sich sehr gut ausdrücken! *Schmeichelmodusaus*  ;D

Offline Waddington

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Zu dem Thema Anlehnung und Gewicht in den Händen möchte ich noch was beitragen.

Ich hatte jetzt eine Zeit bei der ich keine Anlehnung geritten bekommen habe. Es GING einfach nicht. Und das hatte mehrere Gründe: RB hatte eine starre Hand und entweder sie hatte springende Zügel oder eben zu viel in der Hand. Springende Zügel hasst mein Pferd, er hat ein sehr empfindsames Maul. Bei zu viel Gewicht in den Händen macht er sich blos kurz und drückt den Unterhals raus, im Extremfall drückt er den Rücken weg, macht nen Unterhals und hat den Kopf doch in der Senkrechten  :-X

Die RB hat es in kurzer Zeit geschafft das Vertrauen in die Reiterhand zu zerstören. Es hat jetzt mehrere Wochen gedauert, um das wieder auszubügeln. Bei diesem Pferd ist es wirklich schwer, eine gleichmäßigen Anlehnung zu bekommen. Denn, er zieht nur wenig in die Hand, baut sehr selten mal mehr KOntakt zur Hand auf. Ich finde es sauschwer mit wenig Kontakt das sichere Gefühl für die Kopfbewegung zu bekommen, ich übe das jetzt schon seit Monaten.

Vermutlich reiten deshalb viele einfach mit zu viel Zug in der Hand. Die andere Alternative wäre eben ganz ohne Anlehnung zu reiten, also in reiner Selbsthaltung. Und ehrlich gesagt: ich kenne in meinem Umfeld nur ganz wenige, die mit weicher Hand eine saubere Anlehnung reiten können, wenn sie wenig Zug haben. Und bei den Pferden, die extrem den Rücken wegdrücken sieht man fast immer springende Zügel beim Reiter.