Autor Thema: Sofort nachgeben auf Zug am Zügel - warum eigentlich nicht beim Englischreiten?  (Gelesen 96403 mal)

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Muriel

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Ahh, Du meinst so was wie bei dem Fuchs, gell?
Den Begriff hab ich auch noch nicht gehört. Wobei der nicht überbaut ist, aber sonst trifft alles zu.

Offline donau

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jaaaaa, so ähnlich, und jetzt stell dir das ganze in schlimmer vor, nämlich mit senkrücken-tendenz und kreuzdarmbein gelenk weiter oben :P
diese tiere tun sich einfach anatomisch schwer, rund laufen... (oder zb. geschlossene haltparaden machen...)
Wer auf seinem Standpunkt beharrt, darf sich nicht wundern, dass er nicht weiterkommt...

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Muriel

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ok, das war schlimmer, aber das ist jetzt eigentlich offtopic.... aber ich weiß was du meinst.

Offline Waddington

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Meiner Meinung nach wird das Pferd im Englisch-Reiten genauso auf Nachgeben konditioniert, nur, dass beim ER die Anlehnung (weicher, elastischer Kontakt zum Pferdemaul) nicht abbricht. Die Konditionierung erfolgt auf die Abfolge Kontakt geben, Schenkeldruck aufbauen, sofort Nachgeben, wenn Pferd richtig reagiert.

Das Wehren der Pferde gegen das Nachgeben und die Anlehnung hat viele Gründe:

Der Reiter sitzt zu weit hinten im Sattel ein und übt so Druck auf den empfindlichen hinteren Teil der Wirbelsäule aus. Das Pferd drückt den Rücken weg. Reiter sitzt nicht elastisch sondern gegen die Bewegung (sieht man sehr oft)

Wenn das Pferd nachgibt, wird es permanent durch springende Zügel gestört, sofern die Hand nicht elastisch jeder Bewegung des Kopfes folgt (rythmische Kopfbewegung der jeweiligen Gangart)

Störungen von Gleichgewicht, Reitersitz, Zügelhände reagiert das Pferd sofort mit Aufgeben der Anlehnung. Entweder nach oben oder nach unten. Anlehnungsprobleme sind daher fast immer Reiterprobleme.

Im Idealfall lässt sich das Pferd mit Gewichtshilfe, Schenkelhilfe und Zügelhilfe leicht rahmen, Ausfallen aus dem Rahmen wird vom Reiter mit Druck beantwortet, zurückfinden in den Rahmen mit Loslassen. Loslassen wird aber oft vergessen. Daher wirkt es oft verkrampft. Die Konditionierung findet in einem recht engen Rahmen statt. In so einer Art Zwiegespräch zwischen Reiter und Pferd. (hier ist nicht der enge Rahmen des Pferdes gemeint)

Wenn dieses Zwiegespräch positiv verläuft, dann vertraut sich das Pferd dem Reiter an, sonst nicht. Anlehnung und Losgelassenheit gehören untrennbar zusammen. Anlehnungsprobleme bringen daher sehr lediglich die mangelnde Losgelassenheit zum Ausdruck.

Und da liegt der Hund meistens begraben.

Nun, ich bewege mich leider auch noch lange nicht auf dem gewünschten Niveau, ich kann aber immer wieder in kurzen Reprisen erleben, wie es sein müsste. Und mein Reitlehrer kann es mir auf meinem noch rel. jungen Pferd zeigen. WIE stark das Feingefühl und die präzise Kommunikation das Pferd leiten können, habe ich Anfang dieser Woche gesehen, als RL mein Pferd das allererste mal in echte Versammlung geritten hat. Ein wunderbares Wechselspiel zwischen Lösen und von hinten nach vorne Reiten und wieder lösen und wieder von hinten nach vorne zusammenschieben. Mit sehr leichter Anlehnung. Das Pferd hat die Wünsche des Reiters sehr präzise umgesetzt. Mit Kraft und Anmut und LOSGELASSENHEIT. Diese ist nicht einmal verloren gegangen. Wunderschön war das anzusehen!
« Letzte Änderung: 10.06.05, 21:52 von Waddington »

geolina

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hallo,

bin heute mit der box im kopf in den stall gefahren um zu sehen wie meine eigentlich genau reagiert - und dann auf dem pferd beim aufnehmen (erster kontakt) fiel es mir wie schuppen von den augen, ich kann gar nicht einfach zügel aufnehmen  ;D.

es ist genau wie waddi geschrieben hat. unsere pferde geben nicht einfach nach wenn wir den zügel aufnehmen weil sie so schlicht nicht konditioniert sind. und mal ehrlich wenn ich die klassische dressur richtig verstanden habe, dann ist das auch gut so. ein zusammenspiel der hilfen ist beim klassischen reiten gefragt - eigentlich hat das pferd doch recht wenn es nicht einfach den kopf nach unten nimmt wenn man bissl zupft. gut dass uns die pferde die rückmeldung geben ob wir auch mit dem schenkel und dem kreuz da sind ;). mir fiel nur beim aufnehmen auf, dass ich gar nicht aufnehmen kann ohne was mit den beinen zu machen *lach*. also schlug der selbsttest fehl.

zudem klar gibt man auch nach, doch will man als englischreiter auch etwas in der hand haben - zwar keine tonnen, aber eine verbindung braucht man schon. schließlich soll das pferd auch ganz anders laufen als im westernlager - da muss man dann eben auch anders reiten. ich hab es heute wieder bei den trab galopp übergängen gemerkt - wenn ich will dass die mein pferd korrekt geht und nicht nur eben mal so macht  ;D ich war heute erst etwas schlampig - dann brauche ich kontakt zu ihr.

mein pferd sucht diesen kontakt auch - ist ja auch klar - wir haben den pferden (also den klassisch - fn - englisch, ach nenn es doch wie du willst *lach* gerittenen) beigebracht dem zügel zu folgen und wenn ich den zügel länger lasse - dann wird auch mein pferd länger - ganz automatisch. und so will ich das auch - durchhängende zügel habe ich nur 10 am anfang und am schluss und während kurzer schrittpausen. (wenn das nur mit dem aufnehmen auch so unproblematisch wäre *seufz*)

deshalb sieht man das nachgeben bei uns nicht so am durchhängenden zügel - sondern eher an der länge des pferdes (bzw. pferdehalses)

also kurzfassung - warum sieht westernreiten anders aus als englischreiten?

weil es was anderes ist  ;D

alex

Offline Rowi

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Einer der meisten Hinweise des Altmeisters E.v.Neindorff war : NIMM NIEMALS DEM ZÜGEL IN DIE HAND OHNE VORHER DIE TREIBENDEN HILFEN ZU ERTEILEN!!!! Dies habe ich mir immer gut gemerkt und..... trotzdem habe ich in der Ausbildung meines Pferdes einen entscheidenden Fehler gemacht , den ich gerade dabei bin mühsam zu korregieren. Mein Pferd ( 7 Jahre , L-Lektionen) geht zeitweise zügellahm und hat massive Anlehnungsprobleme. Wie konnte es dazu kommen ? Ich reite täglich und mehrere Pferde. Ich befand mich einfach auf dem falschen Weg,durch falsches Nachgeben. Ich habe ihm quasi ständig die Anlehnung verweigert, indem ich den inneren Zügel weggeschmissen habe. Die letzte Zeit hatte er dann Taktfehler. Daraufhin habe ich mir einen sehr guten Tierarzt geholt, dieser hat ihn angeschaut und mir bestätigt, was ich mir eigendlich nicht eingestehen wollte. Nun muß ich einige Schritte zurückgehen und noch mal anfangen. Ich muß das Vertrauen zur Hand aufbauen (nicht mißverstehen, dieser Fehler entstand nicht aus mangelnder Kenntniss, sondern ich habe einfach falsch geritten) Das klingt vielleicht alles sehr unprofessionell, aber auch Leuten, die lange und viel reiten kann soetwas passieren. Man überprüfe sich selbst immer gründlich, vorallem die Anlehnung, den dort entstehen viele Fehler.

Offline Waddington

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Nö Rowi, das klingt ganz und gar nicht unprofessionell: unprofessionell wäre: sich den Fehler nicht einzugestehen.  ;)

Farona2005

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ich weiß ja nicht wie es euch geht aber ich mag pferde bei denen man was "in der hand hat". ich rede hier nicht von auf die hand legen oder gegen den reiter arbeitend; meine stute ist zB ein sehr kompaktes gut bemuskeltes pferd mit starker hals und hinterhandmuskelatur und das merkt man auch beim reiten.kann sein das das bei mir von der springerei kommt. denn da find ichs auch besser wenn man einen hat der zum sprung zieht und sich nicht hinterm zügel verkriecht so dass man keine chance hat ein bisschen druck auf die hand zubekommen.

ganz ehrlich ein pferd dass nur ganz leicht am kleinen finger zureiten wäre wäre glaube ich nichts für mich

Muriel

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ganz ehrlich ein pferd dass nur ganz leicht am kleinen finger zureiten wäre wäre glaube ich nichts für mich

Ist Gewöhnungssache und fördert den Respekt für das Pferdemaul  :-X.

Aber ich weiß, was Du meinst. Wenn man an mehr gewöhnt ist, kommt einem eine federleichte Anlehnung geschummelt vor.

Wir erarbeiten uns auch gerade eine vernünftige Anlehnung und wenn es gut ist, ist es mir schon eigentlich zu viel.
Meine RL sagt aber auch, wenn ich mehr treibe, habe ich mehr in der Hand.
Und der gute Herr Seunig - war ers? - sagte: Kilos treiben, Gramm in der Hand haben.


Offline Waddington

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Na, ich denke wieviel man in der Hand hat, kommt sehr auf die individuelle Empfindsamkeit des Pferdes und das Exterieur an. Ein langes Schiff wird immer mehr "abstützen" wollen, als ein Kompakt-Pferd. Manche Pferde haben von Haus aus ein unempfindliches Maul, andere hingegen ein sehr, sehr empfindsames Maul, was jede Störung übel nimmt. Das "Ziehen" in die Reiterhand ist wichtig und richtig. Bei meinem ist es lediglich zu fühlen, dass da Kontakt da ist, mehr nicht.

Offline donau

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also bis jetzt hab ich immer nur krämpfe vom treiben bekommen, noch nie vom ziehen ::)
sicher gibts welche, die mehr druck vorne brauchen- aber was hat das subjektive gewicht in der hand damit zu tun, ob ein pferd korrekt nachgibt?

zügel anstehend, aufrichten, beine anlegen, kopf muss da sein, schluss.ob ich dann mehr oder weniger in der hand habe, hat meiner meinung nach nix mit dem nachgeben des pferdes zu tun, sondern eher damit, wieviel "zusammenspannen" ich ein pferd muss. soll heissen, in dehnungshaltung, und bei in sich eher runden, kurzen pferden wird das weniger sein, als bei schlachtschiffen, die sich versammeln sollen (wobei man selbst da eher mit treiben verhungert, als bizeps trainiert, dafür soll man doch bitte ins fitness-center).
heisst auch, ein (kurzer) quackel in dehnungshaltung braucht so gut wie keine anlehnung, ein 1,80 wb in versammlung dann doch- sagt aber nichts darüber aus, wie gut und leicht diese pferde nachgeben (kann das wb sich sofort rund machen, während man den quackel erst 30 minuten warm arbeiten muss, bevor er übern rücken geht..), und vorallem ists sinnlos, das nur über den zügel zu definieren.

(dank unfreiwilligen selbstexperimenten komm ich zu immer neuen erkenntnissen, das betreffend.. ::) )
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Offline Beagle-Petra

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und der westernreiter arbeitet das pferd eben von der hand weg, das ist ein fundamentaler unterschied. nur ein pferd, das von der hand weggeritten ist, kann ich auf längere zeit (also nicht nur für die paar meter überstreichen beim dressurpferd) am losen zügel reiten. wobei der negative eindruck oft genug dadurch entsteht, dass eben viele westernpferde am losen zügel laufen, aber nicht von der hand weggeritten sind.

der grundsatz für ein gut gerittenes westernpferd lautet: "willingly guided on a loose rein". das sagt eine ganze menge aus, wenn man sich das mal in ruhe durch den kopf gehen lässt. kein pferd lässt sich einfach so in jeder situation willig am losen zügel führen. da steckt vielmehr eine ganze menge arbeit hinter.

und wie überall kann man diesen grundsatz auf die verschiedensten weisen umsetzen. beim westernpferd kommt immer die funktion vor der form. soll heissen: letztendlich ist es egal ob ein pferd durch eine prüfung geht und dabei den kopf höher oder tiefer hält - der kluge trainer trainiert das pferd in dem bereich, den es durch seine anatomie vorgibt. einen zwang wie "genick als höchster punkt" oder "nase in der senkrechten" gibt es nicht.

das arbeiten am losen zügel setzt ein weit höheres mass an disziplin und gehorsam beim westernpferd voraus. man kann diesen mit dem pferd erarbeiten oder gegen das pferd. pferd als partner oder pferd als sportgerät. wie überall sonst auch. beim westernpferd wird der gehorsam oft im training durch verhältnismässig oder unverhältnismässig harte mittel durchgesetzt, weil man sich auf das bedingungslose funktionieren in der prüfung verlassen muss. man hat dann kaum noch möglichkeiten zur interaktion, anders als in der dressur oder dem springreiten z.b.
Nur echt mit dem Beagle!

kiwi2004

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@BP: Wer sich ein paar Pferde leisten kann und sich eine Disziplin aussucht, die den Pferden gut passt hat es natuerlich viel leichter. Die Leute mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte, haben kein Pferd zu etwas gezwungen, dass es nicht kann. Man kann ein Pferd kaufen, dass einem gefaellt. Dann muss man aber ganz ehrlich zu sich sein und das Pferd in etwas trainieren fuer das das Pferd Talent hat. Oder man kauft sich ein Pferd mit dem "richtigen" Talent und geht nicht so sehr nach anderen Kriterien. 
« Letzte Änderung: 15.06.05, 09:13 von kiwi2004 »

Offline Beagle-Petra

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@kiwi,

das ist richtig, aber was hat das mit der frage "sofort nachgeben auf Zug am Zügel" zu tun?

Ich beziehe mich jedenfalls nicht darauf, dass man Pferde zu etwas zwingt, was es nicht kann oder was ihm nicht liegt - Ritte wie in der World Reining Trophy am letzten WE wären mit solchen Pferden gar nicht möglich. Sondern darauf, dass manche Trainer ihre Pferde zu Partnern machen, die Spitzenleistung bringen wollen, andere degradieren sie zu willenlosen, eingeschüchterten Sklaven, die aus lauter Angst vor Strafe wie ein Uhrwerk funktionieren. An den Erfolgen dieser Pferde kann man den Unterschied nicht festmachen. Nur an ihren Augen. Aber das ist jetzt wieder ein ethischer Exkurs, der hier an sich nicht primär das Thema ist.
Nur echt mit dem Beagle!

esge

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Nach meinem gerade beendeten Ausflug in die WElt der FN ist mein Eindruck: Die dauerhafte Anlehnung und Einrahmung an allen Hilfen bewirkt, dass die Pferde sehr sicher zu führen sind aber sehr unselbständig gemacht werden. Um Turniere punktgenau zu reiten, ist das sehr wichtig. Jedes Angebot zur Selbsthaltung und selbständigen Arbeit birgt schließlich die Gefahr, dass das Pferd die Norm verlässt. Norm ist aber alles, ein Abweichen davon kostet sofort Punkte.
Dauerhafte Anlehnung und Einrahmung mit allen Hilfen muss, wenn sie gut ausgeführt wird, keinesfalls negativ sein udn auch nicht unangenehm fürs Pferd. Es braucht eine sehr weiche, gefühlvolle Hand des Reiters und eine hohe Körperbeherrschung und -spannung, um so gut zu reiten.
Schon die französische Reitweise arbeitet auf wesentlich mehr Eigenständigkeit des Pferdes hin, möchte es möglichst unabhängig von der Hand machen, allerdings lauert diese immer im Milimeterabstand udn das Pferd weiß, dass sie da ist. Somit wird auch hier immer noch ein recht bewachter Rahmen vorgegeben und sobald das Pferd die gewünschte Form verlässt, wird formgebend eingegriffen.
Die Westernreitweise geht wohl noch ein Stück weiter in Richtung selbständigkeit - ganz klar durch die Ursprünge aus der Arbeitsreitweise.
Gut oder schlecht ist nicht die Frage, sondern was man anstrebt.

Aber so erklärt sich auch die jeweilige Konditionierung auf das Gebiss, bzw. das Annehmen und Nachgeben. Beibringen kann man Pferden fast alles...