Autor Thema: Racinet, F. Baucher Enfent terribel oder Genie, neu und umfassend erklärt  (Gelesen 59162 mal)

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Offline pepperannTopic starter

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Diese Buch ist ja jetzt kürzlich in Deutsch erschienen und ich musste es natürlich sofort haben. Obwohl ich Olms-Bücher gewohnt bin, war ich von der sehr spartanischen Aufmachung doch enttäuscht. Ich habe davor gerade den letzten Oliveira-Band (30 Jahre Aufzeichnungen..)gelesen, wo man nicht mal mehr die Fotos erkennen konnte. Das fällt bei diesem Buch weg, da gibts fast gar keine Fotos.

In den Text muss man sich erst einlesen und er setzt vermutlich einiges an Wissen über französische Reitkultur voraus. Ich konnte allerdings dann auch garnicht mehr aufhören zu Lesen, weils für mich irgendwie fesselnd war. Als Bewunderer Bauchers ist Racinet natürlich auch kein Anhänger der typisch "deutschen Reitweise", der Anlehnung und des ständigen Treibens. Mir waren die Theorien der Balance vor der Bewegung bekannt, das Anheben des Widerrists allerdings nicht und ich muss da noch nachdenken und die Pferdeanatomie studieren. In dieser Hinsicht ist es sicher ein provokatives Buch.

Hat es schon jemand von euch gelesen?

Offline chily

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oh ja, und erzähl du mal was von Fr. Cygon! Hast du unterricht bei ihr? Is nämlich wenigstens keine Weltreise von mir weg...Ich wollt mir mal das Buch kaufen, lohnt sich das?

Offline pepperannTopic starter

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Der Ansatz von Frau Cygon ist sicher genau gegensätzlich. Ich habe ja vor einiger Zeit ein Händlerpferd gekauft, dass durch Kutschenfahren sehr stark im Hals aufgerichtet war (nicht eingerollt, sondern wie eine Zieharmonika zusammengeschraubt). Daher hab ich mich verstärkt mit Ansätzen zum v/a beschäftigt  ;).  Die "normale" Methode hat natürlich auch geklappt, diese hat mein Pferd aber stark auf die Schultern gebracht, was bei einem Iberer nicht unbedingt dienlich für die Vorderbeine ist (die halten das noch weniger aus, als andere Rassen). Die "andere" Methode: Nämlich zuerst das Gleichgewicht-die Balance herstellen und dann erst die Bewegung dazukommen zu lassen, war für mich viel hilfreicher. Ich bin sehr verkürzten Schritt geritten und das Pferd durfte nicht auf die Schultern fallen. Dadurch wurde der Rücken besser (und ich hatte da meine Zweifel), die Balance besser und auch der Takt besser.
So ähnlich ist Racinets (bzw. der französische) Ansatz im allgemeinen. Ganz wichtig ist die Lockerung des Unterkiefers und Hand ohne Bein /bzw. umgekehrt.

In diesem Buch erläutert er aber eher Bauchers Lehrweise und wie er (Racinet) dazu steht. Er erzählt auch ein paar Beispiel von schwierigen Pferden, aber ein richtiges Lehrbuch ist es ja keines. Das dürfte eher das andere, noch nicht erschienene Buch sein.

Er erklärt anatomisch das Widerristheben damit, dass das Pferd keine Schlüsselbeine hat und der Widerrist sich daher beim v/a nicht automatisch heben kann. Bzw. eher, dass das Pferd ohne Reiter elegant und leicht gehen kann und mit Reiter eher wie ein Fisch am Land. Er hat Messungen gemacht, wo ein Pferd stehend ohne Reiter bis zu 2,5 cm grösser ist, als mit Reiter, da der Widerrist quasi zwischen die Schulterblätter absinkt  ???. Daher muss man vorne heben, damit das Pferd im Gleichgewicht ist, damit die Hinterhand überhaupt arbeiten kann.

So ganz genau kann ich es aber auch noch nicht schildern, da ich es auch noch mal hinterfragen muss (im eigenen Hirn) und dazu hab ich es zu schnell gelesen ;D ;)

Offline pepperannTopic starter

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pepperann, meinst Du mit "normaler Methode" das FN-mässige Dehnen in anlehnung bis maximal Höhe Buggelenk?
Oder meinst Du tatsächlich Fr. Cygon's Methode mit losem Zügel, Dehnung zunächst beliebig tief fürs Pferd?

Ich hab mal einfach v/a überhaupt gemeint.

Offline pepperannTopic starter

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In dem Buch geht es halt erst mal um Baucher und seine Methode.
Racinet schreibt gut und unterhaltsam. Ich habe es regelrecht verschlungen und für gut befunden  ;D. Was er sagt macht Sinn. Ich habe danach Oliveira und Ph.Karl noch besser verstanden *pfui klingt das überheblich*. Vielleicht hab ich sie erst so verstanden  ::). Ich bin vom v/a Dehnen bis zum Boden nicht überzeugt. Aber mein Pferd liegt sowieso immer sehr schwer auf den Schultern (kurzer Hals - schlecht ausbalanciert). Das kommt vermutlich auch immer auf den Körperbau und aufs jeweilige Pferd an. Oliveira war ja auch deshalb so gut, weil er für jedes Pferd das passende gefunden bzw. gewusst hat.

Was mir ja insgeheim an dem Buch so gefällt ist, dass Racinet ordentlich über die FEI-Regeln, über Richter und das alleinige Bestehen auf nur einer einzigen Methode (nämlich der der FEI) lästert. So schreibt er z.B.: Das Konzept des "Aussetzens der Hilfen" (descete des aides) wird heutzutage in der Dressur nicht gut aufgenommen, das Aussetzen der Beinhilfen, wie schon erwähnt, aber ebenso und weitaus mehr das Aussetzen der Handeinwirkung. Die FEI legt fest, dass eine Piaffe mit anstehenden Zügeln geritten werden soll. So hätte Maestro Oliveira beispielsweise für seine (hervorragenden Piaffen) schlechte Noten bekommen, wenn er bei Tunieren angetreten wäre.
Die FEI-Meinung hält gläubig an der Lehre des deutschen Meisters Steinbrecht fest, welcher bemerkt, dass ein Pferd sogar zwischen den Pilaren permanent gegen die Seile getrieben werden solle....Warum überwiegt diese Ansicht so sehr? Warum sollte man nur einen Stil im Dressurviereck anerkennen? Ich weiss es nicht, und ich muss hinzufügen, dass es nicht immer so gewesen ist......

Nebraska

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Hallo !
lese auch geade Racinet
kenn die Denkweise schon von Monsieur PK
hat schon was für sich
und natürlich der krasse Gegensatz zu Frau Cygon
ganz ehrlich :
es sieht abscheulich aus
wie sie ihren Po über den Sattel schiebt
hab ja nun  nix gegen v/a  - im Gegenteil
aber muss man dafür so ein Bild abgeben ? :P
ansonsten : erst mal durch dass Buch beissen,
ist schon ermüdend nach 10 h Tag :-*

Nebraska

Offline marie

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Nnnnnaja - Nach der FN-Lehre wird das Pferd begrenzt per Anlehnung und darf sich mit der Nase nicht tiefer beugen als bis Buggelenk, stimmts?

Ich höre diese Sache mit "Nase höchstens auf Höhe des Buggelenks" häufig und es stimmt so nicht.
Ich möchte hier keine Haare spalten, aber nach FN soll sich das Pferd an den Zügel heranstrecken, der allmählich verlängert wird. Also begrenzt der Reiter nicht, sondern das Pferd sucht vertrauensvoll bei nach und nach länger werdenden Zügel die Anlehnung - und diese wird gewährt.
Nase auf Höhe des Buggelenks ist dabei nicht die maximal verlangte Streckung, sondern vielmehr die minimale!

Zitat Richtlinien Bd. 1, S. 97
"Die Dehnung sollte mindestens so weit erfolgen, dass sich das Pferdemaul auf Höhe des Buggelenks befindet, aber höchstens so weit, wie es die Erhaltung des Gleichgewichts zulässt. Die Stirn-Nasenlinie des Pferdes bleibt vor bzw. an der Senkrechten."

Viele Grüße
Marie


Offline pepperannTopic starter

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Aber, Pepperann, nur wg. dem Lästern in dem Buch kauf' ichs mir nicht, mich interessiert viel mehr was der konkret macht und v. a. wie er das über die Anatomie vom Pferd begründet.
Da musst du dann wohl auf das andere warten  :). Allerdings hab ich erfahren, dass es der Olms-Verlag schon wieder von der Liste der bald erscheinenden Bücher genommen hat. Das heisst es dauert vermutlich noch ...Jahre >:(. Ich hab mir auf jeden Fall jetzt in Amerig(k)a die englische Version bestellt (Total Horsmanship und Another Horsemanship). Eben weils mir so gefällt. Dann muss ich mich wohl durchs englische durchbeissen, dafür gibts keine Übersetzungsmissverständnisse (ausser bei mir selbst).

Ich kann nur sagen, dass ich mein Pferd ähnlich ausbilde, wie es bei Racinet auch nachzulesen ist (vermutlich einfach romanisch 8)). Das habe ich nicht absichtlich so gewählt, sondern bin durch eine gute Reitlehrerin dazu gekommen. Ich war sehr skeptisch, hab sehr viel gezweifelt, aber das langsam einstellende Ergebniss ist traumhaft. Ein höfliches, aufmerksames Pferd, das leicht am Zügel und leicht am Bein ist.

Offline ElShadaar

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 Er hat Messungen gemacht, wo ein Pferd stehend ohne Reiter bis zu 2,5 cm grösser ist, als mit Reiter, da der Widerrist quasi zwischen die Schulterblätter absinkt  ???.

..müßte sich dann nicht die Paßform des Sattel verändern, ich meine, wenn der Widerrist versinkt müßte dann doch mehr Platz sein und wenn er hochkommt wird's eng in der Kammer, oder wie ??

..ansonsten  :  interessante Diskussion !!

.der Sitz von I.C. ist übrigens ein extremer Chiron-Sitz, nur so sitzt man absolut im Gleichgewicht, verkürzte Bügel, Popo nach hinten, Schultern auf Höhe Knie, kann man die Arme zur Seite nehmen, weil das in sich völlig stabil ist. Größter Vorteil   :  man hängt mit seinem Gewicht nicht auf der Vorhand des Pferdes ! Mache ich aber nur 'normalen' leichten Sitz hängt man immer mehr oder weniger vorneüber und damit auf der Vorhand. Echt wahr !!

Gruß - Geli
Reiten soll Duett sein, nicht Duell..                         Ein gutes Pferd hat keine Farbe, aber einen Aalstrich..

Offline Lacona

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echt wahr, Geli. Und Kreuzschmerzen bekomm ich nur, wenn ich mich dabei in den Lendenwirbeln fest mache ...
Und am Ende der Straße steht ein Haus am See.
Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg.
(Peter Fox)

Offline marie

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marie, mir hat das eine lizensierte Trainerin so erklärt. War also Murks.

Ich glaube das liegt daran, dass niemand die Richtlinien wirklich liest (da stehen die erstaunlichsten pferdefreundlichen Sachen drin :))

Aha, dachte ich mir - trau' dich einfach, gib' ihm den Rahmen vom Sattel aus mit vorsichtiger Hand. Das war dann wieder was anderes als 0815-RL die jahrelang "Zügel kürzer, Zügel kürzer" plärrten wenn hinten längst der Motor abgenippelt war... OK, lacht ruhig, Reiten ist ein Lernprozess. ;D Was inzwischen gut funktioniert bei uns - per Anlehnung diesen Rahmen vorgeben fürs Arbeiten - und immer wieder dehnen lassen, dazwischen halt.

Zu diesem Thema z.B.
"Das "Zügel aus der Hand kauen lassen ((in die Dehnungshaltung)) wird in der Lösungsphase des Öfteren durchgeführt, um die Rückentätigkeit des Pferdes zu überprüfen und zu verbessern." (Richtlinien Bd. 1, S. 94)

Naja, und deswegen faszinieren mich IC genau wie evt. Racinet - beide sind, auf ihre Gegensätzliche Art, GEGEN das Reiten am strammen Dauerbande, und gegen das Fahren mit angezogener Handbremse.

Und hierzu:
"An die Hilfen stellen heißt, das Pferd mit Gewichts- und Schenkelhilfen von hinten nach vorne an das Gebiss bzw. an die Zügelhand heranzutreiben, sodass im Halten wie in der Bewegung zwischen Reiterhand und Pferdemaul eine stete, aber weich federnde Verbindung hergestellt ist. (ebd. S. 95)

"Wichtigstes Kriterium dabei ist, dass das Pferd fleißig, gehfreudig - ohne zu eilen - vorwärts geht. Dies ist nur möglich, wenn das Pferd losgelassen, also im Rücken frei von Verspannungen ist, im Genick nachgibt und sich treiben lässt." (ebda. S. 96)

Also was auch immer deine "FN-"Reitlehrer vermitteln wollten - es war nicht nach den Richtlinien der FN, sondern eher selbstgebackene Drück-Zieh-Methode :P

Es lohnt sich manchmal wirklich die popeligen Richtlinien zu lesen, die sind nämlich auch
GEGEN das Reiten am strammen Dauerbande, und gegen das Fahren mit angezogener Handbremse.
:)
« Letzte Änderung: 10.06.05, 12:08 von marie »

Tubi

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"Auf meine Frage, warum so viele Pferde mit dem falschen Knick geritten würden bis zum Abwinken, und sogar noch placiert würden auf dem Turnier, wurde mir auch erklärt (und das wäre unbestreitbar weil XY das gesagt hätte) dass heutzutage die meisten Pferde nimmer in der Lage wären, rein anatomisch, mit dem Genick als dem höchsten Punkt zu laufen... "

AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHRG. Aua, tut das weh. Oh Gott, wie einfallsreich in der eigenen Inkompetenz, unglaublich. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt oder wie war das noch? Komisch, dass so viele behaupten, dass das Material immer besser wird, nur die Reiterei immer schlechter.

Offline pepperannTopic starter

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Wie gesagt, ist es ein Buch über Baucher. Ich kann aber einen Auszug über das Kapitel:  Heben des Widerrists, zitieren:
...Der Aspekt des Senkens (des Beckens-der Kruppe) war in der Barockzeit eher verbreitet, als die Schulsprünge ein wesentlicher Teil des Reitprogrammes waren. Jeder Sprung verlangt zunächst ein Beugen der Sprunggelenke und gewiss senkt dieses Beugen das ganze Hinterteil. Zeitweise wurde darüber diskutiert, ob die Erhebeung der Vorhand Ursache oder Folge des Senkens der Hinterhand ist. Dies Auseinandersetzung ist aber sinnlos, weil das Pferd ein Ganzes ist: diese beiden Beweungen sind gekoppelt. Man kann jedoch bestätigen, dass wenn der Widerrist - warum auch immer - NICHT nach oben kann, die Möglichkeiten des Pferdes, die Hinterhand zu engagieren, empfindlich beschränkt sind.

Offline Karotte

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hallo ihr,
ich habs irgendwo schon mal geschrieben: ich reite seit ca. 2 jahren eine araberstute, die in dieser zeit um 4 cm "gewachsen" ist (sie war allerdings schon 9, als ich angefangen habe sie zu reiten  :o), stockmaß damals 1,56 m - mit 11 war sie dann 1,59 m
meine Tä/osteopathin hat mir genau das mit dem widerrist erklärt - dass der sich bei korrekter arbeit anheben kann und das pferd damit "größer" wird.
ich habe die stute in dieser zeit fast nur vorwärts-abwärts geritten (allerdings nicht allzu tief und deutlich vor der senkrechte), da sie vorher ein absoluter sterngucker war, null rückenmuskulatur hatte und insgesamt zu "wabblig" im ganzen körper. außerdem typisch arabische anlehnungsprobleme usw. bin stark von meinem RL geprägt, der bei von neindorff gelernt hat und äußerst korrektes v/a mit sehr aktiver hinterhand und schwingendem rücken lehrt.

woran man mal wieder sieht, dass verschiedene methoden zu unterschiedlichen zeitpunkten bei unterschiedlichen pferden funktionieren und gar nicht zu demselben ergebnis führen können und man aus keinem davon eine religion machen darf ...
mir ist v/a eindeutig sympathischer als diese ganze anhebegeschichte, bei der man m.m.n. noch viel mehr verkehrt und kaputt machen kann - sollte ich aber mal eine sich aufrollende vorhandlastige rennsemmel reiten müssen, würd ich mir´s doch noch mal näher betrachten  8)

lg
karo
Das Leben ist keine E-Dressur!

Nebraska

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 :D aber das ist doch normal :
auch ausgewachsene Pferde,
die länger nicht gut trainiert wurden
"wachsen" durch die Vermehrung der Muskulatur
im Schulter / Hals Bereich

Nebraska :)