Hallo Vera,
bei meiner Ausbildung zur HPVR-Pädagogin wurde uns beigebracht, dass körperliche Schäden für's Pferd durch sinnvolle, vielseitige Ausgleichsarbeit (Gutes Reiten, Longe und Doppellonge, Bodenarbeit, Kopfbeschäftigung etc.), durch artgerechte Haltung (Herde, Weide, passendes Futter, Freizeit), und schließlich durch die aufmerksame Begleitung durch den Therapeuten vermieden werden können. Und genau die gleichen Maßnahmen sorgen auch für das psychische Wohlbefinden des Pferdes.
Mittlerweile arbeite ich seit mehreren Jahren reitpädagogisch und denke, dass diese o.g. Punkte tatsächlich zustimmen.
Wir nehmen für unsere Arbeit einmal wöchentlich Tiere, die "hauptberuflich" Reitpferde/-ponys auf einem Reiterhof mit regelmäßigem Unterricht sind. Auf dem Hof stehen ca. 40 Pferde, deren Hauptgeschäft Reitstunden für Kinder und Jugendlichen sind.
Da ist es nicht so leicht für die Pferde, sich super-feinfühlig auf unsere Therapiekinder einzustellen, denn sie erleben tagtäglich viele verschiedene Arten, behandelt zu werden. Erstaunlicherweise reagieren sie immer noch unterschiedlich auf die verschiedenen Charaktere unserer Therapiekinder. Von einem Kind lässt sich ein Pony führen, ein anderes bekommt es nicht vom Fleck usw.
Aber bei unseren Pferdchen gibt es auch ein paar Dominanzprobleme, speziell bei den kleinsten Shettys, die naturgemäß nicht von kompetenten Reitern zur Korrektur geritten werden können. Und auch die größeren Exemplare sind leider nicht immer so feinfühlig zu reiten und zu führen, wie man es von seinem eigenen kennt. Schulpferd halt.
Und das Pferd, das so artig und gut an der Longe läuft, ist jetzt leider ziemlich fertig auf den Knochen, weil er nicht nur von uns für die Therapie genutzt wird, sondern im normalen Betrieb auch noch für die Longierkurse eingesetzt wird. Und weil das Pferdchen ziemlich groß und stark ist, muss er leider im täglichen Betrieb auch als "Gewichtsträger" herhalten. Da zeigt sich z.B., dass er einseitig überlastet wurde. So soll es eigentlich nicht sein.
Vielleicht muss ich noch dazu sagen, dass wir dort auf dem Hof nur zu Gast sind und dementsprechend keine Möglichkeit haben, die erforderliche Ausgleichsarbeit zu machen. Dafür müssten wir die Pferde noch zusätzlich bezahlen (wie die Reitschüker), das gibt der Etat nicht mal ansatzweise her :-(
Andererseits durfte ich in meiner reitpädagogischen Ausbildung auf vorbildlich gehaltenen und behandelten Therapiepferden sitzen, die dermaßen sensibel auf mich und meine Stimmungen reagiert haben, dass ich völlig verstört von der "Hellsichtigkeit" dieser Pferde war. Ich fühlte mich regelrecht durchschaut ;-) Von daher sehe ich also, wie groß der Unterschied zwischen guten, echten Therapiepferden und zufällig ausgewählten Pferden für die Therapie ist.
Dass die "unorthodoxe" Haltung von Klienten dem Pferd schadet, halte ich für unwahrscheinlich, da eine durchschnittliche Therapie meist nur 20 bis 30 Minuten dauert. Danach ist dann ja Pause, oder der nächste Klient kommt, der garantiert anders draufhängt und das Pferd anders belastet. Ein Klient sitzt dem Pferd ja nicht Tag für Tag im Rücken, so, wie man z.B. sein eigenes Pferd schiefreitet, weil man vielleicht einen Sitzfehler mit sich rumträgt.
Dabei sollte das Pferd ja u.U. auch so ausgebunden sein, dass es sich rückenschonend trägt, und genügend Muskeln durch die Ausgleichsarbeit haben.
Wenn man Klienten mit Verhaltensauffälligkeiten hat, die sich dem Pferd gegenüber unfair verhalten, ist es natürlich die Aufgabe des Therapeuten, das Setting so zu setzen, dass das Pferd durch dieses Verhalten nicht geschädigt oder verunsichert wird.
Nur so aus Neugier, für was brauchst du denn diese Arbeit über pferdegestützte Therapie? Schule, Studium, Ausbildung?
Ich hoffe, dir mit diesen Gedanken ein wenig weitergeholfen zu haben.
Als Literaturtip würde ich dir die Fachzeitschrift vom DKThR empfehlen, die haben regelmäßig gute, auch wissenschaftlich fundierte Artikel über Th. Reiten. Da ist bestimmt auch viel über die Ausbildung der Therapiepferde drin.