Autor Thema: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?  (Gelesen 123136 mal)

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Offline zaino

  • Mein Pferd ist als Pferd eine Katastrophe, als Mensch ist es unersetzlich.
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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #150 am: 04.08.10, 21:58 »
Fazit: Bei den RL gibts auch die 2 Fraktionen - die kreative Probieren-wirs-aus-Fraktion - die Leut, die sehen was "geht" und dann einfach antesten, wenns Sinn macht, und wenns klappt, super! - und die ängstliche "Beamtenfraktion": NEiiiiin, was nicht sein kann, das darf auch noch nicht sein und lieber in Starre verfallen als was TUN und das könnte falsch sein.. genau wie bei den Reitern selber. Entsprechend wird geritten und gearbeitet. Ach ja, eine dritte Fraktion macht dann jeden möglichen Quatsch zur Selbstdarstellung, das ist das total entgegengesetzte Extrem.
Wenn man unter Anleitung Neues lernen und ausprobieren darf, ist das toll und motiviert wahnsinnig. Auch das Pferd; stimmt, wenn alles gut läuft, wird das Pferd richtig arbeitsgeil. Und macht einfach mehr Spass beim Reiten. DAS ist der Gradmesser für richtig oder falsch.

Finde immer noch, dass FN-mässig eigentlich DIE klassische REitkunst mit im Paket sein sollte, aber mei... wenn Ihr da anderst denkt?  ;)

Subito

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #151 am: 05.08.10, 07:28 »
@zaino
also ich hab mal eine im stall gehabt die ihren Friesen klassisch geritten hat - das war schon mal etwas anderes. Das fängt ja dabei an das man bei FN einen ständigen Kontakt zum Pferdemaul hat=Anlehnung u. die Hände verhältnismässig gleichhoch bzw. dabei tief hält. Klassisch macht viel über verschieden hohe, breite handhaltung. Die Hilfengebung ist prinzipiell gleich wird aber anders eingesetzt. Bei FN bist du ja ständig dran mit kreuz u. bein, bei klasssich irgendwie nur auf bedarf - schwer zu erklären. Grundsätzlich finde ich das ein fn Pferd mehr ins vorwärts geritten wird, während ein klassiker eher in "richtung" versammlung gearbeitet wird.
Das ist meine Version des Unterschieds u. man soll mich gern korrigieren!

@lacona
von vorn anfangen ist vielleicht etwas überspitzt, aber wenn man fast 30Jahre lang die hände gleichmäßig gehalten hat u. das Pferd in ständiger Anlehnung war müßte ich mich allein in dem Punkt schon Umstellen vom Gefühl her was mir sagt:" so ist die Verbindung richtig."

Was @karotte beschreibt hab ich übrigens auch selber so erlebt. Ich hatte im Unterricht mit meinem 5jährig noch echte Probleme die Hinterhand zu kontrollieren, trotzdem  o. deswegen hat meine damalige RL (die heute erfolgreich S/Grand Prix reitet) mit uns Traversalen, Renvers usw.  in allen möglichen Gangarten geübt,  genau wie Kurzkehrt, weil ihm Seitwärtsgänge bzw. technisch knifflige Sachen total liegen u. sie auch der Ansicht war, das man Stärken des Pferdes nebenbei nicht früh genug fördern kann.

Offline McFlower

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #152 am: 05.08.10, 07:58 »
Zitat
u. die Hände verhältnismässig gleichhoch bzw. dabei tief hält. Klassisch macht viel über verschieden hohe, breite handhaltung.
Stimmt nur halb. Ja, bei der FN werden die Hände prinzipiell tief gehalten, eine "hohe Hand" gibt es zumindest in den offiziellen Richtlinien nicht. Breite Handhaltung gibt es aber sehr wohl, auch offiziell. Es gibt die seitwärtsweisende Zügelhilfe, in der die innere Hand von der Position neben dem Mähnenkamm weggenommen wird und deutlich zur Seite geführt wird. Wird hauptsächlich bei Jungpferden oder Korrekturpferden eingesetzt und findet sich in den Richtlinien Reiten und Fahren. Dauerhaft breite Zügelführung gibt es aber nicht, das ist richtig.

Zitat
Bei FN bist du ja ständig dran mit kreuz u. bein,
Auch hier eigentlich nur ein Jein. Davon, dass einige FN-Lehrer ein fürchterliches Dauergewürge und Gequetsche lehren, wird es nicht richtiger und nicht mehr im Sinne der FN-Reitlehre. Das Bein ist immer dran, aber nur in dem Sinne, dass du mit dem Schenkel das Pferd fühlen kannst. Dauerdruck ist nicht richtig, nicht im Sinne der FN und nirgendwo in den Richtlinien zu finden.
Treulos ist, wer Lebewohl sagt, wenn die Straße dunkel wird. (Gimli - Die Gefährten)

Offline Binesdiva

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #153 am: 05.08.10, 08:04 »
Ist doch allgemein bekannt, daß "Lektionen" nicht nur aufeinander aufbauen, sondern man durch vermeintlich schwierigere Lektionen auch vermeintlich einfachere besser hinbekommt.
Das ist doch ein Wechselspiel.
Schritt-Galopp bzw. Galopp-Schritt-Übergänge sind versammelnd und versammelt. Kann ich also nehmen, um Versammlung zu erreichen bzw. zu verbessern.
Gleichwohl brauche ich eine gewisse Versammlung, um solche Übergänge korrekt auszuführen. Und da bediene ich mich gerne an "höheren" Lektionen. Z.B. reite ich auch sehr gerne Zirkel-verkleinern und wieder vergrößern und mit vielen Pferden auch Arbeitspirouetten, um die besser auf's Hinterbein zu bekommen.
Das ich mich mit diesen Pferden und ihren Arbeitspirouetten vielleicht noch nicht ins ganz große Viereck traue, ist ja klar.
Diese Lektionen helfen mir aber zuhause, meine Ziele zu erreichen.

Subito, nicht böse sein, aber Dein letzter Beitrag klingt jetzt ziemlich pauschal.
Also, wenn ich ständig mit Bein und Kreuz "dran" wäre, habe ich vermutlich bald ein abgestumpftes Pferd und Rückenschmerzen. Und dieses "bei FN muß man jeden Schritt raustreiben" ist ein Vorurteil, was ich oft von Westernreitern und Klassikern höre.

Dazu ist zu sagen, daß ich bis jetzt nirgendwo in FN-Richtlinien etc. irgend so etwas gelesen habe.

Ist ja auch kompletter Unsinn, wieso soll man immer weiter treiben und treiben und treiben, wenn das Pferd läuft und fleißig ist? Dann wird's doch nur eilig.
Ich mache das immer so wie mit einer Heizung: ist es zu kalt (also langsam / faul), Heizung höher (also treiben). Habe ich meine Zimmer- bzw. Betriebstemperatur erreicht, höre ich auf. Kühlt's ab, wieder treiben bzw. aufdrehen.
Das ist doch die Kunst:
die Hilfen nicht ständig, sondern nur bedarfsorientiert einzusetzen.
Dafür braucht's dann aber eben Gefühl.

Ich bin ja nun völlig FN und mir wurde in der langen Zeit meiner Reiterei noch nie (!) gesagt, daß ich ständig treiben und "dran" sitzen soll.

Und auch diese Anlehungsgeschichte:
ständiger Kontakt zum Pferdemaul heißt ja nun nicht, daß man ständig 3 Tonnen in der Hand hat. Hat man das, macht man was falsch. Bei richtiger Anlehnung habe ich einen ganz leichten Kontakt, spüre aber, wie das Pferd von sich an das Gebiss heranzieht und spüre genau, wie der Impuls aus der Hinterhand über den Rücken und das Genick auf's Gebiss übertragen und genauso wieder zurück läuft.
Ist jetzt schwierig zu beschreiben, muß man fühlen.
Das ist mein Ziel, und das auch noch in jeder Gangart und bei jeder Lektion.
Damit habe ich aber schon ziemlich zu tun.

Was ich aber auch nie verstehen werde:
für Versammlung braucht's doch ein gewisses Vorwärts (Schwung), schließlich muß man ja noch etwas versammeln können.
Aber vielleicht können mir die Klassiker das mal erklären?
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Offline Binesdiva

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #154 am: 05.08.10, 08:05 »
Ach, McFlower, genau, unsere Beiträge haben sich überschnitten.
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Offline Olli

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #155 am: 05.08.10, 08:23 »
*wildapllaudiert*
danke mcflower und bienesdiva.
menno, warum kann ich mich nur nicht so ausdrücken...
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Offline Mim

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #156 am: 05.08.10, 08:36 »
   Und dieses "bei FN muß man jeden Schritt raustreiben" ist ein Vorurteil, was ich oft von Westernreitern und Klassikern höre.

Ich bin ja nun völlig FN und mir wurde in der langen Zeit meiner Reiterei noch nie (!) gesagt, daß ich ständig treiben und "dran" sitzen soll.

Bei mir ists genau umgekehrt - ich hörte bei 3 verschiedenen, zert. RL - dass man jeden Galoppsprung raustreiben muss! was bei mir als Gelände-Vollblöd-Reiterin ja was ein Unwohlsein hervorgerufen hat. Als ich mal wegs zuviel Verspannung vom Pferd (Kraft/Kondition) und kg auf der Hand das Pferd nach v/a hinaus lies (um es mit dem Ziel langsam wieder "hochzusammeln" nachdem es sich lockerte/streckte) - bekam ich noch Brüller warum ich das Pferd "auseinanderfallen" liese - ich müsse immer "dran" bleiben  :-X.

 Und erst auf einem Pleashure-Quater von einer sehr guten RL die Beschreibung, dass ein Pferd mittels Hilfe in eine Gangart versetzt wird - und die solange zu halten hat - bis die nächste Hilfe kommt: Ganz fein.

Nunja - vielleicht liegt es auch daran, das 08/15 RS-Pferde die "Anfängergeignet" sein müssen (= "sehr ruhig") häufig nicht ohne Gerte/Sporen oder ständig treibende Hilfe motiviert-vorwärts gehen...? Unterricht auf RU-Pferden ist nicht gleich RU auf eigenem Pferd das sich auf einen/zwei Reiter einstellen muss?

Gruß Mim
Die-mit-dem-äusseren-Zügel-kämpft

Offline ricki

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #157 am: 05.08.10, 08:39 »
Ich steig dann mal in Ollis Applaus mit ein. Auch mein Dank an McFlower und Binesdiva.
"Deine Stute hat doch nicht mehr alle Latten am Zaun – aber sie passt zu dir."

"Wir sind doch hier nicht bei den Lottentotten!"


Offline Olli

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #158 am: 05.08.10, 08:42 »
Bei mir ists genau umgekehrt - ich hörte bei 3 verschiedenen, zert. RL - dass man jeden Galoppsprung raustreiben muss!
rausreiten, nicht treiben, wenn dein pferd nicht von allein RICHITIG geht.
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Offline terra

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #159 am: 05.08.10, 09:06 »
mim, das musste der Pleasurequater aber auch erst lernen :D..... und was meinst Du, wie oft mein RL über den Platz brüllt: "reit nicht so schlampig!" ;D weil Pferd meint, es sei jetzt oft genug korrekt gezirkelt, und ich merks nicht?

Danke Binesdiva und McFlower  :D




Subito

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #160 am: 05.08.10, 10:10 »
@Binesdiva&Mc Flower

Mir ist schon klar das es ein nicht ganz klar abgegrenzter Unterschied ist zwischen FN u. Klassisch, aber eine seitwärtsweisende Zügelhilfe ist doch was anderes als die Handhaltung im klassischen was ich gesehen habe. Sagen wir es anders - die Handhaltung ist im klassichen dynamischer u. flexibler als bei FN.

o.k. war wirklich etwas pauschal - wenn ICH von"dran" rede meine ich kein Schenkelquetschen o. schieben mit dem Po, sondern das was man sehr wohl allgemein als "an den Hilfen stehen" bezeichnet . Damit meine ich nicht das man ein Pferd ständig treibt u. meine Hand das 5 Bein darstellt - im Gegenteil "dran" heißt auf feinste Impulse reagieren u. zwar möglichst unauffällig/leicht  durch 1. Gewicht/Kreuz 2. Bein u. als letztes Hand,  wobei das Pferd eine positive Spannung aufbaut u. Selbsthaltung annimmt- nachzulesen im Band 1 der FN Richtlinien zum Reiten u. Fahren - oder wars Band 2?

Es widerspricht jeglicher Natur u. Anatomie des Pferdes sich ohne das Zutun des Reiters auf die Hinterhand zu setzen  - nein, besser als "setzen" ist "Lastverschiebung vom naturmäßigen Punkt "Vorhand" nach hinten auf die viel stärkerer "Hinterhand", erreicht durch Aufrichtung/Hankenbeugung= Hüft, Knie, Sprunggelenk werden in der Winkelung enger, die Hinterbeine treten weiter unter den Schwerpunkt (Mittelhand)- insgesamt als Versammlung bezeichnet.

Das erreiche ich nie u. nimmer wenn ich das Pferd einfach so lasse wie es will. Wobei: Ein renomierter Züchter u. Jungpferdeausbilder meinte mal zum Thema" Reiten ist anstrengend u. bedarf sehr viel Konsequenz an sich selbst" , das es durch Zucht mittlerweile Pferde gibt, die naturgemäß schon eine große Veranlagung zur "Versammlung" mitbringen u. sie dem Reiter quasi fast schenken. Kostet dann halt etwas mehr....

Mag sein das ich der klassichen Reitweise damit unrecht tue, wenn ich sage dort ist es anders, aber bei FN ist das definitiv so.

Die "Kunst des Reitens" besteht unter anderem darin das theorethische  o. angewiesene so umzusetzen das es nicht nur von außen danach aussieht u. indem man einfach nur "macht", sondern der Reiter ein gutes Gefühl mental wie körperlich dabei hat. Steht auch in Band eins - Gefühl des reiters, Hilfengebung u. noch was in so nem Kreisdiagramm meine ich. Deshalb sage ich ja immer, hört auf euer Gefühl u. hinterfragt wenn etwas unwohlsein verursacht im Unterricht. Wenn ich mit schmerzenden Armen, Krampf in der Wade o. sogar Atemnot vom Pferd steige, ist defintiv was nicht richtig. Und Gefühl für angenehm u. unangenehm hat jeder Anfänger!

Edit:@bine
Hab übrigens auch ewig gebraucht um hinter das "Geheimnis" Versammlung zu kommen, hab viel schlechtes u. viel Gutes ausprobiert, bin nie richtig zufrieden gewesen einschl. meinem Pferd u. hab mich total viel auch theorethsich damit beschäftigt, viel gefragt u. angeguckt.  Ich bin heute sicherlich noch nicht 100% am Ziel, aber  auf dem bestem Weg. Das "Wie"  ist sicherlich sehr Pferdetyp abhängig  u. ein Thema wo es auch wieder viele Wege/Ansichten zum Ziel gibt.
« Letzte Änderung: 05.08.10, 10:46 von Subito »

Offline Netto

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #161 am: 05.08.10, 10:37 »
Treiben (korrekt) hat nix mit klopfenden Schenkel, patschender Gerte oder schupfender Hüfte zu tun. Ich kann alleine mit meinem Bauch treibend oder verwahrend einwirken und auch das ist dann als treibende oder verwahrende Hilfe zu sehen. Wenn mein Trainer mir sagt, Du mußt jeden einzelnen Galoppsprung so reiten als würdest Du jeden Sprung neu angaloppieren - dann meint er nicht daß ich oben mit dem Oberkörper pumpen, die Schenkel wild um mich werfe und mit der Gerte auf die Krupp klatsche. Sondern daß ich mit meinem Gesäßknochen die entsprechenden Impulse setze, mit dem Bauch deto etc.

Gutes und Feines Reiten ist nicht nur von "Klassischen" Reiter gepachtet sondern ist in jeder Sparte beheimatet. Und faule Reiter gibts auch überall. - oder welche die glauben, daß man den Weg in der Pferdeausbildung schlichtweg abkürzen kann mit allen möglichen Hilfsmitteln - auch die. Mir ist es vollkommen egal, wie wer reitet - es soll nur bitte "pro gesundem Pferd" sein. Ob das im Gelände, im Westernoutfit oder mit aufgestellter Gerte ist. Das bleibt sich gleich.

Aber es ist weder gesund mit blanker Kandare unkontrollierte Arrets zu machen und nach innen gedrehten Sporen im Pferdekreuz zu pempern unter dem Deckmantel "ich reite so fein weil klassisch" noch ein überfütterten Haflinger auf der Vorhand dahinrollen zu lassen und zu glauben nur weil das Pferd die "Nase vor nimmt" (oder Zügel aus der Hand reißt) bin ich gut - weil "Contra FN".

Ein Schlaufzügelzusammengezurrtes Pferd ist auch nicht FN - genauso wie die oben genannten Klassisch oder typische Freizeitreiter sind.

Es geht immer nur um gutes oder schlechtes Reiten. Pro oder Contra Pferd. Oder um die Bereitschaft mal über den Tellerrand zu schauen oder sich selbstkritisch zu hinterfragen. Aber die Leute, die es beim Reiten nicht tun, tun es im sonstigen Leben genausowenig - also warum sollten sie es dann plötzlich beim Pferd machen?

Die Krise ist nicht nur auf die Reitlehre beschränkt - DAS ist das Traurige an der ganzen Sache. Sondern es zieht sich durch alles durch. Es muss Schnell gehen, muss toll ausschauen, muss Erfolg bringen und es darf bitte keine zu großen Anstrengungen persönlicher Natur kosten - Geld gern, Schweiß/Arbeit/Kontinuität/Nachhaltigkeit/Weitsicht danke nein. Es muss bequem, schnell und lukrativ sein. Rücksicht und Toleranz sind da nicht gefragt. Man lügt sich selber in die Tasche - nur damit das eigene kleine Leben möglichst in den bequemen weil gewohnten Bahnen dahinlaufen soll. Bloss keine Änderungen, kein kritisches Hinterfragen, bloss kein Nachdenken.

Wie jeder mit seiner Umwelt umgeht, muss jeder für sich selber bestimmen. Wie verantwortungsbewußt und aufmerksam jeder durch sein Leben geht, auch.

Wie sagte Erich Kästner so schön? Vernunft muss sich jeder selber erwerben - Dummheit pflanzt sich gratis fort.
Bleep!

Offline Binesdiva

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #162 am: 05.08.10, 10:42 »
*unterschreib*
Reitet ein Cowboy zum Friseur.
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Subito

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #163 am: 05.08.10, 10:50 »
@netto
sag ich ja ;) stimme voll zu

esge

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Re: Hat die Reitlehre die Krise oder die Reiter?
« Antwort #164 am: 05.08.10, 16:04 »
Klar gehört zu einer echten Versammlung unbedingt auch das Vorwärts! Ich bin da ganz deiner Meinung, Binesdiva, dass wo nix losgelassen wurde, es nichts zu versammeln gibt.

Aber "vorwärts" ist eine Geisteshaltung beim Pferd. Und die stelle ich nicht unbedingt her, indem ich viel "schnell" reite.
Und, wiederum aus leidvoller Erfahrung mti meinem eigenen Pferd: Ich kriege bei etlichen Pferden keine Verstärkungen hin, wenn ich nicht VORHER versammelt habe.

Nun sollten auch beim FN-orientierten Vorgehen die Verstärkungen zusammen mit der Versammlung wachsen. Vom einfachen Tritte verlängern in einer Phase, wo es nur Arbeitstempo gibt (A), gehts dann über Mitteltrab bei beginnender Versammlung (L) bis zum starken Trab bei echter Versammlung (M bis S).
Je nach Begabungen des Pferdes muss es halt sein, dass man jeweils Verstärkungs- und Versammlungsgrad etwas verschiebt. Also das Schubbegabte Pferd mag schon MItteltrab gehen, wenn es noch keine beginnende Versammlung zeigt - sprich Verstärkung entspricht schon L, wenn Versammlung noch A ist. Das andere PFerd braucht unbedingt schon den Versammlungsfaktor eines M-Pferdes, ehe es auch nur halbwegs gescheit die Tritte verlängern kann.

Da nun Pferdetypen, wie sie von barock orientierten Reitern, häufig eher zur zweiten Kategorie gehören (häufig, nicht immer!), wird bei dieser Fraktion häufig früher Wert auf die Versammlung gelegt. Im negativen FAll kommen dauerschlurchende und eben nur langsame, nicht VERSAMMELTE Pferde bei raus.

Versammelt ist ein pferd für mich dann, wenn das unbedingte Vorwärts jederzeit drin ist. Wer in Schönheit stirbt, ist nicht versammelt. Ebenso ist aber auch eine dolle Verstärkung in meinen Augen wertlos, wenn sie nur mithilfe wummernder Schenkel oder gar Sporen möglich ist, selbst wenn das Pferd korrekt Rahmen und Tritte erweitert. Denn so ein Pferd hat zwar Schwung aber keinen Impuls und ist somit nicht wirklich rittig.

Die Unterschiede zwischen "klassisch" (barock, französisch, wie auch immer man es nennt) und FN sind für mich nach wie vor, was betont wird. Bei FN sind das nun einmal die schwung- und schubbetonten Gänge. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ohne Schub und Schwung ist da alles nix wert. Die Versammlung wird irgendwie als Sahnehäubchen obendrauf gesetzt, erscheint es mir immer.
Bei den "Klassikern" scheints umgekehrt zu sein: die verkürzten, versammelten Gänge und Schulen sind das angestrebte Ideal und schön, wenn das Pferd dann auch noch Rahmen- und Gangerweiterung zeigen kann, einfach weil es zu einem reell rittigen Pferd dazu gehört. Aber es ist kein Ziel, sondern eine lapidare Überprüfung.

Im Idealfall können dann begabte Reiter und Pferde aus beiden Schulen alles zeigen. Aber nicht jeder erreicht dieses Ziel. Ein Hinrichs kann seine Pferde auch fliegen lassen, ein Klimke konnte versammeln vom feinsten.

Ich persönilch mag halt die "barocke" Auffassung lieber - schon weil sie sitzbequemer ist! Das auf dem Teller zu wendende Pferd, die Piaffe, die Pirouette, der "Tänzer an leichter Hand" ist mein Ideal. Andere mögen einfach die ganggewaltigen Warmblüter und eine Schule, die das so richtig zur Geltung bringt. Für mich letztlich Geschmackssache, solange es pferdegerecht bleibt.
Aber es ist mitnichten so, dass es keine Unterschiede gäbe und es doch letztlich alles gleich sei. Dann wären Rocknroll und Ballett auch dasselbe. Beides ist klasse, wenn es gut getanzt wird, aber doch nun wirklich nicht dasselbe!