Autor Thema: "Reitlehre in der Krise"  (Gelesen 136834 mal)

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Offline baura

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #105 am: 27.05.10, 10:19 »
känau, fordern und fördern, bitte gerne, und bitte auch gerne mal mit einem Anfeuerungsbrüller, so ein Reitplatz ist ja auch groß, da kann es auch mal lauter werden. Und es darf auch anstrengend sein, geistig und auch mal körperlich, ich denke da gerade einen Reitkurs zurück, wo mich die RL intensiv mit meiner verkürzten Brustmuskulatur und dem daraus resultierenden Rundrücken konfrontiert hat *seufz*...
 
Aber heulend auf dem Pferd sitzen, weil mich der Reitlehrer anbrüllt, noch dazu im Springen? Oder heulend vor Erschöpfung, weil der RL den ungeübten Anfänger ohne Bügel am Maria-Hilfs-Riemen festklammernd im Stechtrab um die Bahn scheucht?
Nee, guter Unterricht sieht anders aus.

sorry, binesdiva, das was Du beschreibst, sind für mich verklärte Erinnerungen, aber nichts was man wirklich gutheißen sollte. Reitunterricht im Kasernenhofton ist nicht erstrebenswert. Früher wurde auch in der Schule so unterrichtet, incl. Stöckchen auf die Finger. Man hat inwischen erkannt, dass das Lernen in einer Atmosphäre von Angst und Druck keine wirklich guten Ergebnisse bringt, und warum sollte das beim Reiten anders sein.
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Offline zaino

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #106 am: 27.05.10, 10:27 »
*Mcflowerzustimm*

Terra und Mim und Binesdiva, wir reden hier immer von "Extremen" - weder bei den Endlos-Laberern noch den Weichspülern noch den Herr W.-Typen liegt das Optimum. Klar ist das individuell.
Manchen macht es nichts, wenn sie minutenlang mit 10 Dezibel wütend beschimpft werden, die finden das normal. Andere werden trotzig und konzentrieren sich dann auch nicht mehr unbedingt aufs Reiten. Wieder andere verkrampfen dann eben total, innerlich wie äußerlich. Ob das dem brav sich abmühenden Schulpferd wirklich sooo egal sein kann???? war meine Frage vorher. Teilweise konnte man damals halt echt zugucken, wie die Reiterei der angebrüllten Person immer mieser und, über hohe Sprünge, immer gefährlicher wurde, statt besser.
Hat also offensichtlich nicht funktioniert - und beim Zugucken nicht grad Vertrauen entstehen lassen.

Die beiden RL, bei denen ich springen, äh, hüpfen lernen durften (so weit halt mein Mut reichte), polterten laut und kräftig herum, wenn bei der 3. höflichen Aufforderung kein Ansatz eines Umsetzungsversuches sichtbar wurde. Aber das hinderte uns gar nicht, hinterher fröhlich mit denen einen zu löten, und vorher möglichst viel zu lernen. Die waren gut und kompetent, und es ist auch Vertrauenssache, das zu springen, was einem einer hinbaut: "Bruno willst mich umbringen?" "Ei halt de Schnüss und REIT!"  ;D OK, ging klar!  :D
(Mim, DAS war übrigens mein persönlicher König des Äusseren Zügels ;)

Aber wenn ich z. B. verdammt noch mal nicht FÜHLE wo mein Bein rumhampelt oder dass mein Oberkörper sich nach vorn neigt, wenns mir nicht bewusst ist, dann nützt es gar nichts wenn ich Runde um Runde rumgejagt und niedergebrüllt werde. Vielleicht bin ich talentfrei und gebe auf. Ein Gewinn für die Reitkunst, bestimmt.  ::) Oder ich erkämpfe mir dabei zufällig unter äusserster Anspannung die richtige Haltung und merke mir die, weil das Brüllen dann aufhört? Naja gut, aber was für eine Verschwendung von Schweiss, Nerven, Halsbonbons, Zeit und Pferdefleisch! 8)

Lob? Mein Lieblings-Dressurguru pflegte den Leuten zu sagen: Soo soll des sein. Merken's Eahna des Gfüül." (für Nordgermanen: So ist es richtig, merken Sie sich das Gefühl!) DAS ist doch das Beste, was einem während des Unterrichts passieren kann, oder?
Kommt man kontrolliert um die Kurve, und flüssig über die Distanz beim Hüpfen, grinst ma eh schon von alleine - Lob ist unnötig!  ;D

Offline MimTopic starter

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #107 am: 27.05.10, 13:52 »
Hallo

Hab früher mit jungen Turnermädels gearbeitet, wo auch Hemmschwellen waren beim ersten Handstandüberschlagabgang am Schwebebalken oder anderes, wer da brüllt bekommt 2/3 der Mädels nicht dazu sich zu überwinden und das restliche Drittel kaum in eine körperkontrollierende Konzentration, die die Übung dann ermöglicht. Ich find es besser Menschen dahinzubekommen, dass sie das unbedingt schaffen WOLLEN.

Also wers Anbrüllen oder mal Aufwecken/Herausfordern so braucht - dem sei es gegönnt. Schön, wenn ein RL auch dieses "tool" für die Reiter hat die das "brauchen" oder "wollen".
Für mich ist doch nur die Frage - hat der RL auch MEHR/andere Werkzeuge für andere Reiter? Kann er auch unterrichten - ohne zu Brüllen, das wegswitchen, anders reagieren?

@ 3 x Anbrüllen weil man was nicht umsetzen kann. Hatte ich auch mal. Hat auch an dem Tag nix genützt, hab am Morgen von dem Tod eines Bekannten gehört - warum ist es so schlimm das auch mal Reitstunden sind, wo man nicht x vorgenommene % Verbesserung/Lerneffekt hat? Zu akzeptieren - o.k. bei mir oder bei dem Reitschüler geht heut mal nix.

Hab das versucht der Brüll-RL-Eck-Abteilung zu erklären, bekam ich die schnippische Antwort - heja da müsste ich solche Sachen ablegen und aus der Reithalle draussen lassen können. Na, da hab ich nur zurückgefragt - und kannst DU das denn als RL? Wenn Ärger ist mit Einstellern, Zoff mit Pferden, Geldsorgen...?

Kann mir doch keiner weismachen, dass RL "immer entspannt" in den Unterricht kommen, alles zurücklassen an Sorgen und voll-konzentriert, relaxed, geduldig... ja ja die Vorbilder  ;), die man auch ausserhalb der Reithalle noch "deutlichst" verstehen kann und abends nach einem harten Tag (verständlicherweise) ungeduldiger, genervert etc. sind - als am Morgen in der ersten Stunde...?

Gruß Mim
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Offline zaino

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #108 am: 27.05.10, 14:19 »
Anfangszeit beim Spanischlernen: Nach 10 h VHS-Kurs bei einem sehr netten Lehrer, Kunstprof, Katalane, hielt ich mich für gerüstet, allein ins tiefste HInterland von Andalusien zum Intensivkurs zu starten.
Je weiter ich von Granada weg kam, umso mehr traf ich auf schlichte Gemüter, die meinten, wenn sie mich nur LAUTER ansprächen, verstünde ich sie besser.
Mit der typischen andalusischen heissen Kartoffel im Mund und den lässig hinten weggelassenen Wortendungen (wer braucht die?) funktionierte das natürlich 1a  ::); man hat in dem Stadium eh noch eine Sprech- und Ladehemmung und kriegt dann schier kein Essen mehr 'runtergewürgt.
Woraufhin mein Pensionswirt dann noch lauter irgendwas maulte von wg. "Ob irgendwas mit seinem Essen nicht in Ordnung wäre?" (konnte ich grade so aus dem Kontext erschließen, am noch härteren Tonfall und leicht bläulich werdender Gesichtsfarbe - erst später hab ich gelernt, dass Spanisch sich irgendwie eh immer so anhört als täten die sich streiten, tun sie aber gar nicht  8)...)
Ach ja, ich tät sagen, Spanisch hab ich TROTZDEM nicht WEGEN dieser Vorbehandlung gelernt ;D

Reiten hab ich (halt so für den Hausgebrauch ;)) auch gelernt, obwohl mein erster RL Pferd und Hunde halb tot prügelte und überhaupt krankhaft cholerisch war. Bezeichnenderweise beendete er seine Karriere mit einem Hufabdruck im Gesicht - was beweist, dass es nicht so wirklich gut ist, wenn man in diesem Beruf WEDER Mensch noch Tier leiden noch mit ihnen umgehen kann.
« Letzte Änderung: 27.05.10, 14:48 von zaino »

Offline Hexle

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #109 am: 27.05.10, 14:23 »
hmmm meine RL sagte mal, dass sie manchmal verstehen kann, wenn Reitlehrer sagen :

warum will ich Reitlehrer werden ? weil ich Pferde liebe !
und warum will ich kein Reitlehrer mehr sein ? weil ich Pferde liebe !
Du wirst sicher nicht jedes Ziel erreichen, dass du dir gesetzt hast. Du wirst aber ganz sicher kein Ziel erreichen, dass du dir nicht gesetzt hast...

Offline donau

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #110 am: 27.05.10, 14:29 »
so- jetzt frag ich mal ganz direkt: wer von euch würde mehrmals die woche 70 euro aufwärts für eine stunde unterricht zahlen? wer könnte sich das leisten?
denn soviel würden die von euch geforderten experten, die x pädagogische ausbildungen, zusätzlich noch erfahrung, reitkenntnisse, ausbildungskönnen, und medizinisch-therapeuthisches wissen im humanbereich haben. das zahle ich mal für einen kurs mit spezialthema, aber ich kann mir das nichtmal 1x die woche leisten. aber diese ausbildungen sind teuer, kosten zeit in der nicht unterrichtet werden kann, das alles schlägt sich dann im gehobenen stundenpreis nieder.

abstrichen machen ist nicht - ich persönlich habe lieber jemanden, der fachlich gut, ist, mir sagen kann, was ich mit meinen pfoten/haxen/körper wann tun soll auf dem pferd, der wirklich bis höhere klassen ausbilden kann, und darum in der lage ist, schon unten die richtige richtung vorzugeben. wenn ich dafür in kauf nehmen muss, mal härter angefasst zu werden - 1000x lieber als einen tollen pädagogen, der nur leider nicht in der lage ist, mir beizubringen, wie ich ein pferd korrekt durchs genick reit :-X (die variante kenn ich nämlich auch).

kann aber sein, dass so ein "spezialist" eine tolle sitzschulung macht - DAFÜR geh ich dann zu dem...

ich persönlich sehe die krise auch darin, dass die reitschüler als trainer die eierlegende wollmilchsau erwarten, sich aber nicht im klaren drüber sind, dass sie selbst das nicht sind. und dass ich irgendwo abstriche machen muss: im preis, in der pädagogik, im reit(ausbildungs)können.

es gibt zb. rl, die toll kinder unterrichten können, aber mit erwachsenen nicht klarkommen, oder solche, die fortgeschrittene jugendliche und erwachsene toll fordern und fördern können, aber JEDEN anfänger und JEDES kind zum heulen bringen- einfach deswegen, weil ihre art der wissensvermittlung unpassend ist. gibt ja zb. auch begnadete jungpferde-ausbilder, die kein pferd über l-niveau reiten können, und umgekehrt welche, die die basisausbildung des pferdes einfach nicht hinbringen... ;)
Wer auf seinem Standpunkt beharrt, darf sich nicht wundern, dass er nicht weiterkommt...

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Offline terra

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #111 am: 27.05.10, 14:46 »
Donau - Du sprichst mir aus der Seele  :D   


Offline McFlower

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #112 am: 27.05.10, 14:51 »
Ich brauche keinen tollen Pädagogen, ich brauche nur einen Reitlehrer, der in der Lage ist, ein Minimum an normalen Umgangsformen an den Tag zu legen.
Treulos ist, wer Lebewohl sagt, wenn die Straße dunkel wird. (Gimli - Die Gefährten)

Offline baura

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #113 am: 27.05.10, 14:53 »
danke, mcflower
Leonard: 'Herrgott noch eins, Sheldon, muss ich jedesmal mein Sarkasmusschild hochhalten, wenn ich mal den Mund aufmache?'
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Offline MimTopic starter

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #114 am: 27.05.10, 15:12 »
hmmm meine RL sagte mal, dass sie manchmal verstehen kann, wenn Reitlehrer sagen:
warum will ich Reitlehrer werden ? weil ich Pferde liebe !
und warum will ich kein Reitlehrer mehr sein ? weil ich Pferde liebe !

Schöner Spruch,

wenn jemand Mathe liebt - soll er Mathematiker werden.

Wenn jemand Lehren Menschen/Kinder mag/gern mit ihnen arbeitet - dann kann er Lehrer werden  ;)

Gruß Mim

Die-mit-dem-äusseren-Zügel-kämpft

Offline Sonne

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #115 am: 27.05.10, 15:31 »
Ich denke mit den Umgangsformen sind sich alle einig.

Meiner Meinung nach ist ein vielfaches Problem dass ein einfach an Geduld und Durchhaltevermögen fehlt - es wird am liebsten der einfachste und kürzeste Weg genommen... - und ein RL der nur Basics reiten lässt ist halt schnell langweilig.
--> Reitlehrerhopping ist ein neues Hoppy, habe ich oft das Gefühl.

Offline zaino

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #116 am: 27.05.10, 15:40 »
--> Reitlehrerhopping ist ein neues Hoppy, habe ich oft das Gefühl.
Moment - einerseits heisst es hier, wenn Ihr Euch nicht anbrüllen oder anders, weichspülen lassen wollt, dann sucht Euch halt einen aus, der Euch passt als Reitlehrer.
Andererseits ist das dann immer gleich "Reitlehrerhopping"  :P ::)???

Denke mal, auch Basisarbeit ist spannend und wichtig - wenn sie denn auch so verkauft wird. Natürlich möchte jeder auch mal klitzekleine Fortschritte sehen, gute RL freuen sich doch auch, wenn die Reiterlein nicht nur heulen, sondern auch mal zufrieden strahlen, und umgekehrt.  ;)

Hab aber auch mal gehört, eine super gute geniale geduldige RL, die mit Kindern gut vorankam oder auch mit Freizis wie mir  :P, erhielt am Hof von einigen Leuten nur Naserümpfen von wg. "die unterrichtet ja nur Pappnasen Freizeitreiter und Kinder" - wobei das Urteil von einem ziemlich bornierten Bauern-Pferdezüchter kam, der es auch nicht mit Löffeln gefressen hatte. Umso mehr hat es mich dann gefreut, sie wieder zu treffen, da hatte sie ihre wundervolle Welsh-C-Stute in AUsbildung und räumte auf Turnieren gegen die Großpferde mal etwas ab. Weil das Pony nicht nur solide sondern auch mit Ausstrahlung lief. Sows gibts also auch *freu *freu *freu*

Offline Netto

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #117 am: 27.05.10, 15:50 »
Ich weiß nicht, inwieweit ein Reitlehrer ein Pädagoge sein muss?  Er sollte einen gewissen Umgangston und gewisse Höflichkeitsformen beherrschen. Unbedingt. Und ja - wenn er Kinder unterrichtet, wär es super und ideal. Aber wenn man mal davon ausgeht, daß nicht jeder Reitlehrer Kinder unterrichtet...
Ich helfe auch einigen beim Reiten. Mir kommt es eher darauf an, daß das Pferd (und somit natürlich auch in weiterer Folge) mit einem guten Gefühl aus einer Stunde rausgeht. Ich schau, daß der Reiter versteht, warum das jetzt für das Pferd wichtig ist bzw. war. Zufriedenes Pferd = zufriedener Reiter.

Was ich sehr schwer finde, ist beratungsresistenten Leuten etwas beizubringen. Menschen, die mir 10 x erklären, warum sie jetzt das innere Bein unmöglich nach vorne nehmen könnten, das äussere weiter zurück, mit der Inneren Schulter und die Hand und das ganze gleichzeitig - ein Ding der Unmöglichkeit. Das MUSS anders auch gehen. Und mir dann mit Ziehen am Innenzügel weißmachen wollen, daß es so auch geht. Bis ich sage: so - und jetzt geh mit der inneren Hand nach vor, gib mal nach - Zack ist der Pferdekopf wieder hochaufgerissen. Blöd. Ich kann mir oft 30 Minuten den Mund fusslig reden bis dann von mir wirklich eine scharfe Frage kommt - DANN erst wird reagiert und dann ist das Aha-Erlebnis ein großes, wenn das Pferd dann plötzlich und unmittelbar nachgibt, sich fallen läßt, abschnaubt und zufrieden dahinmarschiert. Und DANN erst kommt: so einfach kann das gehen?

Ja - so einfach, wenn man vorher alles richtig macht und das geht über den Sitz. Setz ich mich korrekt hin, kann das Pferd meinen Wünschen entsprechen, sonst nicht. Sonst ist es unlogisch für das Pferd, weil ich ihm mit meinem Körper komplett was anderes sage. Wenn das ein Reiter mal kapiert hat (das dauert immer ein bischen *g*) dann tut sich derjenige wesentlich leichter, sich auf (m)einen Unterricht einzulassen.

Ich kann es mittlerweile nicht mehr ausstehen, wenn man mir erklärt, warum das und das schlichtweg unmöglich ist, weil.....*hmpf* Wenn man mir sagt: auf Grund meiner Muskulatur/schiefen Beckens/Verletzung/wasauchimmer tu ich mir damit sehr schwer, aber ich bemühe mich - dann find ich das super. Aber von vornherein zu sagen: geht nicht....- geht nicht.

Es haben mich schon einige gefragt, ob ich ihnen helfen könne und ich habe abgelehnt - einfach weil es für mich nicht stimmig war. Es muss der Trainer wie der Schüler die Möglichkeit haben, für sich selber frei entscheiden zu können. Ich gehe davon aus, daß jeder mündig ist. Wenn ihm was nicht gefallt - bitte sagen. Wenn möglich kann man dann gemeinsam dann was ändern und wenn nicht, weiß auch jeder woran er ist.

Und bitte auch nicht vergessen: all die Reiter die von Trainer zu Trainer ziehen - jedesmal ist DER dann die neue goldene Kuh, sagt das einzig wahre - für paar Monate und dann kommt wieder ein neuer Trainer und der alte ist ganz "pfui" und "pöööse". Es sind immer alle anderen schuld: Pferd, Trainer, Sattel, Zaumzeug, Tierarzt, Stall, Futter - egal. Nur ganz selten setzt sich dieser Mensch mit SICH auseinander.

Pferde spiegeln viele wider. Oft auch Seiten, an denen es wert wäre zu arbeiten. Vielleicht zb "Durchsetzungsvermögen", Klarheit, Konsequenz, Ruhe, Umgangston, Respekt.... vielleicht auch das Thema Zeit. Durch mein Pferd kann ich lernen, daß es nicht darauf ankommt, möglichst schnell Lektion A zu reiten - sondern für das Pferd einen Weg zu suchen, Lektion A möglichst gut ausführen zu können - als Bestätigung meines bisherigen Ausbildungsweges gemeinsam mit dem Pferd.

Mein "Unterricht" hört nicht im Sattel auf - er geht oft weiter. Oft so, daß Eltern mich groß anschauen, wenn ich dem Fräulein Tochter das Wort "BITTE" gegenüber der Mutter in Erinnerung rufe. Daß es für mich dazu gehört, demjenigen auch nahe zu legen, daß das Sprichwort "wie man in den Wald hinein ruft..." auch auf das Thema Reiten zutrifft. Für mich geht es oft um grundsätzliche Dinge. Wenn jemand achtlos mit seinem Pferd umgeht, komm ich nicht mit ihm klar.

Genauso wie viele mit mir nichts anfangen können. Oder ich wiederum mit anderen Trainern.... Das ist okay und das ist zu respektieren. Jeder muss seinen Weg gehen und jeder macht so seine Erfahrungen. Oft paßt ein Trainer wirklich jahrelang und dann plötzlich nicht mehr - aus welchen Gründen auch immer. Es soll jeder das tun, was ihn glücklich macht. Aber mit Respekt dem anderen gegenüber.

- und jetzt muss ich mal die Beiträge lesen, die jetzt alle geschrieben wurden... ;)
Bleep!

Offline Sonne

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #118 am: 27.05.10, 16:02 »
Nun das war so nicht gemeint - Natürlich sollte man den RL wechseln wenn es nicht von der Chemie nicht passt.

Aber ich finde um weiter zu kommen so wirklich - macht es Sinn über einen längeren Zeitraum mit einer Person gemeinsam zu arbeiten.
Denn in der Regel ändert sich ja nicht von heute auf morgen etwas.

Ich kenne Leute die reiten im halben Jahr bei x verschiedenen Leuten.. - da fehlt mir irgendwie der rote Faden. Vor allem wenn immer was neues probiert wird, anstatt einfach mal an der sauberen Basis zu arbeiten.

Als ich bei meiner RL anfing zu reiten.. sagte sie mir - so das üben wir jetzt ein Jahr lang! Ein Jahr, V/A reiten, zulegen einfangen, Schenkelweichen am langen Zügel, aufgenommen, in die Dehnung schicken, wieder aufnehmen wieder lang lassen.
Dann ein weiteres Jahr das gleiche - nur in jetzt schon mal mehr aufnehmen ihn ein bisschen aufrichten, SH usw...
Uffz - sehr spannend, aber notwändig. Wenn man das durchhält und fühlt wie sich die Art der Bewegung und Konstanz verändert, dann weiß man warum das so lange dauert.
Auch lässt sie mich immer wieder sitzen üben - ich tu mich super schwer mit dem Schwung des Pferdes, und vermeide dann auch gerne mal - sie lässt mich immer wieder üben und ist auch streng.
Das ist gut so!

so stell ich mir das vor, sie kennt mich und das Pferd - und kann auch mal weiterhelfen wenn generelle Schwierigkeiten mit Pferd auftreten, wie zB frech sein, raushelbeln.. jemand der einem länger betreut, hat einfach ein fundierteres Bild.
 

Offline zaino

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Re: "Reitlehre in der Krise"
« Antwort #119 am: 27.05.10, 16:57 »
Sonne, ja, sowas ist klasse. Beim Reitpass im Herbst traf ich eine junge Frau, die wollte da Dt. Reitabzeichen Bronze oder Silber machen, hat es auch geschafft. Sagte, sie reitet seit dem Zwergenalter bei einem alten Herrn alter Schule, gar streng! ABER wenn der einen mal lobt, weiss man, man hat was geschafft. UND, viel wichtiger, sie hätte 150% Vertrauen zu ihm, wenn der ihr was sagt, in Bezug auf ihr junges Pferd, dann IST das auch so, dann hört sie da drauf und es erweist sich immer, dass er recht hat. Die Bereiterlehrlinge spöttelten, als sie anfangs sagte, sie könnte gar nicht aussitzen im Moment, wg ihres jungen Pferdes hätte sie das ewig nimmer gemacht. Nun, das war einfach nur ehrlich. Sie ritt mega korrekt und beeindruckend ordentlich und harmonisch anzusehen. *neiiiid*
DAS ist Basisarbeit vom Feinsten. So jemand reitet klasse, auch wenn er/sie grad KEINE hohen Lektionen vorführt.

RL verschwanden mir meist mit Umzügen. Freiwilig abgesägt hab ich nur wenige, weil mit denen halt gar nichts Vernünftiges voranging. Ein paar genial gute Leute durfte ich kennenlernen, da gabs dann im Laufe von Wochen/Monaten zäher Arbeit (1x Reitstunde, 1 woche "Hausaufgaben" üben - auch eine Kunst, dem Schüler einen roten faden zu reichen, an dem der sich weiterhangeln kann!) wirklich jeweils Quantensprünge, und mein Pferd gab die eindeutige Antwort:  indem er an Samstagen freudig aus dem Mittagsschlaf aufsprang, gesattelt mit mir in die Halle stürmte, und sich quasi von selber in Schale bzw. Aufrichtung warf: Jaaa wenn DER in der Mitte steht, macht die Alte keinen Sch*** ! Da gabs kein Müdewerden und kein Unwilligwerden! Das war ja wohl der beste Beweis, dass alles passte  :)