Hallo Jezabel
Araber haben die leidige Angewohnheit, ihre vermeintliche Hysterie gezielt einzusetzen, wenn sie ihren Kopf durchsetzen wollen. Die Araberstute bei uns im Stall z.B. wollte sich anfangs partout nicht ohne Halfter - also am Kopf - führen lassen und hat bei jedem solchen Versuch hysterisch die Augen verdreht, den Kopf hochgeworfen und den Eindruck erweckt, als hätte sie fürchterliche Angst vor der Hand und würde augenblicklich tot umfallen, wenn man von ihr verlangte, sich auf diese Art berühren zu lassen. Bei ihrer Besitzerin kam sie damit gut durch - diese hat sie jedes Mal in Ruhe gelassen, wenn sie sich so verhielt und hat beruhigend auf sie eingeredet. Mir war dieses Theater entschieden zu blöd. Als sie versuchte, sich bei mir ebenfalls auf diese Weise zu entziehen, habe ich ihr hysterisches Getue einfach ignoriert und bin so lange in aller Seelenruhe hinter ihr hergegangen, während sie "panisch" ihre Runden um den Stall drehte, bis es ihr zu dumm wurde, sie plötzlich entspannt stehen blieb und sich ohne weitere Probleme wegführen liess. Von wegen Panik.
Was ich damit sagen will: Es ist die innere Haltung, die entscheidend ist. Damit schliesse ich mich meinen Vorschreiberinnen an. So wie du die Situation beschreibst, bin ich mir ziemlich sicher, dass du mit ihr eines der viel verschrieenen Dominanzprobleme hast.
Du bist es, die dem Pferd vermittelt, dass die Situation aufregend ist. Dabei verstehe ich deine Reaktion sehr gut. Wenn man einmal in einer Situation eine unangenehme Erfahrung gemacht hat, ist es schwierig, beim nächsten Mal locker zu bleiben, so als ob nie was gewesen wäre. Meine Stute hat einmal vor einem Lastwagen eine 180° Drehung AUF die Strasse gemacht. Seither wird mir mulmig, wenn uns ein grosses Gefährt entgegen kommt, mit dem Ergebnis, dass mein Pony absolut Verkehrssicher ist - ausser bei Lastwagen
. Das hat aber viel mehr mit mir zu tun als mit ihr. Trotzdem ist es schwierig, die eigene Ängstlichkeit abzustellen.
Letztendlich ist es aber die innere Einstellung und die damit verbundene Reaktion, die eine Verhaltensänderung beim Pferd bewirkt. Meine RL ist in dieser Beziehung sehr radikal. Wenn ihr Wallach vor etwas Angst hat, sagst sie "spinnst du" und gibt ihm einen Klapps mit der Gerte. Ich finde nicht, dass dies in jedem Fall die optimale Reaktion ist. Aber es geht um die Haltung, die dahinter steht. Sie vermittelt dem Pferd unmissverständlich das Gefühl, dass sie weiss, was sie tut und es keinen Grund gibt, dem zu misstrauen.
Diese Haltung lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Aber du schreibst, dass die Stute pariert, wenn du am Boden "richtig böse" wirst. Gut. Dann mach das auch im Sattel. Ärgere dich, wenn sie wieder rumzickt. Und versuche, in dir die Haltung aufzubauen "stell dich nicht so blöd an". Dabei finde ich allerdings, anders, als meine Vorschreiberinnen, nicht unbedingt, dass sich die Bodenarbeit nicht aufs Reiten übertragen lässt. Wenn du dich am Boden sicherer fühlst, würde ich dir empfehlen, da zu starten und dich in einem sicheren, unmissverständlichen Auftreten dem Pferd gegenüber zu üben. Werde so lange "böse", bis die Stute kapiert, dass ihr Gezicke deplatziert ist. Und versuche dabei die oben beschriebene innere Haltung einzunehmen: Ein lockeres, völlig
unemotionales "geht's noch?". Wenn du diese Haltung verinnerlicht hast und merkst, dass sich das Verhalten des Pferdes dadurch verändert, probiere, die gleiche Haltung im Sattel aufzubauen. Dabei kann es tatsächlich hilfreich sein, das Pferd in der gleichen Situation unter jemand anderem - z.B. RL - zu erleben. Wenn man sieht, dass das Gezicke bei der richtigen Reaktion innert kürzester Zeit gegessen ist, hilft das enorm, selber die nötige Haltung aufzubauen.
Übrigens fangen solche Probleme meistens viel früher an. Achte dich im Umgang mit deiner Stute mal auf Kleinigkeiten. Drängelt sie dich am Putzplatz manchmal weg, wenn sie etwas Interessantes gesehen hat? Was macht sie, wenn du sie führst und es kommt von der anderen Seite etwas Gefährliches? Drängelt sie dann mit der Schulter gegen dich? Bleibt sie in der Box, auch wenn die Boxentür offen steht oder marschiert sie sofort raus, auch wenn du davor stehst? Geht sie auf dem Heimweg vom Spaziergang schneller oder hält sie das Tempo? Etc. Konsequenz im Alltag ist oft die beste Präventionsmassnahme. Ich staune immer wieder, wie viel harmonischer der Umgang verläuft, wenn man sich in der täglichen Arbeit auf die Finger schaut.
Liebe Grüsse
Rahel