Exkurs nach links unten (wo die Reiterei "woanders" doch schon mehrfach angesprochen wurde):
Es gibt in Südbrasilien (die Bevölkerung da wird btw. allgemein als "Gaúchos" bezeichnet) und im angrenzenden Uruguay seit Anfang der 80er eine vereinheitlichte Prüfungsordnung für die Rasse Crioulo (Croillo). Der Bedarf an Arbeitsreiterei besteht zwar nach wie vor, aber die Zahl der Freizeitreiter nimmt jedes Jahr zu, daher wurde der Ruf nach der Prüfung laut. Sie funktioniert in etwa wie eine Prüfung im Western-Bereich, mit Zirkeln, Spins und Stopps sowie einem Teil mit Rinderarbeit (Cutting). Dazu wird das Pferd an der Hand begutachtet, insbesondere die Muskulatur. Im gerittenen Teil der Prüfung wird prinzipiell bewertet, wie schnell und geschickt das Pferd die Befehle des Reiter umsetzt. Was man dazu an Bildern im Internet findet, sieht auf den ersten Blick gruselig aus. Aber immerhin gibt es Maßstäbe, was mit der Ausbildung eines Freizeitpferdes erreichen werden soll, wenn man teilnehmen möchte. Die Prüfung nennt sich "Freio de Ouro" - wortwörtlich "Goldene Bremse" bzw richtiger "Goldene Kandare".
Die Bilder, die es dazu im Internet gibt, finde ich allerdings oft gruselig.
Jedoch: Grade habe ich einen Artikel über das Training der Pferde gefunden, das ursprünglich "traditionell" (was immer das sein mag) erfolgte. Die Prüfungen hätten in den letzten Jahren erstaunliche Verbesserungen gezeigt, die auf züchterischen Fortschritt und und vor allem auf bessere Reiterei zurück geführt werden. Die Reiter suchen dem Artikel zufolge zunehmend ihre Basis in der (europäischen) Dressurreiterei, wobei kritisch angemerkt wird, dass nicht jeder Ausbilder "filtern" könnte, welche Methoden legitim oder nicht wären. Die Traditionalisten sehen diese Entwicklung mit Skepsis, da diese "exotischen" Methoden nicht Bestandteil der südbrasilianischen Kultur wären. Der Autor des Artikels führt dann als Argument ins Feld, dass die Wurzeln der Dressurreiterei ja bereits im XV Jahrhundert in Europa lägen und dass Dressurreiten bereits als Kunst angesehen wurde, als 1530 die ersten europäischen Pferde die südbrasilianische Pampa betraten.
Und jetzt kommt, was der Autor als wichtigsten Beitrag der neuerdings eingeführten Prinzipien der Dressurreiterei zur Ausbildung eines "Freio de Ouro"-Pferdes ansieht (meine Übersetzung, bitte um Nachsicht beim Stil):
"Aber der größte Beitrag der Dressurreiterei - neben der "Doma Racional" (Anm.: von M. Roberts beeinflusste Ausbildungsmethode, in der Westernszene verbreitet) ist die Bewahrung der physischen Integrität des Pferdes. Die Tatsache, dass die Pferde allmählich gezähmt werden und nach und nach alle Ausrüstungsgegenstände kennen lernen können, ist unverzichtbar für die Bewahrung der mentalen Gesundheit der Pferde. Das Pferd ist der Spiegel des Reiters. Deswegen soll der Mensch sich bemühen, gelassen und geduldig zu handeln, um nach und nach ein ehrliches Verhältnis zu seinem Pferd aufzubauen, wobei dem Pferd immer klar sein muss, was richtig und was falsch ist. Ein mit (solcher) Disziplin behandeltes Pferd wird vertrauensvoll und bringt, wenn es geritten wird, alle Voraussetzungen mit, in aller Ruhe zu arbeiten und seine natürlichen Bewegungen zu zeigen, als ob es in Freiheit wäre."
Auch irgendwie eine Definition von "reell", finde ich.