@brini
Was mich betrifft, reden wir dann aneinander vorbei. Ich bin auch nicht der Meinung, es sei egal, was man auf dem Pferd macht, das könne jeder frei nach seiner persönlichen Überzeugung handhaben. Ich bin sogar ein strikter Gegner der Methode "Ach, ich schnupper mal hier rein und mal da rein und suche mir aus allem das aus, was für mich und mein Pferd am besten passt, und dann wird das schon." Weil ich einfach ganz dreist den meisten unterstelle, dass sie sich nur das raussuchen, was für sie grad am bequemsten ist oder was sie grad mal verstanden haben oder glauben verstanden zu haben, dass sie gar nicht beurteilen können, was "für sie und das Pferd richtig ist" und dass das meist in einem wilden Kuddelmuddel endet.
Aber je nach Reitweise kann der gemeinsame Konsens "Was ist reell" eigentlich nur sehr klein sein. Wenn ich als Westernreiter mir den Reell-Katalog des FN-lers anschaue, so wie in den beiden Boxen hier bislang ausgearbeitet, dann kann ich dem für diesen Rahmen sehr wohl zustimmen. Aber viele dieser Punkte sind für den Westernreiter uninteressant oder gar kontraproduktiv. Die Wege scheiden sich spätestens bei dem Ausbildungsskala-Punkt "Schwung". Ein schwungvoll über den Rücken gehendes Pferd ist schlicht für das Westernreiten nicht brauchbar. Takt und Losgelassenheit sind auch für uns wichtige Grundpfeiler (bzw. sollten es sein). Schon mit der Anlehnung aber gehen wir anders um, und dann sind wir beim Schwung natürlich schon in einer ganz anderen Ecke. Wir haben mehr die gelaufenen Bewegungen mit eher "losem" Rücken, aber beileibe bitte nicht mit "ohne" Rücken. In gewisser Weise läuft alles eher parallel zur Balancereiterei a la Karl etc., und ein Jean Claude Dysli zeigt, wie es aussehen kann. Das Quarter Horse von Dennis Schulz aus dem genannten Pas-de-Deux-Video zeigt, dass eine enorme Parallelität erreicht werden kann, die auch beim FN-ler Akzeptanz erzeugt, auch wenn die Pferde nicht FN-mäßig ausgebildet wurden. (Ich glaube, der gezeigte Hengst geht eh nicht mehr im Sport.)
Im Westernreiten werden oft so Dinge gemacht wie die, die auf Muriels Video helles Entsetzen auslösten, wie "diese komischen Paraden, die das Pferd so aus der Balance bringen". Diese "komischen Paraden" haben den Effekt, dass sie das Pferd sehr aus dem Gleichgewicht bringen, wenn man lernt sie anzuwenden, da muss man einfach durch. Aber es gibt nicht so diese Angst davor, dass das Pferd mal "aus dem Rahmen fällt". Im Gegenteil werden die Pferde deutlich aus einer Phase herausgeholt, in die sie sich reingemogelt oder reingeschlunzt haben, und wieder neu "angesetzt", so lange, bis sie ebeselbst darauf achten, nicht mehr in unerwünschte Bewegungsmuster zu verfallen. Und konsequent durchgeführt, gibt das dann am Ende Pferde wie eben den Hengst von Dennis Schulz.
Was ich also meine mit "es gibt eh kaum einen Konsens", ist, dass andere Wege teilweise andere Methoden erfordern und dass diese anderen Methoden oftmals von den jeweils anderen weder akzeptiert werden können noch akzeptiert werden wollen. Bestenfalls wird also jeder in seiner eigenen Suppe im Laufe der Zeit immer reeller, und idealerweise lernen die über den Tellerrand Gucker das Reelle in der anderen Suppe zu erkennen und zu akzeptieren. Nachmachen muss man das ja nicht unbedingt. Aber man könnte ja mal ... Womit wir wieder den Bogen geschlagen haben zu denen, die hier und da mal informationsmäßig reinstippen und sich das Beste raussuchen und praktizieren. Was ja dann auch wiederum ganz ok sein kann, wenn man nicht ein wildes Flickwerk damit erzeugt, sondern Anregungen von außen in ein bestehendes Konzept einflicht.
Das Ärgste, was mir bislang an Diskontinuität untergekommen ist, was vor so 12 Jahren ein Westerntrainer, der erzählte: "Ich gucke immer, wie die anderen Trainer reiten, und wende das dann an. Weil jedes Pferd ist ja anders. Deswegen reite ich das eine Pferd so wie Trainer A reitet, das andere Pferd wie Trainer B und das dritte Pferd wie Trainer C." Das hat damals nicht funktioniert und funktioniert bis heute nicht. Aber dieser recht erfolglose Trainer ist charmant und kann gut reden und hat immer Kunden.