Autor Thema: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2  (Gelesen 127104 mal)

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Offline Carlotta67

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #210 am: 18.01.09, 09:26 »
übrigens, wenn mir jemand sagt: also ich reit l-niveau, da frag ich dann nach, und? auch platziert oder reitest du da nur seit jahren rum?
;D *lach* Ja, das ist gut. Andererseits: Wir sind uns doch alle einig, daß auch die Anzahl/Klasse der Platzierungen eben kein Gradmesser für reelles reiten ist!

und zum abschluss, auch ein pferd ohne großes potential kann verstärken und den rahmen erweitern, das ist doch keine entschuldigung! gelaufener trab ist nunmal nur gelaufen.
*auch zustimm* Aber es wurde ja ausdrücklich gesagt, daß das Pferd bzw. sie -an wem es liegt sei nun mal dahingestellt- keine Trabverstärkungen kann! Sie weiß es, sie gibt es zu! Es wurde ja nicht gesagt "jetzt schaut mal, so sieht eine richtige Trabverstärkung aus".
Ich find jetzt auch nicht so bestaunenswert, was sie als "flotteren Trab ganze Bahn" zeigt, aber vielleicht will sie gar nicht "zulegen" sondern ihn einfach ein bißchen aufwecken?

Genau wie bei den Turnierrichtern kommt es auch hier in der Box bei jedem einzelnen sehr darauf an wie wohlwollend man einen Ritt beurteilen WILL.

Mich würd eher mal interessieren, daß einer von hier sein 08/15-Zuhause-Pferd in einem Mitteltrab per Video vorstellt, den er selbst für richtig gut hält. Es wird niemanden geben, der von allen einen "reell"-Stempel kriegt. Den einen wird es immer zuwenig und zu lasch sein, die anderen werden immer alles spannig finden.

geolina

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #211 am: 18.01.09, 09:58 »
;D *lach* Ja, das ist gut. Andererseits: Wir sind uns doch alle einig, daß auch die Anzahl/Klasse der Platzierungen eben kein Gradmesser für reelles reiten ist!

aber manchmal bekomme ich eben den eindruck, dass es bei einigen schon fast ein gradmesser für reelles reiten ist, wenn man nicht platziert wird ;).

es wurde für mich schon recht klar gesagt, dass es am gangpotential des pferdes liegt, dass keine verstärkung gezeigt werden kann - wenn ich da was falsch verstanden habe, dann sorry, denn einfach  mal aufwecken, das mach ich auch gerne, gerade, wenn wir noch beim aufwärmen sind, dann fällt später verstärken einfach leichter.

Mich würd eher mal interessieren, daß einer von hier sein 08/15-Zuhause-Pferd in einem Mitteltrab per Video vorstellt, den er selbst für richtig gut hält. Es wird niemanden geben, der von allen einen "reell"-Stempel kriegt. Den einen wird es immer zuwenig und zu lasch sein, die anderen werden immer alles spannig finden.

wahrscheinlich nicht, aber um den mitteltrab ging es mir auch gar nicht im speziellen, sondern, dass man eben gerne mal beide hühneraugen zudrückt, wenn es bei leuten, die man mag um taktprobleme geht, man dann aber groß bei anderen kleinigkeiten kritisiert oder an hohen lektionen herummäkelt.

ich mag eben nicht, dass oft sehr unreelle kritik am werke ist. oder zurück zu meinen eingangsposts: jeder hat eine vorstellung von reell, die er dann, wenn es um´s eigenen reiten geht (oder um das von freunden) sehr schnell über den haufen wirft.

wahrscheinlich denken nun einige: was kann die schon, dass die so herummeckert, reitet die denn reell(er *lach*).

hm, nö, würde mal sagen, ich hab ganz große momente ;D, an denen ich mich fühle, als würde jetzt in den arbeitstempi mal alles passen - was dazwischenliegt ist wohl oft unreell. ich sag mal - ich arbeite dran. ob ich weiter wäre, wenn das pferd immer gesund gewesen wäre - ob ich evtl. nicht so weit wäre, wenn ich nicht ständig rücksicht nehmen müsste??? meine videos sind leider alle vom anfangen zu traben (nach beinwehwehchen), um zu checken ob die beinchen noch probleme machen. geradeaus auf der ganzen bahn, am saulangen zügel *g*, da kann man nicht soviel sehen.

wenn ich aber mal wieder fit bin und auftrainiert, also eher mein pferd ;) - jetzt wäre es einfach verschwendete energie - dann mach ich auch mal eines und stell es dann ein. und dann ist auch ein mitteltrab dabei *g* - zumindest ein versuch, bei einem pferd, das (wie ich es schon mal in einer box geschrieben habe) die ganggewalt eines shettys hat, ist nicht jeder versuch schön, aber ab und an hat mir meine rl zumindest schon schöne ansätze bescheinigt. ich will ihr mal glauben.

alex

Offline kari

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #212 am: 18.01.09, 10:03 »
Zitat
das besser reiten video find ich gut, trotz einiger steher des videos  Augen rollen. das pferd gefällt mir ausnehmend gut und ich finde die reiterei wirklich reell. das pferd ist noch nicht weit, zeigt noch nicht viel, ist wohl auch jung, die anlehnung noch weit davon gefestigt zu sein, aber die grundtendenz stimmt für mich absolut.

Geolina, das dachte ich auch erst und war begeistert.
Aber guck mal, das Reiterpaar läuft sonst S-Intermediaire !!
Da war ich dann  umso mehr begeistert, daß die in diesen "einfachen " Modus geschickt werden, trotz S-Niveau! :D

@ Karo

Zitat
hm, das lippiteil find ich nicht schlecht. aber auch kein augenschmaus. ich finde, der reiter sitzt im trab ziemlich krass gegen die bewegung.

Das wundert mich jetzt aber sehr. Für mich ist diese Präsentation die rückenbefreiteste aller je in dieser Box Gezeigten.
Und mir schien immer, daß "über den Rücken laufen" oder nicht  dein Hauptkriterium war für "reell"  ???

Oder haben wir da verschiedene Kriterien, was "über den Rücken laufen" bedeutet?

geolina

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #213 am: 18.01.09, 11:11 »
@kari,

danke für die info - es gibt sie also noch, die pferde, die sich trotz hoher turnierreiterei noch frei und locker und zwanglos bewegen können, war ja auch schon so ein diskussionspunkt hier, warum der heuschmann ein junges pferd nimmt ;).

alex

Offline Olli

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #214 am: 18.01.09, 11:16 »
Geolina, das dachte ich auch erst und war begeistert.
Aber guck mal, das Reiterpaar läuft sonst S-Intermediaire !!
Da war ich dann  umso mehr begeistert, daß die in diesen "einfachen " Modus geschickt werden, trotz S-Niveau! :D
hab ich da was anderes vor augen?
ich seh ein pferd auf kandrarre,was gerne schön hinter der senkrechten geht.
oder hab ich den punkt verpaßt ,was damit sein soll mit dem pferd?
*amkopfkratz*
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Offline Eva

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #215 am: 18.01.09, 11:22 »
Mit "durchs Genick gehen" meine ich zumindest kein "herunterziehen", sondern, weil das hier das Thema ist, reell durchs Genick gehen, das bedeutet ich bewege mein Pferd dazu durch Kreuz-, Schenkel- und Zügelhilfen im Genick nachzugeben und sich an die Hand zu dehnen. Durch dieses "nachgeben" im Genick und dem damit verbundenen "durchs Genick gehen" wird der Kiefermuskel gelockert, der wiederum dann die Kautätigkeit anregt.

Logisch ist dabei auch, das ein nicht reell herbei geführtes nachgeben im Genick nicht zu dieser Entspannung des Kiefernmuskels führt und somit nur heruntergezogene Pferde oder die, sie einfach nur den Kopf hinhalten, eben NICHT am kauen sind.

Vielleicht haben wir dann verschiedene Begrifflichkeiten? Durchs Genick gehen bedeutet für mich, dass die Anlehnung hergestellt ist. Damit muss das Pferd losgelassen sein, das schließt auch den langen Rückenmuskel mit ein. Der wiederum kann nur loslassen, wenn Genick und Kiefermuskulatur locker/losgelassen sind.  Also kann ich Deiner Reihenfolge "Pferd lässt im Genick los, geht dann durchs Genick und lässt dann den Kiefermuskel los" keinesfalls zustimmen. Du vermischst meiner Meinung nach auch den Effekt, dass durch den Druck auf die Ohrspeicheldrüse in "Beizäumung" (hier meine ich wirklich nur die optische Haltung) der Speichelfluss angeregt wird und das Pferd darauf mit dem Maul reagiert - ob nun durch lecken, kauen, schlucken.

hab ich da was anderes vor augen?
ich seh ein pferd auf kandrarre,was gerne schön hinter der senkrechten geht.
oder hab ich den punkt verpaßt ,was damit sein soll mit dem pferd?
*amkopfkratz*


Ich dachte, es geht gerade darum, dass Hess die nicht unreell um sich rum hat piaffieren lassen, sondern die an die Basics zurückgeschickt hat. Tat dem Ego der Reiterin sicher nicht sooo gut. ;) Also ein Lob für Hess, oder nicht?
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Offline Carlotta67

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #216 am: 18.01.09, 11:38 »
 :) Ja Alex, ich glaub wir meinen beide das gleiche. Niemals wird man einer Stallhexe zugestehen, daß sie doch ein bißchen reell reitet und niemals wird man die beste Freundin öffentlich verreißen, da geht das Pferd höchstens "mal ein bißchen hdS- natürlich nur als Momentaufnahme".

Euer brasilianischer Jüngling mit dem Cremello-Hengst war für mich ein  :o "geiiiiiiil"-Film, ich kenne aber etliche die sagen würden "DAS ist doch kein richtiges Reiten! Der hat doch gar keinen Gang!"

Die einen finden Bent Branderup-Reiterei die Krönung der Reitkunst in Versammlung, die anderen sagen "festgehaltenes auf der Stelle Getrappel mit Kopf hinhalten".

Und ich finde allgemein, daß in dieser Box das Niveau ab WANN jemandem reelles reiten zugestanden wird sehr, sehr hoch angesetzt wird. ZU hoch für den gemeinen deutschen Reithallennutzer. Der sich durchaus auch Gedanken machen mag und bemüht ist, fair zum Pferd und reell zu sein!
Es kann doch durchaus ein Pferd-/Reiterpaar auf niedrigem Schwierigkeitslevel  auf einem reellen Weg sein -aber das würde hier nur ein "  ::) naja, ganz nett" oder "lasch/nix besonderes" abstauben. Es kommt eben nur auf den Zuschauer an: Bewundern und alle reell-Aspekte zuschreiben tut man nur denen, die Weeeelten besser/schwieriger reiten und zufällig genau den eigenen Geschmack treffen.

Zu lösen ginge das nur, indem man zwei oder drei Idole herzaubert, die einen richtig "GUTEN und REELLEN Ritt"
vorzeigen auf einem Niveau, was die Mehrheit der Zuschauer auch erreichen könnte - aber das wird nix, dafür gibt es zuviele Götter nebeneinander.

Stell doch mal einer ein Video ein von einem Normalmensch/-pferd im richtig richtig bewundernswerten, perfekten, reellen und guten Arbeitstrab!

Mist, überschnitten, ich schicks jetzt trotzdem ab.

Offline kari

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #217 am: 18.01.09, 11:45 »
hab ich da was anderes vor augen?
ich seh ein pferd auf kandrarre,was gerne schön hinter der senkrechten geht.


Nur um sicherzustellen, daß wir vom gleichen Video reden ;)

Das Pferd geht auf Trense. Ja, die Reiterin läßt ihn gerne eng, aaaaber: Der ganze Unterricht zielt auf Lockerheit, Losgelassenheit an der Basis.
Ab 1.22 sehr schön zu sehen: Sie soll die Zügel etwas länger lassen und etwas zulegen. Der Gang verbessert sich sofort enorm.

Man sieht, wie schwer es der Reiterin es fällt, ihn vorzulassen, aber der RL wird nicht müde, auf die Wichtigkeit der Losgelassenheit als Basis hinzuweisen. So gefällt mir FN-Unterricht. :D





Edit: Besser Reiten 2. Genauso toll !  :D :D

« Letzte Änderung: 18.01.09, 11:57 von kari »

Muriel

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #218 am: 18.01.09, 11:48 »
Ah, hier werden auch noch zwei Dinge vermixt, denke ich.

Die Ausbildung des Pferdes - und das Reiten des Reiters.

Es können doch sehr viele Leute sehr nett und pferdeschonend reiten, keine Frage.
Ursprünglich ging es doch nicht um die Frage ob Lieschen Müller ihrem Pferd gerade keinen Schaden zufügt, sondern ob Hubert Maier im Intermediare mit einem Pferd piaffiert, das auch tatsächlich in jedem Ausbildungsschritt gemäss den Richtlinien für Ausbildung, die sich an der Natur des Pferdes orientieren, ausgebildet wurde.

Die Frage ist natürlich, ob es diese Richtlinien gibt. Aber solche Sachen wie die "besser Reiten" - seminare zeigen doch, daß ein "Zurück zu den Basics" in fast allen Situationen nötig oder gut ist.
ich hab davon einiges auf einer Messe gesehen. Die vorgestellten Pferde waren zu Beginn ausnahmslos dynamisch, schwungvoll und festgehalten verkrampft. Am Ende der Einheit waren sie jeweils locker, zufrieden und immer noch dynamisch - aber nach Meinung meiner Freundin: "Damit könnte man ja in keine A-Dressur mehr rein reiten" - weil ihr die offensichtliche Spannung, oder Spannkraft fehlte.

Ich bin mir jedoch sicher, wenn mehr an diesen Grundlagen gearbeitet würde - im Sinne der Lockerheit, daß dann doch erheblich bessere Resultate zu erzielen sind. Etwas später, ja.
aber das ist mühsam, und man kommt ja auch ohne da zu Potte. Leider.

Offline Eva

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #219 am: 18.01.09, 11:55 »
Ich denke, es ist tatsächlich sehr schwierig, wirklich zu schauen, ob ein Pferd reell geritten ist (und das kann auch Schritt, Trab, Galopp des 3-jährigen außen rum sein!) und nicht zu schauen, ob ein Pferd weit ausgebildet ist. Eine ganze Parade aus dem Trab kann auslaufend geritten sein, dann kann sie immer noch reell sein. Wie? Wenn das Pferd einfach  noch nicht die Kraft dafür hat, der Reiter dem aber Rechnung trägt und das "Auslaufen" zulässt. Ich meine jetzt natürlich nicht 3 Meter auslaufend, sonst wäre es wieder nicht reell, weil das Pferd der Aufgabe überhaupt nicht gewachsen ist. Das unreelle Gegenstück wäre eine ganze Parade, bei der das Pferd die Vorderbeine in den Boden stemmt um zu bremsen (weil es die Kraft nicht hat, mit der Hinterhand Gewicht aufzunehmen).

Wenn mehr Leute erleben könnten, wie man nach den guten Basics die "Lektionen" geschenkt bekommt, würden viele Leute mit mehr Liebe an die Grundlagenarbeit gehen. :-\ Leider haben so viele den Eindruck, das wäre Zeitverschwendung und dass man Lektionen nur durch Gewürge lernt.

Edit: Und lustig, wie unterschiedlich wir hier viele Dinge bewerten, vielleicht sollte man da mit manchen Richtern auch etwas gnädiger sein. :)
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(Konrad Adenauer)

Offline Beagle-Petra

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #220 am: 18.01.09, 11:56 »
Bin noch frisch unter dem Eindruck eines Biomechanik-Vortrages von Dr. Heuschmann.

Ich versuch da mal was zusammenzufassen,soweit mir das hier grad wesentlich erscheint: Das wichtigste Kennzeichen eines gut gerittenen Pferdes ist der ungehinderte lange Rückenmuskel. Eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist das lockere Genick. Wenn das Genick nicht locker ist, kann auch das Maul nicht locker sein, und die gewünschten ruhigen "Kau"bewegungen sind unmöglich. Die vornehmsten Aufgaben sind also, zum einen den Rückenmuskel von jeglicher Tragarbeit, die er ohnehin nicht leisten kann, ohne Schaden zu nehmen, zu befreien durch entsprechendes Aufbautraining, und das Pferd im Genick zu stellen. Kann ich es nicht im Genick stellen, ist das Genick fest und somit der Rest auch. (Abhilfe Übungen, die den langen Rückenmuskel entspannen - der fängt ja am Genick an und geht bis zur Kruppe, was den Zusammenhang zwischen lockerem Rücken und lockerem Genick erklärt. ) Ein passiger Schritt ist das erste Anzeichen für einen verspannten Rückenmuskel, da der Schritt die störanfälligste Gangart ist. Was im Umkehrschluss heisst, sag ich jetzt mal: Wenn mehr nicht ist als passiger Schritt, dann ist der Rückenmuskel halt verspannt, aber noch nicht so arg, sonst kämen andere Anzeichen noch dazu. Den Rest der Vorstellung von "Ollis Pferd" kann man meiner Meinung nach durchaus der noch mangelnden Fitness des Pferdes zuschreiben. Es dauert halt länger, als es einem lieb ist, bis die zuständigen Muskeln (z.B. obere Halsmuskeln) wieder so kräftig sind, dass sie die anfangs immer vorhandene falsche Belastung des Bewegungsmuskels "Langer Rückenmuskel" verhindern können.

Vor diesem zugegebenermaßen sehr laienhaften Überblick kann man sagen: Was man auf dem Video sieht, kann ein durchaus noch nicht ganz fittes Pferd sein, dem vielleicht etwas mehr frische Arbeit etwas mehr vor der Senkrechten (damit das Nacken-Rücken-Band seine Arbeit ausführen und seinerseits ebenfalls den Rückenmuskel entlasten kann) gut täten, um die Muskeln langsam wieder aufzubauen. Die Probleme mit dem Galopp könnten sich durch mehr Muskelkraft von selbst bessern. Etwas entspannteres Reiten täte dem Schritt gut, ebenso vielleicht kürzere Einheiten mit viel langem Zügel in den Pausen. Tatsache bleibt, dass Verspannungen da sind, sonst wäre der Schritt nicht passig und die Hinterhand wäre im Galopp besser unter. Tatsache bleibt, dass daran gearbeitet werden muss - die Frage ist nur, ob durch noch mehr Reiten oder eher durch etwas weniger Reiten, wofür ich plädieren würde. Aufgrund des Videos gibt es zumindest meiner Meinung nach keinen Hinweis darauf, dass die Reiterin das Pferd nicht (wieder?) in eine lockerererererere Form bringen kann.

Zum Thema: Das Pferd wird auf L-Niveau geritten. Was heißt das denn im Klartext? Dass das Pferd A-fertig sein sollte. Mehr nicht. Ein Pferd, das auf einem Turnier in einer L-Dressur hoch platziert wird oder gar gewinnt, sollte L-fertig sein, also auf bereits auf M-Niveau gearbeitet.

Ein weiterer interessanter Aspekt des Vortrages war die Aussage von Dr. Heuschmann: Ein gut gerittenes Pferd muss nicht zwangsläufig über den Rücken geritten sein. Der Begriff "gut geritten" ist immer relativ in Bezug auf das Vermögen des Pferdes, den Ausbildungsstand und das Einsatzgebiet zu beurteilen. Z.B. muss ein Distanzpferd nicht über den Rücken geritten sein. Es reicht, wenn es sich über das Nacken-Rückenband ausbalancieren kann. Es wird oftmals ohnehin eher "gelaufene Gänge" vorziehen, weil die sehr ökonomisch sind. Und solange das Pferd eine ausreichende Kondition hat und sich frei ausbalancieren kann, so dass der Lange Rückenmuskel frei arbeiten kann, ist das völlig in Ordnung. Auch ein Wanderreitpferd komme wunderbar klar, ohne über den Rücken geritten zu werden. Auch das Rai-Reiten bezeichnete Heuschmann nicht als pferdeschädigend.

Und weiter: Das Reiten über den Rücken ist vor allem für Pferde mit einem schwungvollen Bewegungspotential unabdingbar. Pferde mit schwunglosen Gängen, wie viele Quarter, aber auch viele Barockrassen, müssen nicht unbedingt über den Rücken geritten werden. Je nach Schule kann man bestimmte Pferdetypen auch bis in höchste Lektionen "ohne Rücken" reiten, weil ihre ureigene Bewegungsmechanik dies zulässt. Diese Pferde haben eben kein schwungvolles Bewegungsbild, sondern sie zeigen gelaufene Bewegungen. Die gelaufene Bewegung allein ist also nicht verwerflich und auch nicht als "unreell" zu bezeichnen. Es müssen aber immer - egal ob schwungvoll oder schwunglos - folgende Grundkomponenten erfüllt sein: Der lange Rückenmuskel muss seine Aufgabe als Bewegungsmuskel ungestört erfüllen können, das Pferd muss demzufolge so geritten sein, dass es sich entweder selbst trägt oder sich jederzeit passend ausbalancieren kann. Ein guter Reiter ist in der Lage, sein Pferd im Rahmen der geforderten Aufgaben entspannt zu reiten. Demzufolge (in dieser Schlussfolgerung meine Formulierung) ist ein Rai-Reiter, der auf einem zufrieden und locker im korrekten und freien Schritt daherlaufenden Pferd, das einen zufriedenen Gesichtsausdruck hat und Spaß am Gerittenwerden, ein "besserer" und "reellerer" Reiter als einer, der eine gefällige S-Dressur mit Taktproblemen zeigt und dessen Pferd sich nicht beim Langlassen der Zügel sofort entspannt, sondern guckig und schreckhaft bleibt / wird.
Nur echt mit dem Beagle!

Offline Beagle-Petra

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #221 am: 18.01.09, 12:10 »
Edith meckert eine Ergänzung an: Auch das Rai-Reiten bezeichnete Heuschmann nicht als pferdeschädigend, solange das Pferd locker im Rücken ist und solange der Reiter sich mit Anforderungen begnügt, die im Rahmen der Rai-Reiterei auch umzusetzen sind. Wie er zu einer Rai-reitenden Teilnehmerin sagte: "Ist alles völlig ok, ich nehme ja auch nicht an, dass Sie mit Ihrem Pferd unbedingt auf dieser Basis piaffieren wollen."
Nur echt mit dem Beagle!

Wieselchen

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #222 am: 18.01.09, 12:26 »
Eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist das lockere Genick. Wenn das Genick nicht locker ist, kann auch das Maul nicht locker sein, und die gewünschten ruhigen "Kau"bewegungen sind unmöglich. 




Ja, genau das meinte ich !! Erst das Genick, DANN das Maul und die Kautätigkeit, denn ohne locker Genick ist kauen nicht möglich. Genau so hab ich das auch gelernt auf einem Biomechanik-Seminar.

Muriel

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #223 am: 18.01.09, 12:33 »
ja, erstaunlicherweise geht es auch andersrum. Erst das Kauen, dann die Lockerheit, dann das Hergeben des Genicks.
Aber m.E. sind viele Pferde, die "durchs" Genick geritten werden, damit überfordert, was eben der starke Muskel beiderseits des Genicks zeigt, der sich zur Halsbasis hin eher verjüngt als gleichmässig ausgebildet zu sein.

BP - super zusammengefasst!! Wer ist Edith?  ;)
Der Heuschmann fährt ja wohl auch viel rum und guckt sich unterschiedliches Reiten an. finde ich klasse. Hab den Film von ihm hier liegen, bin aber noch nicht dazugekommen.

Wieselchen

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Re: Von reellem und unreellem Reiten...Teil 2
« Antwort #224 am: 18.01.09, 12:41 »
Der Film lohnt sich. Sehr, finde ich.  :)