So - ich habe das Wochenende mit Protokollschreiben verbracht. Vom Reiterwettbewerb bis zur Trensen-L. Noch sind meine Erinnerungen also ganz frisch - vielleicht kann ich was dazu beitragen, wie die lieben Richter so ticken.
Reiterwettbewerb: Die Richter wollen einen ausbalancierten Sitz sehen. Schön mitschwingen bei genügend (positiver) Körperspannung garantiert eine gute Note. Wie das Pferd aussieht, welche Rasse es hat, welche Gänge - ist vollkommen wurscht. Aber man macht es sich sehr viel einfacher, wenn man ein braves Pferd hat: Es sollte weder so träge und faul sein, dass man ständig mit Gerte + Sporen rumklopfen muss, noch sollte es so heiß sein, dass es beim Einzelgalopp losschießt wie eine Rakete. Wir hatten in einer Abteilung ein Kaltblut dabei, das ganz klar auf der Siegerstraße lief - bis der Einzelgalopp kam. Galopp war offensichtliche nicht ihre Gangart und das Mädchen hat mit ganz viel Gerte und Stimme gerade mal geschafft, zwei ganze Galoppsprünge aus der Riesin herauszuholen. Was sollen die Richter da machen?
Typische Dinge, die die Note drücken: Rückenlage, klopfende Schenkel, verdrehte Fäuste, zu viel Gerteneinwirkung, zu viel Hand, zu wenig Verbindung, zu wenig Einwirkung (z.B. der Reiter braucht zwei Zirkelrunden, Gerte + Schnalzen, bis das Pferd galoppiert)
E-Dressur: die durchschnittliche Notengebung sah etwa so aus:
Note < 5.0: Pferd geht überhaupt gar nie nicht keinen Meter durchs Genick
Note < 5,5: Pferd geht manchmal 3 Schritte durchs Genick oder Gehorsamkeitsprobleme (permantes Wegspringen, losschießen, angaloppieren)
Note < 6,0: Anlehnung noch unbeständig, hebt sich in den Übergängen immer raus, oder ist nur zusammengezogen
Note < 6,5: Ausbildung deutlich auf dem richtigen Weg, aber noch mit mehreren kleinen Mängeln (etwas verworfen oder etwas wenig LB oder etwas tief oder mit Spannung oder oder oder)
Note < 7,0: ganz klar richtiger Weg, aber vielleicht nicht so der hinguckende Brüller (etwas matt und auf VH oder zeitweise mit Spannung)
Note > 7,0: prima
Pferd und Gangwerk spielten keine Rollen, aber auch hier hilft es, wenn das Pferd nicht zu faul und nicht zu heiß ist.
A-Dressur + L-Dressur:
Ab hier muss ich zugeben, dass die Qualität des Pferdes (=Gangwerk) eine immer größere Rolle spielt. Mit einem Pferd mit etwas gebundenen Gängen, wenig Schwung und wenig Raumgriff (egal ob WB oder andere Rasse) kann man (wenn man optimal reitet und das Pferd gut gymastiziert und losgelassen ist) in einer A-Dressur noch eine kleine 7,er Note bekommen und in der L-Dressur eine höhere 6,er Note - aber mehr gibt´s dann nicht. (Reicht zwar nicht zum gewinnen, aber eine Schleife ist trotzdem noch drin)
Die Richter wollten Pferde mit Körperspannung und Schwung sehen, in der L auch Versammlung und dazu passende relative Aufrichtung. Außerdem Losgelassenheit und Geraderichtung. In der A war es noch nicht ganz so schlimm, wenn die HH in den Übergängen oder in der Verstärkung etwas wegdriftet, aber in der L sollten sie schon optisch gerade sein. Gespannte Tritte bis zu den Ohren hat beim Mitteltrab ein "mit deutlicher Spannung + ohne Schub aus HH" ins Protokoll gegeben.
Mauscheleien (der Oppa ist mein Skatkumpel / das Pferd hab ich gezogen / der hat gespendet) habe ich in den drei Tagen nicht eine einzige mitbekommen. Die Abstammung der Pferde steht nicht auf der Starterliste, der Verein wurde ignoriert. Im Reiterwettbewerb starteten die zwei Kinder eines regional recht bekannten Turnierstallbesitzers, saßen beide wie die Berggorillas auf ihren Hochglanzponys und wurden in ihren Abteilungen jeweils letzter.
Das einzige, was ich wirklich MIES fand: Wir hatten eine Eignungsprüfung ausgeschrieben. (also Dressur + direkt anschließendes Springen für junge Pferde). Die gesamte Prüfung darf nur mit Springgerte geritten werden. Allerdings findet sich meist jemand, der das nicht weiß oder vergessen hat und mit Dressurgerte auf dem Abreiteplatz rumreitet. Deshalb lassen die Richter eigentlich immer per Lautsprecher durchsagen, dass wir noch einmal darauf hinweisen, dass nur eine Springgerte erlaubt ist. Beim letzten Mal durfte ich (als Protokollschreiberin) sogar einer Reiterin noch beim Einreiten zurufen, sie soll die zu lange Gerte fallen lassen. Aber dieses Mal haben die Richter eine Reiterin eisenhart mit zu langer Gerte einreiten lassen und nach dem Dressurteil deshalb disqualifiziert. Ich finde, sowas muss nicht sein.
Ist nur ein persönlicher Bericht und nicht repräsentativ, aber vielleicht hilft er ja trotzdem.
Mein Fazit zur Notengebung (auf diesem konkreten Turnier und bei diesen Richtern): Die 6,0 ist die Schallgrenze. 6,0 und besser heißt, dass es schon irgendwie der richtige Weg war. Unter 6,0 heißt, dass irgendwas prinzipiell im Argen liegt (oder das Pferd rumgesponnen hat).