Als Insider kann ich sagen:
Um ein Pferd auf solch ein Reining-Niveau hochzubringen braucht es folgendes:
- ein hochtalentiertes, entsprechend sorgfältig durchgezüchtetes Pferd
- die Ausbildung wird beim 2jährigen begonnen, manchmal schon mit 20 Monaten. Zum einen, weil die wichtigsten und höchstdotierten Prüfungen für 3jährige sind und im Herbst abgehalten werden. Um einem Pferd das verlangte Können einzupauken, braucht es ca 18 Monate, kann aber auch gern länger sein, dann sitzt es besser.
- eine Reining besteht aus nur wenigen Manövern, die mehr andressiert als angeritten werden. Ein Reiningpferd muss z.B. nur bei x den Galopp fliegend wechseln, manche Trainer legen also nur Wert darauf, einen entsprechend abzurufenden Automatismus einzubauen, oftmals ist der Wechsel keine im dressurmässigen Sinne aufgebaute und durchgeführte Lektion.
- ebenso werden die anderen Manöver (neben den Wechseln das Zirkeln, Speed control, Stop, Rollback, Spin, Backup) als Automatismen eingebaut, nur so ist es möglich, dass ein Pferd am losen Zügel und unbeirrt seine Zirkel zieht. die meisten Reiner laufen "locked on the circle", nur wenige folgen wirklich dem Reiter.
- selbstverständlich wissen die Pferde, was sie im Maul haben (die Showbits sind oft noch nen Tacken schärfer als die Trainingsbits, damit mit weniger Zulangen ein entsprechender Effekt erzielt werden kann.)
Im grossen und ganzen ist Reining eine zurschaustellung dressierter Pudel. Je "höher" das Niveau, desto mehr.
Andererseits gibt es auch Trainer, die in der Lage sind, die Pferde gut auszubilden, nach reiterlichen Gesichtspunkten. Ich lege z.b. für Sylvia Rzepka meine Hand ins Feuer, und der Golden Mac Jac ist kein dressierter Automat, sondern ein angenehmes Pferd mit einer guten Ausbildung. Er ist zudem eines der erfolgreichsten und beständigsten Reiningpferde der Welt - allein - er hat noch nie so dolle Scores geschafft wie z.b. die Pferde der Reiter aus USA und Canada. Also die Pferde, die da waren, der eigentliche Ausbilder von Golden Mac Jac ist ein Kanadier, Vern Sapergia. Wer Ann Poels genauer beobachtet, sieht sehr deutlich, dass sie ihre Pferde durch die Prüfungen reitet, sie hat sie am Bein, und die Pferde folgen ihren Hilfen. Ann Poels war vor ihrem Umstieg zum Western eine erfolgreiche Dressurreiterin bis Grand Prix, sie ist in der Lage, ihre Ritte millimetergenau anzulegen. Ähnliches gilt für ihren Ehemann, Bernard Fonck.
Ferner lässt sich sagen: Je mehr man einem Westernpferd von seinem eigenen Charakter übrig lässt, desto schlechtere Karten hat man bei hochkarätigen Turnieren. Viele Trainer und Reiter sind nur deshalb erfolgreich, weil sie die Pferde als Material ansehen und entsprechend benutzen. Es gibt jedoch Reiter, die den Charakter der Pferde für sich nutzen. Wenige davon schaffen es bis in die Weltspitze und können sich dort über Jahre behaupten. Um so größer ist mein Respekt vor Reitern wie Vern Sapergia.
Beim Westernreiten ist es auch der Fall, dass geschicktes Management des Materials Pferd gern als Horsemanship verkauft wird, da lassen sich viele gern mit einseifen ...
Zusammenfassend: Ich fand die Leistungen der Pferde und Reiter im Großen und Ganzen beeindruckend. Es war sehr interessant, auch mal Reiter zu sehen aus Ländern, die man sonst nie vor Augen kriegen würde, Brasilien, Mexico, Dominikanische Republik, aber auch aus den östlichen Ländern Europas. Man sah sehr gut, dass viele dieser Reiter auf einem Niveau waren, den die westlicheren Reiningländer schon seit einigen Jahren hinter sich haben, was dafür spricht, dass das Westernreiten wohl in jedem Land aufs neue eine Entwicklung vom "Wildwestreiter" zum modernen Westernreiter durchlaufen muss, bis sich "die Spreu vom Weizen" getrennt hat, wie bei den andren Reitdisziplinen auch. Der totale Quereinstieg scheint nicht möglich.
Abschließend: Der moderne Westernreitsport präsentiert sich sehr uneinheitlich. Neben der Pudeldressur auf Weltklasseniveau, wie wir sie in Aachen großenteils bewundern durften, gibt es auch andere Strömungen. So hat der Anschluß der EWU (Erste Westernreiter Union Deutschlands) zan die FN u einer Hinwendung auch zu den FN-Richtlinien, der Ausbildungsskala etc geführt. Innerhalb der EWU gibt es Sonderdisziplinen wie Jungpferdeprüfungen, in denen auf ganz andere Dinge Wert gelegt wird als das möglichst perfekte mechanische Exerzieren von Manövern. Es gibt die Superhorse, eine Prüfung, die Elemente der verschiedensten Einzeldisziplinen in sich vereint und somit ein schon recht vielseitig ausgebildetes Pferd (und Reiter natürlich) erfordert. Und es gibt Trainer, die Pferden und Reitern eine sorgfältige Ausbildung im guten alten Reiten angedeihen lassen.
Ach ja, eine Frage, die man einem passionierten Reiningreiter niemals stellen darf, ist die, warum so viele fette Männer auf den kleinen Pferden rumreiten. Das ist Diskriminierung der Fettleibigen, die können ja schließlich nichts dafür ...