Autor Thema: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?  (Gelesen 7779 mal)

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Offline SusannaTopic starter

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Hallo BTlerinnen,

aus aktuellem Anlass starte ich ein neues Thema, mit dem ich mich - ob ich will oder nicht - öfter beschäftigen muss.
Zur Erklärung:
Ihr wisst, ich bin in Vollzeit berufstätig, mein Mann und mein Sohn (ist zwar noch in der Ausbildung) machen die Landwirtschaft im Vollerwerb, ich helfe mit, wann und wo ich kann.

Leider bin ich bei uns in der Firma  die einzige "bäuerliche" FRAU (glaube ich, die Firma ist relativ groß), Männer mit LW gibt es öfter, wir leben ja in einer ländlichen Gegend. "Normal", auch für die anderen, ist mittlerweile, dass ich Ernteurlaub habe und wenn die anderen auf den Malediven liegen, ich im Garten oder im Stall wühle.

Was mir Verdruss bereitet ist, WIE oder WAS meine Kolleginnen in mir sehen oder in unseren Bauernhof hineininterpretieren.
Gerade jetzt zu den Wahlen ist es wirklich schlimm. Die Kollegen möchten mit mir über landwirtschaftliche Subventionen diskutieren. Gut. Machen wir, soweit Zeit da ist. Das ganze artet dann natürlich aus und ich stehe da wie ein Depp, der sich sagen lassen muss, dass er zu Unrecht Geld vom Staat kassiert.
Da ich weder auf den Mund noch auf den Kopf gefallen bin, reduziere ich solche Gespräche natürlich auf ein Minimum und bleibe sachlich.

Nur - heute morgen hat eine neue Kollegin mich gefragt, ob ich denn auch Kartoffelurlaub mache. Auf mein Nein meinte sie, was das denn für eine Landwirtschaft sei, in der es keinen Kartoffelanbau gibt.
Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass mein Hals etwas angeschwollen ist >:(

Lange Rede, kurzer Sinn.
Sehr viele Kollegen sind nett. Aber manche sehen alles mögliche in mir: die "geldscheffelnde" Bäuerin.
Die, die alle Arbeit ihrem Mann überlässt (nimmt den anderen die Arbeitsplätze weg, abgesehen davon, dass ich ja eh eine Rabenmutter bin).Das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber momentan nervt "es" wieder etwas. Versteht ihr mein Problem, das ja eigentlich kein wirkliches Problem ist? (Und das ich seltsamerweise mittlerweile NICHT mehr mit den anderen Bäuerinnen habe, die ich so kenne und mit denen ich befreundet bin).
Was ist zu tun?
Ignorieren?
Missionieren?

Noch eines, meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß und ich bin von allen akzeptiert, habe also keine Kompetenzprobleme :). Zum Diskutieren über LW und Subventionen hier im Betrieb habe ich weder Zeit noch Lust.

Was würdet ihr tun, was ratet ihr?

Ich Danke euch! :)

Viele Grüße
Susanna

Offline Marina

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #1 am: 22.09.05, 15:15 »
Hallo Susanne,

ach, wie mir das bekannt vorkommt, obwohl ich bereits seit 12 Jahren nicht mehr arbeiten. Aber damals hatte ich einen superschlauen Kollegen, der mich oft nervt. Bis ich ihm sehr deutlich über den Mund gefahren bin, dass er üüüberhaupt nicht mitreden kann und habe ihn eingeladen, bei uns mitzuhelfen. Das hat er aber nie wahrgenommen. Aber das blöde Gerede hörte danach auf.

Ich würde mich an Deiner Stelle gar nicht mehr auf Diskussionen einlassen, denn Nicht-Bauern kannst du soviel erzählen wie Du willst: sie wollen es gar nicht hören.

Gruß
Marina

Peter1969

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #2 am: 25.09.05, 11:51 »
 Grüss dich Susanna das kommt ja mir so vor bei deinen Berufskollegen  das du dich für Die Bäuerin und Landwirtin rechtfertigen noch musst. >:( :-[. Wieso hältman uns Landwirten denn die Subventionen vor. Das die Preise gedrückt werden aus Absicht für unsere Produkte, und die Beihilfen notwendig sind , intressiet die sicher nicht. .Aber die dauernde Rechtfertigung wie  es dir ergeht, wird sich sicher an den Nerven zehren. oder. :-\

Schönen Sonntag noch.

Offline Janey

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #3 am: 25.09.05, 12:25 »
Hallo Susanna,

mir geht es ähnlich wie Dir. Traue mich oft schon gar nicht mehr, mal kurzfristig einen Tag Urlaub zu nehmen, wenn Ernte ansteht. Meine Chefin ist so eine, die stellt ihren Beruf über alles (Privatleben hat sie ohnehin nicht, ist Single und arbeitet oft bis tief in die Nacht hinein und am Wochenende im Büro). Da wird dann schonmal schief geguckt, wenn ich für den nächsten Tag Urlaub nehmen muß. Daß Ernteeinsätze oft vom Wetter abhängig sind und eben nicht wochenlang vorher "angemeldet" werden können, das versteht sie nicht so richtig.

Das mit den Subventionen habe ich einmal versucht zu erklären und es dann gelassen. Die Leute WOLLEN es nicht verstehen.

Das Ärgste, was mir neulich passiert ist, war auf einer Geburtstags-Kaffeerunde im Büro. Da sprach mich ein Kollege an: "Na, Sie waren ja neulich in der Zeitung! "Beste Euterkuh"?!"
Er spielte drauf an, daß wir auf einer regionalen Tierschau recht erfolgreich waren (und unglücklicherweise in der Zeitung ein Foto von mir mit der Siegerkuh abgebildet war). Was die Auszeichnung "beste Euterkuh" bedeutet, wollten die gar nicht erklärt haben. Für sie klang es witzig und sie hatten Grund, sich mal über mich lustig zu machen. Mir war es nur peinlich.

Ich erzähle im Büro möglichst nichts von zuhause. Es stößt ja doch nur auf Unverständnis. Früher konnte man stolz darauf sein, Landwirtschaft zu haben, heute muß man sich anscheinend dafür schämen.
Das geht schon bei den Kindern in der Schule so und scheint sich sogar bei den Erwachsenen fortzusetzen. Vorurteile eben.

Mein GöGa meinte neulich: Lad sie doch mal alle zu uns nach Hause ein und zeig ihnen den Betrieb. Dann wissen sie, wovon Du redest.
- Er hat bestimmt Recht, aber ich scheue mich davor, den Kollegen zu zeigen, wie ich lebe. Sooo viel müssen sie dann doch nicht von mir wissen.
Oder was meinst Du? Wäre so eine Betriebsbesichtigung eine gute Idee? Zum Beispiel im Rahmen eines Betriebsausfluges?

LG
Janey




Offline Erika

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #4 am: 25.09.05, 18:31 »
Ein Betriebsausflug könnte den Bürokollegen die Wirklichkeit zeigen, es könnte aber auch dazu führen, das anschließend noch mehr gelästert wird  :(

Ich kann vom Büro aus sogar unsere Kühe auf der Wiese weiden sehen  ;D Wenn ich am Fenster stehe und sie kurze Zeit beobachte, fällt das natürlich auf. Die Köpfe am Fenster werden mehr und es kommen immer mal ein paar Fragen. Aber so richtig interessieren tut es niemanden und was wirklich alles dahinter steckt, verstehen *Außenstehende* meiner Meinung nach sowieso nicht.

Vor allem gehört man in den Köpfen der Leute als *Landwirtsfrau* nicht ins Büro, sondern in den Stall und an den Herd. Wenn man sich für´s Büro entschieden hat, gerät man leicht in Verdacht, arbeiten zu müssen weil die Landwirtschaft alleine nicht mehr ausreicht.

Ich arbeite sehr gerne im Büro, solange ich die Stelle behalten kann. Der Zuverdienst ermöglicht mir(uns) manchen Wunsch ohne schlechtes Gewissen, dem Betrieb etwas wegzunehmen, was vielleicht nicht dringend nötig gewesen wäre.

Offline Meta

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #5 am: 25.09.05, 21:13 »
Hallo Susanna und alle anderen !
Ich kann mit Dir wirklich auch mitfühlen. Manchmal geht es mir genauso. Mein Beruf ist Dorfhelferin und wir machen Einsätze in Privatfamilien und in Landwirtsfamilien.Da spüre ich öfters doch ganz gewaltig den Unterschied in der Lebensanschauung.Bei den Landwirten  wird man zwar mehr gefordert was die Arbeit betrifft, aber man spürt vielmehr Anerkennung und eben diese "Seelenverwandschaft". Manchmal kann ich die privaten Einsätze auch nutzen, um gewisse Vorurteile abzubauen, aber eben nur manchmal und manchmal halt eben nicht. Aber , liebe Susanna, laß den Kopf nicht hängen und sei doch lieber froh, daß Du mit Deinem Job zum  Lebensunterhalt Eurer Familie beitragen kannst. Auch dies kann einem ein gutes Gefühl geben.
Liebe Grüße
Meta

Offline Janey

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #6 am: 26.09.05, 15:03 »
Hallo!

Daß man als Landwirts-Frau eigentlich zuhause in Stall und Haushalt zu sein hat, das denken bei mir eher die Berufskollegen meines Mannes. Da wird sich oft gewundert, warum ich fulltime arbeiten gehe.

Im Büro sieht man das eher so: Sie hat ihren Job und der Mann hat seinen. Daß sie noch in der Landwirtschaft mithilft, das erntet oft Kopfschütteln. Und solche Dinge wie Auf-Tierschauen-Gehen sind sowas Exotisches, daß man da zwar neugierig ist, aber eigentlich nur einen Grund sucht, um sich mal über die Kollegin lustig zu machen. Also hoffe ich immer, daß die lieben Kollegen Zeitungsberichte über unsere Tierschau-Auftritte eher nicht mitbekommen.

Du hast schon Recht, Susanna, man rechtfertigt sich nicht gern ständig. Deshalb erzähle ich auch so wenig wie möglich über mein Privatleben, so traurig ich das manchmal finde.

LG
Janey

Offline Sonnenblume2

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #7 am: 26.09.05, 16:07 »
Ist schon lange her, da hat einer meiner Kollegen immer so blöde Bemerkungen gemacht, wie „das bisschen Stallarbeit und Ernte“ und „die Bauern verdienen sehr gut, weil jeder immer den neuesten Traktor fährt“ usw.  :o
Als mein Häferl voll war mit solchen Bemerkungen, habe ich den einmal ziemlich niedergefahren, dass er einmal nachdenken soll, wer überhaupt seine Grundnahrungsmittel erzeugt und habe ihn mal aufgeklärt, das Bauer sein nicht nur aus Stallarbeit und Ernte einbringen besteht.
Ein paar Tage herrschte Funkstille zwischen uns und dann hat er sich bei mir entschuldigt, dass es ihm eigentlich nicht so richtig bewusst war, was er da sagte.
Seit dem ist keine blöde Bemerkung mehr von ihm gekommen.

Offline martina

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #8 am: 26.09.05, 16:27 »
Ich hab Glück mit meinen Kolleginnen, die stammen ja alle noch aus dörflicher Herkunft und da ist noch sehr viel Verständnis da. Ich arbeite ja auch nciht Vollzeit.

Aber wir haben derzeit eine Praktikantin im Kindergarten, die hat eine solche ablehnende Haltung zu konventioneller Landwirtschaft, da krieg ich einen Hals! Muß ich mir noch Fransen an den Mund reden, bis die was kapiert... wird ein hartes Stück Arbeit.

Aber so ein Erlebnis wie Sonnenblume hatten wir auch schon. Wir haben vor Jahren das Hausdach decken lassen, es war Getreideernte, die Dachdecker machten Mittagspause und der Drescher fuhr vom Hof.
Kam vom Gruppenleiter der Spruch, wie reich wir ja sein müßten, große Schlepper auf dem Hof (hatten einen grad mal richtig neu gekauft), Mähdrescher, LKW...

Dem hab ich im gelichen Ton geantwortet, wie reich doch so ein Dachdecker sein müsse (war der Bruder vom Chef), 3 kleine LKW, ein großer und noch 1 Kräne... Oh sacht er zurück, wir haben sogar 2 Kräne und noch mehr LKW, insgesamt 20!
Ich: Und? Kannst Du ohne auch nur 1 Dach ordentlich decken ode Deine Arbeit machen?
Er: Nö.
Ich: wir auch nicht!!!

Da war die Geschichte geklärt und wir haben uns immer bombig vertragen.

Aber manche Leute im Umfeld wollen tatsächlich nichts kapieren.

Offline SuHe

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #9 am: 28.09.05, 11:18 »
Hallo Susanna,

hast Du schon mal über Mobbing nachgedacht... ??

Ist ja leider heutzutage an der Tagesordnung ... und schwer zu händeln..

Lieben Gruß
Susanne

Offline Sonnenblume2

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #10 am: 30.09.05, 10:12 »
Hatte gerade mit einem Kollegen bei der Kaffeepause eine Diskusion über "Maisfelder neben den Starßen".
Er meint, dass die Bauern ihre Felder nicht so weit zum Starßenrand bebauen dürften, denn mit dem hohen Mais sieht man nicht mehr um jede Straßenkurve. Mein Gegenargument, dass dann halt Beschränkungen aufgestellt werden müssen, wenn dieser Straßenabschnitt zu gefährlich währe wegen dem Mais.
Nein - (sein Argument) der Bauer darf laut Gesetzt neben einer Straße nicht bis zur Feldgrenze seinen Mais anbauen sonderen einen Mindestabstand halten!  :o  :o
Ist das wirklich so? Darf man wenn die Feldgrenze an eine Straße grenzt nicht bis zum Grundstückrand anbauen?  ??? Ist das laut Gesetz wirklich so, weiß das jemand von euch?
Und überhaupt (seine weitere Stellungnahme) "werden die paar Meter schon nicht gleich abgehen"  >:(

Pahhh - das ist wieder einer, der halt nur Haus und Garten hat und von LW keinen Dunst hat!  ::) :-X

Sonnenblume




Offline martina

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Re: Berufstätige Bäuerinnen - wie sehen euch Kollegen?
« Antwort #11 am: 30.09.05, 10:31 »
Hallo Sonnenblume,

wenn er dir das nächste Mal mit Gesetzen kommt, da frag gleich nach der dem Namen des Gesetzes, Paragraph und Absatznummer. Die können die meisten Diskussionsteilnehmer (ich auch nicht) nämlich nicht nennen *grins*

Wir hatten auf der Arbeit (Seminarhaus) mal einen Tagungsgast, der machte es aus den Kühen des Nachbarbetriebes lauter "männliche Tiere", dann wollte er sie unbedingt mit Speiseresten und Kaffeesatz füttern. Als ich ihm erklärte, das Kühe keine Kaffeesatz fressen mögen, meinte er, dann kämen die Speisereste von seinem Teller (die Gäste räumen bei uns selber ab) wohl in den Schweineeimer?
NEIN sagt der Zivi, die kommen in den KOMPOSTeimer! Ich habe dann erklärt, wann und wie man Schweine mit Speiseresten füttern dürfe. wollt er mir nicht glauben, wo das denn stünde??? Also wieder mein Hinweis auf die Schweinehaltungshygiene-VO, von der nat. niemand der anderen inzwischen mithörenden Tagungsteilnehmer jemals gehört hatte. Die hatten anschließend sicher noch einiges zu diskutieren 8) DER Gast hat sich die anderen Tage schön zurückgehalten mit Fachwissen über die Landwirtschaft.