Autor Thema: Ein Platz zum Trauern?  (Gelesen 15512 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Mathilde

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 3134
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #30 am: 21.12.21, 17:12 »
Hallo,

ich bin gerade am Trauerkarte schreiben und suche nach den richtigen Worten.
Jetzt bin ich hier gelandet und möchte auch etwas von meinen Erfahrungen dazu schreiben.
Meine Mutter ist ja letztes Jahr im September gestorben und das Grab ist 670 Kilometer weg von mir. Was mich aber  sehr beschäftigt ist die Tatsache dass es mir schwer fällt den Tod meiner Mutter zu realisieren...ich mein so ganz in mir drin. Durch die räumliche Trennung die wir ja vorher schon hatten habe ich ein Problem damit loszulassen. Das ist nicht einfach. Noch immer habe ich es nicht über mich gebracht die Erinnerung "Mama anrufen"aus dem Kalender zu streichen. Das kann hier sicherlich niemand nachvollziehen aber mir geht es einfach so.

LG Mathilde
Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins

Marie von Ebner-Eschenbach

Offline Morgana

  • Bewohner
  • *
  • Beiträge: 4031
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #31 am: 21.12.21, 18:13 »
Liebe Mathilde,

deine Mutter und du, ihr wart sehr weit räumlich getrennt, dass es da noch schwieriger ist den Tod zu realisieren kann ich mir gut vorstellen. Außerdem ist erst gut ein Jahr vergangen.

Bei uns steht nach 12 Jahren noch die Telefonnummer im Speicher.

Das muss niemand nachvollziehen können. Dir alleine muss es gut tun und dir was
bedeuten. Was andere denken oder meinen ist gerade bei Trauer nicht wichtig.

Offline Rohana

  • Bewohner
  • *
  • Beiträge: 1073
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #32 am: 21.12.21, 21:41 »
"Mama anrufen" geht dann vielleicht nicht mehr mit dem Telefon, nur noch mit dem Herzen, aber warum sollte man deshalb den Kalendereintrag löschen?

Du allein entscheidest wie du trauerst und wie du damit umgehst.

Offline LunaR

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 6169
  • Geschlecht: Weiblich
  • Dat Eenen sien Uhl is det Annern sien Nachtigall
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #33 am: 21.12.21, 22:46 »
Mathilde, vielleicht kannst du dir einen Platz zum trauern bei dir zu Hause einrichten? Aus einem anderen Zusammenhang (nach Fehlgeburten, wo die Mütter kein Grab für ihr verlorenes Kind haben) kenne ich das so, einen besonderen Stein, Edelstein oder ein schönes Bild oder auch ein Andenken an deine Mutter aufstellen und eine Kerze davor.

Bei meiner Freundin ist es so, dass ihr verstorbener Mann in seiner alten Heimat bestattet wurde, ca. 2000 Km von hier. Sie kann nur selten dort sein. Es wurde eine Miniurne mit etwas von seiner Asche gefüllt und im Garten von der Familie bestattet . Sie haben einen Baum darüber gepflanzt und dort einen schönen Ort eingerichtet.

Auch ich kann nur schwer loslassen. Ich denke, das braucht Zeit, bei jedem Individuell. So konnte ich es nicht zulassen, dass idie Handarbeiten meiner Mutter entsorgt werden. Obwohl ich sie nicht brauche, liegen sie hier immer noch, nach über 20 Jahren. Dazu gehören auch die Kopfkissen mit aufgesticktem Monogram. So viel Arbeit ...

Irgendwann lässt es uns etwas los. Bis dahin ist Zeit.

Es ist sehr beglückend, sich mit kompetenten Menschen auszutauschen.

Ein lieber Gruß Luna


Verschwendete Zeit ist Dasein.
Gebrauchte Zeit ist Leben.

Offline Maja

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 4798
  • Geschlecht: Weiblich
  • Ein Wunder in meinen Armen
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #34 am: 21.12.21, 23:45 »
Mathilde.....Mama anrufen! den Gedanken finde ich toll, der darf ruhig im Kalender stehen. Ganz bewusst sich auf Mama einlassen,auch wenn sie nicht mehr als Person greifbar ist.
Mit ihr im Geist reden, an sie denken, das tut doch gut.
Ich habe auch manchmal den Gedanken, das muss ich Mama mal fragen..... dabei ist sie schon 20 Jahre tot.
Die Monogramm gestickten Kopfkissen gibt es hier auch noch. Sie liegen im Schrank. Ich konnte die Kleider meiner Mutter auch nicht einfach entsorgen.
Mit Vater war damals ja noch da, er hätte es tun müssen, können, dürfen.
Ich glaube, wenn die Person die gegangen ist, nicht im Hausstand gelebt hat, dann ändert sich im täglichen Ablauf ja nichts,  dann ist es schwer zu realisieren.
JEDER TRAUERT ANDERS  und das ist okay so.

Offline LunaR

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 6169
  • Geschlecht: Weiblich
  • Dat Eenen sien Uhl is det Annern sien Nachtigall
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #35 am: 22.12.21, 00:08 »
Wir Geschwister mit Anhang werden in Kürze den 100. Geburtstag unseres Vaters/Opas feiern. Nein, er ist nicht so alt. Er ist schon seit 15 Jahren nicht mehr da. Ich fand, es ist trotzdem ein schöner Anlass um zusammen zu kommen. So viel zum Thema loslassen. Niemand fand das komisch.
Es ist sehr beglückend, sich mit kompetenten Menschen auszutauschen.

Ein lieber Gruß Luna


Verschwendete Zeit ist Dasein.
Gebrauchte Zeit ist Leben.

Offline Marina

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 4123
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #36 am: 22.12.21, 07:24 »
Luna, so haben wir´s bei meiner Oma gehalten. Zum 100. Geburtstag kamen
wir Enkel und ihre Kinder zusammen. Es gab Schlesischen Kartoffelsalat und Würstchen,
das Gericht, das es immer an ihrem Geburtstag gab. Ein Onkel brachte Bilder mit, die
wir noch nicht kannten. Meiner Oma hätte der Geburtstag gefallen  :D

Offline fanni

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 4674
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #37 am: 22.12.21, 08:25 »
Hallo,

ich bin gerade am Trauerkarte schreiben und suche nach den richtigen Worten.
Jetzt bin ich hier gelandet und möchte auch etwas von meinen Erfahrungen dazu schreiben.
Meine Mutter ist ja letztes Jahr im September gestorben und das Grab ist 670 Kilometer weg von mir. Was mich aber  sehr beschäftigt ist die Tatsache dass es mir schwer fällt den Tod meiner Mutter zu realisieren...ich mein so ganz in mir drin. Durch die räumliche Trennung die wir ja vorher schon hatten habe ich ein Problem damit loszulassen. Das ist nicht einfach. Noch immer habe ich es nicht über mich gebracht die Erinnerung "Mama anrufen"aus dem Kalender zu streichen. Das kann hier sicherlich niemand nachvollziehen aber mir geht es einfach so.

LG Mathilde

Liebe Mathilde, meine Papa ist heuer im September gestorben. Seither war ich erst 2 x wieder bei meiner Mama zu Hause. Wenn ich jetzt an Weihnachten nach Hause fahre, dann werde ich auf den leeren Platz in der Kücheneckbank schauen und ins Wohnzimmer gehen und mich wundern, dass mein Papa dort nicht mehr in seinem Ruhesessel liegt............

ich hab mal irgendwo im Radio einen Satz von einem gehört.......solange meine Eltern noch da sind und seien sie noch so alt bin ich immer noch das Kind. .......Das beschäftigt mich gerade sehr.
Herzliche Grüße von Fanni

Offline Maja

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 4798
  • Geschlecht: Weiblich
  • Ein Wunder in meinen Armen
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #38 am: 22.12.21, 19:00 »
ja fanny  , der Satz ist mir auch bekannt und das war als mein Vater ging sehr schwer. Ab da war ich Waise.
Es gibt aber auch den Spruch unsere Lieben sind um uns auch wenn sie nicht mehr leben.
und da find ich ist auch was wahres dran.

Offline Rohana

  • Bewohner
  • *
  • Beiträge: 1073
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #39 am: 24.12.21, 23:36 »
Man wird ja erst richtig erwachsen wenn die eigenen Eltern nicht mehr sind, heisst es. Ich war noch nie scharf auf erwachsen werden...  :-[

Offline Steinbock

  • Vereinsmitglied
  • *
  • Beiträge: 5453
  • Geschlecht: Weiblich
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #40 am: 26.12.21, 13:01 »
Liebe Mathilde, ich möchte nochmal den Gedanken von Luna aufgreifen...
zu Hause einen Platz zum Trauern schaffen. Vielleicht draußen, dass man
ein wenig gehen muss, um zu der "Gedenkstelle" zu kommen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne... (H.Hesse)

Offline gina67

  • Moderatoren
  • *
  • Beiträge: 7658
  • Geschlecht: Weiblich
  • Nach jedem Winter folgt ein Sommer
Re: Ein Platz zum Trauern?
« Antwort #41 am: 01.01.22, 21:55 »
Wir haben uns zu Lebzeiten meiner Eltern immer zu den üblichen Feiertagen getroffen. Weihnachten, Ostern, an den Geburtstagen und zum Hochzeitstag meiner Eltern.
Als Mama starb, fiel das Treffen zu ihrem Geburtstag im September aus und auch den Hochzeitstag im November konnten wir nicht mehr so feiern wie vorher.
Mein Vater hat dann die ganze Familie eingeladen mit ihm essen zu gehen, immer am Sonntag nach dem Hochzeitstag, das war immer am Volkstrauertag. So haben wir das 17 Jahre gemacht, bis auch Papa starb. Im ersten Jahr haben wir den Tag verstreichen lassen, wir hatten uns sowieso ständig getroffen. Aber seit 5 Jahren gehen wir 4 Geschwister mit unseren Kindern und Enkeln wieder am Volkstrauertag essen und treffen uns danach alle am Grab meiner Eltern.