Autor Thema: Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkel-Kastration ab 1.1.2019 bzw. 1.1.2021  (Gelesen 26382 mal)

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Offline MargretTopic starter

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Wir hatten das Thema schon öfters, aber immer nur in Teilen betrachtet. 
Da es uns noch lange beschäftigen wird, mache ich es neu und speziell auf.

Hier würde ich mich gerne mit Betroffenen darüber austauschen.
Mir drängt sich der Eindruck auf,  dass die Schweinehalter dabei ganz schön für dumm verkauft werden, wenn die Verfahren als supertoll und unproblematisch dargestellt werden.

Wir "verdrängen" das Thema bisher  so gut es geht - aber es wird uns einholen.
Allerspätestens Mitte 2018, da die Vorgaben ja ganz sicher kommen werden.
Beim Verdrängen kommt uns entgegen,  dass zur Zeit weder Tierarzt noch Viehhändler darüber reden.

Die Fachpresse dagegen ist voll davon, wobei man dort so ehrlich ist zu schreiben,  dass nichts so recht überzeugt bisher.

Von uns wurde bis jetzt lediglich eine Fortbildungsveranstaltung im Schweinekompetenzzentrum unseres Bundeslandes besucht, wo Versuche mit Ebermast laufen.

Ich hoffe, es wird im Winter eine Reihe guter Fortbildungen und Informationsveranstaltungen zum Thema geben.

Wir konnten uns bisher noch nicht im klaren werden, welche Lösung wir favorisieren  (Ebermast, Immunokastration, Ihnalationsnarkose oder eventuell auch Injektionsnarkose).

Habt ihr euch schon entschieden ?
Habt ihr dazu  Methoden eine Zeitlang ausprobiert (z.B. Ebermast)?
Wie reagierte der Abnehmer darauf, konnten die Tiere vermarktet werden ?

Margret

« Letzte Änderung: 26.01.20, 11:13 von Margret »

Offline Suri

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Hallo Margret,

ja du hast Recht, das Thema wird gerne "verdrängt" und holt uns ganz schnell ein. Wir haben auch noch nicht DIE Lösung.
Ebermast wäre für uns Ferkelerzeuger eine große Erleichterung, da der ganze Kastrationsaufwand entfällt, aber ob die Vermarktung dann so gut läuft, wird sich erst zeigen.
Eine Narkotisierung der Ferkel bedeutet für das Ferkel enormen Stress, diese zusätzliche Belastung ist auch diskutabel.....

Nächste Woche findet hier im Kreis eine Veranstaltung/Diskussion mit "hochrangigen Gästen" zu dem Thema statt (REWE, VION, Landesinnung, Tiergesundheitsdienst, Uni Hohenheim...)

LG Susi




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Offline MargretTopic starter

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Ja, Susi,

den Termin haben wir notiert und uns fest vorgenommen, dafür sogar unsere Arbeiten nach hinten zu schieben.
Es ist wichtig, sich so umfangreich wie möglich zu informieren.
Das landw. Wochenblatt fängt nun auch an mit Praktikerberichten.

Wir haben geschlossenens System, da überlegt man sich noch mehr, was man sich "einbrockt", da man jede "Suppe ganz selber auslöffeln muss".

Margret


Offline maria02

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Mit Ferkeln hab ich ja nicht viel zu tun, aber als Verbraucher  möchte ich schon gerne ein
Stück Schweinefleisch in der Pfanne haben das nicht riecht ?!
Ich bin von Natur aus empfindlich auf manche Gerüche und rieche schon immer, manchmal, einen
Duft vom Schwein in der Pfanne den der Rest der Familie nicht wahrnimmt.
Was passiert mit solchen Fleisch das sicher bei der Ebermast vermehrt auftritt ? Wird das alles
entsorgt ?   

Lieber Gruß
Maria

Offline mary

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Könnt ihr mich als absolutes Schweinegreenhorn ein wenig aufklären,
ist die Kastration für die Ferkel wirklich so schlimm?
Kann mir nicht vorstellen, dass so eine Horde Eber in einer Box so ruhig und friedlich zusammenleben.
Ich habe ein halbes Schwein beim Metzger bestellt, auf Schweinefleisch mit Ebergeruch wäre ich jetzt nicht so unbedingt scharf.
Bitte alle Tätowierten weglesen, aber das tut bestimmt auch ein wenig weh-

Offline hosta

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Was ich an Informationen habe, soll es bis zur Schlachtung funktionieren, also das Fleisch ohne Geruch in den Handel kommt.
Aber  die Metzger möchten keine EberMast,   wegen den Wurstrezepturen.
Herzlichst hosta

Offline Suri

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Hallo,

ja, wir waren auf der Veranstaltung. In unserem landw. Wochenblatt von diesem Wochenende kommt eine Zusammenfassung. Es war sehr informativ, die einzelnen Sichtweisen dargelegt zu bekommen.
Die Metzger sprechen sich auf jeden Fall gegen die Ebermast aus, das passt nicht zu ihren Wurstrezepten, vor allem Rohschinken, usw.
Die Lebensmittelketten (Rewe) verarbeiten einen gewissen Anteil z.B. in Lyoner und würden alle 3 Möglichkeiten akzeptieren - also Ebermast, Improvac (impfen) oder Isofloran (betäuben).

Der Herr vom Tiergesundheitsdienst hat noch eine weitere Möglichkeit favorisiert mit der wir auch gut leben könnten. Das wäre ein lokales Betäubungsmittel, welches allerdings in D nicht zugelassen ist. Diese Möglichkeit hat noch einen geringen Bekanntheitsgrad und würde der Industrie auch nicht viel bringen, wäre aber durchaus in der Praxis umsetzbar.

Also alles offen!!

@ mary: Wir können immer wieder beobachten, dass die Ferkel sofort nach der Kastration friedlich am Gesäuge der Sau "hängen" und weitersaufen. Nach einer Betäubung müssen die Ferkel erst mal wieder zu sich kommen, wenn sie nicht vorher von der Sau erdrückt werden  :-\.

LG Susi
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Offline MargretTopic starter

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Hallo,

ich freu mich,  dass das Thema hier endlich Beachtung und Interesse findet.

@ naima:  Ja, wir waren dort bei der Infoveranstaltung / Podiumsdiskussion und es war super interessant. Sehr lohnend ! Wir sind froh, dass wir dort waren. Haben viel erfahren und gelernt.

Diese Woche waren bei mir wahnsinnig viele Termine und Vorhaben,  deshalb kommen die Antworten auf alle Fragen erst in Ruhe in den nächsten Tagen.

Margret

Offline cara

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Könnt ihr mich als absolutes Schweinegreenhorn ein wenig aufklären,
ist die Kastration für die Ferkel wirklich so schlimm?


Ja. Dem Ferkel wird ohne Betäubung ein Stück des Körpers entfernt. Entgegen alter Meinung weiss man heute, dass das Ferkel dort auch Schmerzen empfindet.Man sieht es ihm an.
Ich muss mal suchen, hatte da heute einen link zu..

Edit: Da isser, der Link (in Englisch)
« Letzte Änderung: 20.11.16, 21:05 von cara »
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Offline gammi

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Komplett schmerzfrei ist ja auch nicht die Meinung.

Für mich wären die Schmerzen aber vertretbar, da ich von allen Schweinehaltern die Aussage bekomme, dass die Ferkel gleich wieder zum saufen gehen und sich relativ normal verhalten.

Wenn ich mich in den Finger schneide, dann tut das auch höllisch weh. Aber ich sterbe nicht daran. So schätze ich auch die Kastration ein.

Oder wie beim Zahnarzt. Da tut es auch manchmal weh, aber es ist vertretbar. Oft finde ich die Spritze bei Zahnarzt viel unangenehmer bis wieder alles "aufgetaut" ist, als die Behandlung selber weh täte.

Aber das Thema ist ja schon durch.
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Offline MargretTopic starter

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@ naima:  Danke für diesen hervorragenden Artikel, der die Sache sehr gut und verständlich erklärt.  :D :-*
Ich finde mich da voll wieder in dem, was gesagt wurde.

@ all:  bitte lesen, damit klären sich schon einige/viele Fragen zur Sache.

Der Rest kann ja hier weiter erfragt werden, vielleicht können wir es miteinander verdeutlichen.

Margret

Offline MargretTopic starter

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@  maria02:

Du hast gefragt, was mit geruchsabweichendem Fleisch passiert. 
Ja, es wird teils entsorgt, wenn es erschnüffelt wird von Menschennasen (entgegen Ankündigungen gibt es bis heute kein Gerät, das dies kann); dafür wird  m.W. eine kleine Probe am/vom Schlachtkörper erhitzt. Der Geruch tritt erst beim Erwärmen auf.
Deshalb ist es  unmöglich, manche Wurstwaren davon zu machen.   
Ein Teil dieses Fleisches kann "verdünnt" in manchen Rezepturen eingesetzt werden. Aber sicher nicht alles. Soviel ich weiß, kann Geruchsabweichung unterschiedlich stark sein.


@ mary:

Du hast gefragt, ob das Kastrieren nur unter Schmerzmittel, so wie es bisher nur möglich ist,  für die Ferkel schlimm ist.
Nach unseren Beobachtungen sind sie sofort danach wieder völlig munter und machen sich rasch auf den Weg ans Gesäuge der Sau.

Man weiß es nicht, ob Schmerzen vorliegen und, wenn ja, wie stark und wie lange.
Schmerz kann mit keiner Methode gemessen / nachgewiesen werden. Dies ist beim Menschen dasselbe,  deshalb müssen Schmerzpatienten ihren Schmerz ausführlich beschreiben und anhand einer Skala die Intensität einstufen.
Wissenschaft und Forschung entwickeln sich hier sicher weiter.
Interessanterweise ging man in der Humanmedizin bis 1987 (!) davon aus,  dass bei Babies die Nervenzellen noch nicht so ausgebildet seien, dass sie Schmerz empfinden könnten.


Margret

Offline ayla

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In der Schweiz ist die Ferkelkastration ohne Betäubung seit 2010 verboten. Ein Grossteil der Landwirte setzt hier die Gasnarkose ein.
Wenn ich jeweils höre oder lese, wie schnell die Ferkel nach der Kastration ohne Narkose wieder fit sind, frage ich mich, ober eine Betäubung fürs Schweinchen wirklich besser ist. Schmerz ausschalten tönt ja gut, aber der ganze Stress drumherum wird damit wohl kaum kleiner.
Ayla

Offline MargretTopic starter

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Wichtig:
die Betäubung mit Isofluran - Gasnarkose lindert keinerlei Schmerz !!! 
Sie macht nur,  dass das Ferkel bewusstlos und ruhig ist.
Schmerzmittelgabe muss dennoch noch erfolgen.  Das Betäubungsmittel kann sogar den postoperativen Schmerz beim Aufwachen noch verstärken, sagt der Tiermediziner. Deshalb wird m.W. zur Schmerzmittelgabe 8 Std. vor dem Eingriff und  auch parellel und danach geraten.
Dies bedeutet  Mehraufwand (mehrmaliges Fangen und Spritzen der Ferkel) und  dadurch auch eher mehr Stress bei den Ferkeln.
Die Ferkel sind vermutlich auch ziemlich"ungehalten" und gestresst wenn sie in den Gast-Trichter gehalten werden, da dies auch mehr als eine Minute dauert.
An sich sollte ein betäubter Patient (auch Ferkel) auch immer nüchtern sein, was bei jungen Saugferkeln ja gar nicht geht. Sonst droht dem Patienten (Ferkel) Ersticken an Erbrochenem. Lässt man das junge Saugferkel schon vorher einige Stunden nicht ans Gesäuge und danach ist es ja auch noch nicht ganz gleich saugfähig, so bedeutet dies event. sein Todesurteil. Die Verluste seien recht hoch, sagt man, ich habe aber keine konkreten Zahlen und keine Erfahrungen.
Es wurden aber übrigens Zahlen von bis zu 23 % genannt, wo die Bewusstlosigkeit trotz Isofluran-Begasung nicht eintritt.
Dieses Gas gilt im Übrigen auch als Klimakiller.
Dem Anwender drohen Gesundheitsschäden wie Leberschäden und Gefahr von Demenz - nicht umsonst gibt es im Krankenhaus Luftabsaugung dafür, damit die dort arbeitenden Menschen besser geschützt sind. Im Stall gibt es dies nicht.
Anwenden darf das Mittel in Deutschland nur der Tierarzt, er will das meist aber lieber nicht aus o.g. Gründen... :-X
Es ist hierfür auch ein Begasungsgerät erforderlich, das den Betreib plusminus 10.000 Euro kostet. :-\

Das Verfahren erscheint mir nur theoretisch machbar. Auch dadurch, dass in Deutschland nur der Tierarzt das Mittel anwenden darf, ist es auf jeden Fall ein riesiger Planungs- und Koordinations- und Arbeitsaufwand und natürlich entstehen deutlich höhere Kosten.

Die Frage, ob der Landwirt auf den höheren Kosten, die jedes Verfahren mit sich bringt, alleine sitzen bleibt, ist noch in keinster Weise geklärt.

Margret


« Letzte Änderung: 23.11.16, 13:43 von Margret »

Offline cara

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Ich fand es ziemlich lecker, das Fleisch war himmlisch..
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