Ich bin ja nun eigentlich einer derer, die damals „systemgeschädigt“ waren. Ich möchte daher hier einige Gedanken zum Thema äußern, ohne auf andere Meinungen einzugehen, ohne Wertung in Richtung „Gut und Böse“, eben einfach Gedanken eines „Betroffenen“. Und natürlich mit einem gehörigem Schuss Provokation!
Einige wenige von Euch kennen ein wenig aus meiner Lebensgeschichte, vor allem den Teil, der sich nun nach 30 Jahren für mich abzeichnet. Ich will das hier nicht in allen Einzelheiten darlegen, bei Interesse könnt Ihr „privat“ von mir Teile der Geschichte bekommen. Nur zur Information und zum Verständnis, mir ist nun nach 30 Jahren ein Dokument in die Hände gekommen, in der Zwischenzeit besitze ich auch eine Ablichtung des Originals, das damals von der höchsten Auswertungsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit für die wichtigsten Leute in der Staatsführung in der höchsten Geheimhaltungsstufe erstellt wurde. Unter den 9 Empfängern fand ich Namen wie Hager, Lamberz, Krenz und Mittag. Dieses Dossier hatte damals sehr große Auswirkungen auf die Musikszene in der DDR. Und auf einer halben der 13 DIN-A4-Seiten wird über mich berichtet, über „eine dem Ministerium für Staatssicherheit namentlich bekannte Person, ein asoziales Element“. In diesem Zusammenhang befinde ich mich nun in losem Kontakt mit Autoren, die weitere Bücher über die Geschichte der Rockmusik in der DDR planen und wir haben uns auch über das Thema „Widerstand“ ausgetauscht. Als Zusammenfassung dieser kleinen Vorbemerkung, ich galt in den Jahren von ca. 1970 bis 1980 als „Staatsfeind“ in der DDR und war teilweise in dieser Zeit zur Fahndung ausgeschrieben, sollte ausgewiesen werden und blieb doch.
In einem Brief an einen Autor habe ich Folgendes zum Thema geschrieben:
„...., Deine Aussage war ‚Aber, ich will nicht klagen, denn ich war kein Feind des Systems.’ Ich war es eigentlich auch nicht, wurde zu einem gemacht. Nein ich habe nie mitgespielt, mache ich auch heute nicht, aber ein Feind? Ich glaube nicht! Das überlasse ich anderen, denen, die schon in der DDR ihr Scherflein ins Trockne brachten und dann später immer dagegen waren. (Ich konnte beim Geldumtausch einem Freund mein Konto zur Verfügung stellen, wegen den 3.000 eins zu eins, oder wie das war!) Aber ich klage auch heute nicht!“
Und ich denke so geht es wahrscheinlich einigen mehr aus der ehemaligen „Zone“. In den wilden Jahren habe ich, obwohl Kontakt zu fast allen systemkritischen Gruppen bestand, einen „wandelnden Hosenanzug“ und ähnliche Personen nie wahrgenommen, die heute als die Leute des Widerstands gelten, mit ganz wenigen Ausnahmen. Richtig ist sicher, dass sich auch in der DDR ein gewisses Maß von „Wohlstand herausgebildet hatte, die „Mangelwirtschaft“ und die Abschottung gegenüber dem „NSW“ (Nichtsozialistisches Währungsgebiet hieß das glaube ich) daher zu Unzufriedenheit in den meisten Teilen der Bevölkerung führte, aber es ist auch wahr, dass sich in der DDR bestimmte eigene Werte herausgebildet hatten, es wirkliche „Feinde“ des Systems wenige gab. Die Gedanken vieler gingen in Richtung einer Verbesserung des Ganzen, auch bei den „Montagsdemonstranten“. Andererseits lockte natürlich auch die „Freiheit“, oder wohl besser die DM, angebeteter Götze für alles, was da erstrebenswert erschien. Und die Leute waren blauäugig, um nicht zu sagen blond!
Und so kam die „Wiedervereinigung“, wohl auch zu einem Zeitpunkt, der auch der BRD recht gelegen war. (Sie erschloss sich in einer Krisensituation ein neuer Markt, schob damit Manches hinaus!) Aber für „Ossinormalbürger“ kamen nach anfänglicher überschwänglicher Begeisterung auch die „Schattenseiten“ der Freiheit! Es wurde abgewiegelt, alte DDR-Werte kamen auf den „Schrotthaufen“ der Geschichte. So musste mancher feststellen, die neue Freiheit ist in vielen Punkten an das Geld gekoppelt. Neben einigen Gewinnern gab es damit nun auch eine Menge „Verlierer der Einheit“, so hatten sie sich das Ganze nicht gedacht.
Aber irgendwann traf es auch den „Wessi“, nun musste er „Soli“ zahlen, um am „Aufbau Ost“ mitzuwirken, es ging an die eigene Geldbörse, betroffen war des „Wessis“ bestes Stück. Dabei ist den meisten nicht einmal klar, dass diese Gelder, für den Osten bestimmt, zu einem großen Teil dem Westen zu Gute kommen, man schaue einmal, woher die Firmen stammen, die mit diesen Geldern den „Ostaufbau“ durchführen. Und dann schaue man sich an, was da an „Gewerbegebieten“ für viel Geld erschlossen wurde und was heute tatsächlich dort steht! Es gibt genügend Beispiele dafür, dass die Fördergelder in den Sand gesetzt wurden. Die Auswüchse sieht man dann noch an Beispielen wie dem geplanten Pornosender in Mecklenburg, der fest auf staatliche Zuschüsse aus den Fördergeldern rechnet und dabei noch von den zu schaffenden Arbeitsplätzen spricht. Und dann begann der Ossi auch noch zu maulen, beklagte sich, dabei hätte er doch voll Dankbarkeit zum Wessi aufblicken sollen.
Ich glaube, das sind ein paar Hintergründe dafür, dass eine neue Mauer errichtet wurde, nun in den Köpfen der Menschen. Und das machen sich natürlich Radikale zu nutze. Dazu kommt, dass es tatsächlich Gebiete in Ostdeutschland gibt in denen sich die Lebensverhältnisse gegenüber früher verschlechtert haben. Nicht zu verkennen ist auch, dass im Westen nunmehr gleiches passiert. Auch ist es wohl so, dass Ossis und Wessis oft auch sehr wenig von einander wissen.
Nun bin ich von dem Ganzen ja kaum betroffen, so könnte man sagen. Ich stand den DDR-Verhältnissen immer kritisch gegenüber und ich sehe die heutigen Verhältnissen kritisch. Persönlich geht es mir nicht so schlecht, sieht man einmal vom Bruch in der Familie ab. Es ist mir gelungen damals wie heute durch Kenntnisse und Fertigkeiten einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Gut es fiel mir nicht leicht, als vor nunmehr 6 Jahren durch eine Versetzung durch meinen Dienstherren mein Lebensraum nicht mehr Sachsen sondern nun Unterfranken und Hessen wurde. Dabei erlebe ich heute manchmal ähnliches wie vor 30 Jahren. Auf Grund des nicht normkonformen Aussehens und des Umganges mit gesellschaftlichen Aussteigern habe ich nun im Hbf Frankfurt am Main „Hausverbot“, werde häufiger polizeilich überprüft. Damals war es Berlinverbot und die regelmäßige polizeiliche Vorführung. Selbst im jetzigem Beruf bekam ich das immer wieder einmal zu spüren, die Beförderung wurde aufgrund des Aussehens und abweichlerischer Gedanken durch den Vorstand immer wieder hintertrieben. Um so erstaunter war ich am Freitag, früh habe ich bei meinen Chefs noch rumgeflachst, habe behauptet, in der letzten Beratung der „Obrigkeit“ ging es um meine Beförderung, und knapp eine Stunde später wurde ich einbestellt und mir eröffnet, ihre Beförderung ist im Haus durch, der Geschäftsführer muss sie nächste Woche „nur“ noch im Rahmen des Haushaltes im Ministerium durchbringen. In unserer derzeitigen Situation ein kleines Wunder! Wie gesagt, eigentlich bin ich kaum betroffen.
Trotzdem mache ich mir so meine Gedanken. Ein paar davon stehen da oben und ich weiß, sie sind teilweise aus dem Zusammenhang gerissen. Vielleicht kann man trotzdem einmal darüber nachdenken? Denn eines ist doch sicher, die Zerrissenheit zwischen Ossis und Wessis dient doch vorzüglich den Radikalen, aber doch auch der Obrigkeit beim Durchsetzen von in meinen Augen unsozialen Anliegen. (Teile und herrsche!)
Lieben Gruß
Hans