Hallo,
ich möchte nun hier nicht unbedingt Suizide entschuldigen. Auch möchte ich nicht die Umstände darlegen, wodurch ein Mensch so weit kommt Selbstmord zu begehen. Es trifft junge Menschen, wie auch ältere.
Irgendwann ist er da, der Punkt, dem Leben ein Ende zu setzen. Es kommt mir oft so vor, als müsse dies so sein. Ist wohl dann der Weg dieses einen Menschens.
Habe in meiner Familie leider auch schon zwei Selbstmorde erlebt. Der erste war der Tod meines Großvaters. Damals war ich 12. Ich durfte es erst später erfahren. Für mich war es ein Trauma. So was braucht verarbeiten.
Der zweite Suizid war mein SV. Das ganze ist nun fast 2 Jahre her.
Was ich auch heute noch als sehr schlimm empfinde, das ist zum einen die Schuldzuweisung. Verwandte suchen immer die Schuld in der Familie zu finden. Wenngleich auch offensichtlich war, dass der Verstorbene zuvor schon unansprechbar war und die Familiensituation nicht gerade durch sein Verhalten vereinfacht hatte.
Zum anderen hat man keinen Ansprechpartner. Bei uns war es so, dass wir alle draußen waren und mein großer Sohn seinen Opa gefunden hatte. Wir haben dann zusammen versucht zu reanimieren.
Danach kam das Übliche: Krankenwagen, Kripo. Unser Großer wurde bis 3 Uhr morgens verhört (um 21 Uhr ist es passiert).
Kripo tat, was sie tun mußte und hatte alle Bekleidung von Georg mitgenommen und auch Fingernägelprobe.Obwohl wir eigentich alle zusammen waren, als SV Selbststmord beging. Georg war dann eben der erste, der ihn fand.
Nach dieser Aktion und Verhörung am darauffolgenden Vormittag der ganzen Familie war nichts mehr. Die Obduktion hat dann das ergeben tagsdrauf, was jeder schon wußte.
Und - wir - waren alleine. Jeder von uns und ganz besonders Georg hätte psychische Betreuung nötig gehabt.
Seither weiß ich wie schwierig es ist mit so was umzugehen. Es wird einem das Leben lang verfolgen.
Die Reaktionen der Familienangehörigen ist verschieden. Wut auf den Verstorbenen lösen sich ab mit Trauer und Schuldsuche bei sich selbst.
Das sind Phasen, die eine Familie schwer belasten. Das geht vermutlich Jahre lang so.
Verstehen kann einem eigentlich nur jemand, der selber so was schon mal mitgemacht hat.
Wenn man selber, so wie einige hier ja schon beschrieben haben, die Depression kennenlernt, die einem in die Tiefe zieht, dann kann man vielleicht auch mehr den Verstorbenen verstehen.
Da ist es vielleicht auch unentscheidend, welche existenzielle Not, welcher Druck aus der Umgebung oder was auch immer ihn dahin geführt hat, diesen Schritt zu gehen. Entscheidend ist, dass er in einer Phase des "Alleinseins" (und allein kann man auch unter vielen sein - die Leute können sich dann auch nicht wirklich öffnen) keinen Sinn mehr am Leben sieht.
Aber kann denn die Nachwelt dafür?
Die, welche hier bleiben, die sind es doch, die mit der Situation dann leben müssen!