Hallo,
ich war vor ein paar Tagen in einem Vortrag über Demenz. Der Vortragende war ein ehemaliger Pfleger, der jetzt selbst ein Pflegeheim leitet und auch eine Zeitlang eine Demenzabteilung geleitet hat. Hier ein paar Stichpunkte, vielleicht helfen sie dem einen oder andern:
Es gibt ca. 67 verschiedene Arten von Demenz.
Demenz ist keine Krankheit, sondern ein Zustand.
Alzheimer ist eine Krankheit, außer bei Untersuchungen des Gehirns kann man es am Verhalten feststellen. Alzheimer verläuft viel schneller als eine normale Demenz.
Alzheimerpatienten neigen zu aggressiven Äußerungen und Handlungen. Das Sprechvermögen lässt sehr schnell nach.
Man soll demente Menschen nicht mit Kindern gleichsetzen, eine jahrzehntelange Erfahrung, auf die sie sporadisch noch zurückgreifen können, unterscheidet das wesentlich.
Wollen demente Menschen nicht mehr essen, liegt es häufig am drastisch geänderten Geschmacksempfinden. Süß geht immer, der Herr hat von pürierten Schweineschnitzel mit Zucker erzählt, die irgendwo mal der Renner waren.
Der Trippelschritt von dementen Personen kommt nicht von der Unfähigkeit zu Gehen, sondern liegt am gestörten Raumempfinden der Menschen. Ein dementer Mensch kann oft nicht abschätzen, ob eine Wand Zentimeter oder Meter weg ist. Wenn man Trinken anbietet, empfinden diese Menschen das durch das entgegengehaltene Glas oft als Bedrohung. Sie erkennen das Glas nicht als solches, vor allem Alzheimerpatienten. Diese Unfähigkeit des Raumempfindens kann durch liebevolle Umarmung für kurze Zeit gebessert werden, sie zeigt dem Menschen, wo sein Körper endet und die Umwelt beginnt, dadurch wird dem dementen Menschen etwas Sicherheit vermittelt.
Werden demente Menschen geschimpft, dringt das tief in sie ein und verunsichert sie um ein vielfaches gegenüber einem anderen Menschen.
Wenn ein dementer Mensch jemanden für einen Verwandten hält, der es nicht ist, oder sich auf einem Bahnhof wähnt, während er im Altenheim steht, so soll man nicht mitspielen, sondern ablenkend fragen. (Der Peter? Was macht denn der Peter, wo wohnt er denn? Sie warten auf den Zug? Verreisen Sie denn gerne, wohin sind Sie schon gefahren?)
Sitzt ein dementer Mensch stundenlang am gleichen Ort, so ist ihm nicht langweilig. Er bearbeitet im Unterbewusstsein vieles aus seiner Vergangenheit. Wenn der Opa sagt, er sei noch nicht fertig, dann deutet das dahin, dass er noch Phasen seines Lebens verarbeiten muss. Es gibt die Theorie von Erik Erikson, der sagt es gäbe acht Lebensabschnitte, die Auswirkungen auf das Wesen und die Fähigkeiten eines Menschen haben, hat er die noch nicht entsprechend verarbeitet, geschieht das im Alter.
Ein dementer Mensch kann gut und frohgemut leben, so lange seine Umwelt seine Defizite auffängt. Das ist zuallererst meist der Ehepartner, später enge Bezugspersonen. Solange diese tun, was er nicht mehr kann, wird ihm sein Defizit nicht bewusst. Dies funktioniert aber nur so lange, wie die Bezugspersonen dies gerne und liebevoll leisten können, sobald die Leistungsgrenze erreicht ist, ist es besser, den dementen Menschen in entsprechende Fremdbetreuung zu geben. In einer Demenzabteilung sollten nur Pflegekräfte arbeiten, die ein tiefes Verständnis und eine gewisse Liebe für die dementen Menschen haben.
Demenz, wie auch Alzheimer sind nicht nachgewiesenermaßen erblich übertragbar.
Einen dementen Menschen verunsichern viele Fragen. Der Pflegende sollte nicht dauernd fragen, wie etwas sein soll, wie es gemocht wird. Bewährt hat sich die Fragestellung sinngemäß „Ist das gut so?“ Darauf kann der Demente leichter antworten, als wenn die Fragestellung immer wieder anders ist.
Demente Menschen haben ein ganz deutliches Empfinden für ihre Umwelt, sie spüren früher als wir, ob etwas ehrlich gemeint ist, ob die allgemeine Stimmung gut oder schlecht ist und reagieren darauf oft mit entwaffnender und manchmal brüskierender Deutlichkeit. Das darf man ihnen nicht übel nehmen.
Die Tagesform eines Dementen ist unterschiedlich, was an einem Tag gut geklappt hat, kann an einem anderen unmöglich sein.
Der Vortragende hat uns noch zwei Seiten Zusammenfassung mitgegeben, wer die haben will, dem maile ich sie gerne.
Schöne Grüße, Everl
PS: Vor kurzem hat mir eine Dame erzählt, dass sie die Ernährung ihrer pflegebedürftigen Mutter vollständig auf Bio umgestellt hat, wenig Fleisch, und sich diese heute den Haushalt wieder selbst führen könne. Jeder muss halt seine Lösung finden, die Dame ist übrigens Biobäuerin
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