Meine Oma hat zumindest beide Systeme miterlebt, erst das eine im Osten und dann das andere im Westen. Wenn es ihr im Osten als Kriegswitwe und selbstständige Bäuerin mit 2 Kindern so gut gegangen wäre, wie das Regiem und einige Nostalgiker es gern darstellen, dann hätte sie sicher 1955 nicht beide Kinder und je 2 Koffer in die Hand genommen und wäre in den Westen gegangen.
Sie hat nicht viel erzählt, weder von der Zeit des Krieges noch von der Zeit danach. Aber sie hat ziemlich deutlich dargestellt, dass sie es als Schikane der Führung empfunden hat, dass ausgerechnet ihre Kinder vom Lehrer zum Kohlenschaufeln abgestellt wurden und seine sich nicht die Finger schmutzig machen brauchten. Und sie hat auch eine Begebenheit erzählt, dass die Volkspolizei sie während wichtiger landwirtschaflicher Arbeiten (ich weiß nicht mehr, ob Ernte oder Aussaat) von Acker geholt habe, damit sie ihrer Wahlpflicht nachkommen musste. Ich habe heute noch das Lachen im Ohr bezgl. der WAHLpflicht, denn es gab ja keine freie demokratische Wahl.
Meine Mutter war 10 Jahre alt, als sie gingen. Sie sagt selber, sie sei ein Kind gewesen und das habe sich selbstredend wenig Gedanken über die politische Lage gemacht. Sie hatte eine schöne Kindheit, zwar ohne Vater, dafür mit einer tollen Mutter und mit Oma und Opa, Onkel, Tanten und Cousin.
Der Onkel, Bruder meiner Mutter, durfte 1982 zur Konfirmation meiner Brüder ausreisen. Er war einer der Bauern, die freudestrahlend und politisch rot durchgefärbt in die LPG eingetreten ist. Er hatte privat auf der Hofstelle immer Schafe und Gänse laufen. Dieser Onkel hat uns freudestrahlend erklärt, er habe im Oktober 12 lebende Gänse an die Annahmestelle für gutes Geld verkauft, sich im Handel der Nachbargemeinde 12 neue lebende Gänse für wenig Geld wieder gekauft und diese noch einmal in seiner Gemeinde teuer verkauft.
Sozialistische Marktwirtschaft der besonderen Art? Mag ja legal gewesen sein, uns Kindern, damals 12, 14 und 15 Jahre alt, kam das ja eher wie Betrug vor.