Ich habe in meinem Buch dieses Thema ja ein bisschen angerissen, aus ostdeutscher Sicht:
"Sie kehrte in die lärmende, nachkonzertliche Runde zurück, wo die Luft inzwischen zum Schneiden war und ihr Kopfschmerzen verursachte, außerdem griff die Müdigkeit jetzt unbarmherzig nach ihr. Die Männer hatten mittlerweile das Thema gewechselt und diskutierten, warum hier in der Gegend nur so wenige Menschen an Gott glaubten und ob das eine Ursache für die wachsende Verbreitung rechten Gedankengutes sei oder nicht. Die Landtagswahlen standen bevor, und die populistische Alternative Liste machte auch in Mecklenburg Furore.
Karen fühlte sich ein wenig in eine Verteidigungshaltung gedrängt, denn alle vier Gesprächspartner stammten aus den alten Bundesländern (Steven hatte zudem eine irische Mutter) und waren getauft, wie sich im Verlaufe der Diskussion herausgestellt hatte. Nun musste sie, als armes Heidenkind aus einem untergegangenen Staat, die Sachlage begründen, und sie verspürte an diesem späten Abend wenig Lust dazu.
Sie erklärte – wie man an ihrem Beispiel sehen könne –, dass eine Erziehung in der DDR durchaus eine humanistische Grundlage zu bieten hatte, dass letzten Endes, so wie überall, die handelnden Personen, also Eltern, Lehrer, Mitschüler den größten Einfluss auf die Entwicklung der Menschen ausgeübt hatten. Schon ihre Mutter, die vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf die Welt gekommen war, wurde zwar noch getauft, aber nicht mehr konfirmiert, teils aus Arbeitertradition, teils aus Auflehnung gegen eine katholische und streng konservative Schwiegermutter, teils aus sozialistischen, ideologischen Gründen. Aber es mochte schon so sein, dass vielen Menschen heute der Halt fehlte, der Glaube, und dass viele Menschen durch die Wende einen schweren Bruch in ihren Biografien erfahren mussten, der sie zutiefst verunsicherte. Wieviele solcher gravierender Umwälzungen ertrug ein Mensch in seinem Leben?"
Ich bin wie sehr viele meiner Altersgefährten atheistisch aufgewachsen. Schwer zu sagen, ob mir etwas fehlt...
Schwierig wird es sicher in komplizierten Lebenssituationen, bei Krankheit und Tod, wenn man nicht die Erwartung hat an ein Weiterleben der Seele nach dem Sterben.
An christliche Werte kann man sich trotzdem halten, auch an christliche Traditionen. Ich bin zum Beispiel kein Freund der Amerikanisierung und Verkitschung des Weihnachtsfestes, da mag ich es eher schlicht und ursprünglich. Aber ob es sich aufhalten lässt?
Lg
Müllerin