Hallo Domspätzle,
ich kann dir mal erzählen, wie das bei mir so gelaufen ist. Ich bin wesentlich älter als Du und hatte mit LW nie was zu tun. Mein halbes Leben habe ich an Flughäfen gearbeitet und war erfolgreich in meinem Beruf. Zuletzt machte ich Reisen ins Ausland. Als ich meinen jetzigen Mann kennen lernte, wußte ich zunächst nicht, dass er Bauer ist.
Unsere Freundschaft festigte sich aber trotzdem und es dauerte fast ein Jahr, bis er mich endlich mal mit zu sich nach Hause nahm und mir seinen Hof, das Vieh, Äcker, Wiesen und Wald zeigte. Von nun an verbrachte ich den größten Teil meiner Freizeit bei ihm, denn alleine zu Hause sitzen und auf ihn warten, bis er Abends mal Zeit hatte, das wollte ich auch nicht. Ich war auf dem Hof immer nur "zu Besuch", habe nie dort übernachtet aber überall mitgeholfen, wo ich konnte und mich interessiert. Nach 5 Jahren reifte in uns der Entschluß, dass wir noch ein Kind haben wollten und so machten wir Pläne, die man so macht, wenn man heiraten will.
Irgendwann war ich dann tatsächlich schwanger
und wir heirateten. In meinem Beruf habe ich bis zum Beginn des Mutterschaftsurlaubs gearbeitet. Auf den Hof gezogen und meine eigene Wohnung geräumt habe ich erst, als mein Sohn schon 3 Monate alt war.
Dann lebte ich auf dem Hof mit meinem Baby und meinem Mann und der SM. Bald übernahm ich die Melkarbeit abends. Morgens ging es nicht, so lange ich noch stillte. Weil meine SM aber wegen einer Hüft-OP längere Zeit abwesend war, war das Melken, die Kühe und Kälber bald mein Ressort und mir gefiel das. Ich war einige Wochen allein auf dem Hof mit Mann, Baby und den Tieren. Und ich habe es geschafft !!!
Trotzdem habe ich das ganze erste Jahr immer wieder überlegt, wie ich da jetzt rauskomme aus dem Schlamassel, den ich mir da eingebrockt hatte.
Bis zu dem Tag, als ich wieder von meiner Firma zur Weihnachtsfeier eingeladen wurde.
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, für wen und was ich mir jahrelang die Beine ausgerissen hatte, nächtelang Präsentationen und Angebote ausgefertigt habe. Von einem 8 Stunden Tag konnte bei mir nie die Rede sein, eine dritte Fremdsprache gelernt ........ und dann wurde mir auf einmal klar, dass meine Arbeit durch jeden anderen Kollegen genauso weiterlaufen konnte, wie ich es angefangen hatte. Ich bin also beliebig austauschbar gewesen. Und Anerkennung
Schulterklopfen
...... meine Begeisterung die ich für die Firma und meinen Job eingebracht habe
....für was eigentlich hab ich mich so engagiert ?
Ab sofort genoss ich es sehr, das Baby den ganzen Tag bei mir zu haben und trotzdem meine Arbeit auf UNSEREM Betrieb machen zu können und so zu UNSEREM Familieneinkommen einen nicht unwesentlichen Beitrag zu leisten. Andere "junge" Mütter müssen vielleicht ihr Kind schon bald zu einer Tagesmutter geben, weil sie auf ihren Verdienst angewiesen sind. Bei uns war es möglich mein Kind immer dabei zu haben oder mit Babyfon in der Nähe ( oder im Kinderwagen vor der Stalltür ). Und dann gab es eine Oma und einen Vater, die fast immer anwesend waren.
So habe ich die ersten 3 Jahre meiner Ehe auf dem Hof ganz gut rum gekriegt. Dann kam doch tatsächlich meine Fírma wieder auf mich zu, ob ich nicht vielleicht ein paar Stunden arbeiten könnte .... ? Obwohl ich es mir damals noch nicht vorstellen konnte ,wie das gehen soll, bin ich heilfroh, dass ich nach 3 Jahren Erziehungsurlaub wieder angefangen habe. Erstens gibt es Geld dafür,
ich komme wieder mit alten und neuen Kollegen zusammen. Es ist eine Arbeit, die ich wie im Traum beherrsche und Kind und Hof kommen auch nicht zu kurz. Ich arbeite an 3 Tagen in der Woche und bin von 12 Uhr bis 18 Uhr außer Haus. Das ermöglicht mir morgens und abends zu melken und so lange meine SM für uns kocht und auch sonst noch viel hilft, ziehen wir alle an einem Strang ; so lange kann ich in "meine" Arbeit fahren.
Mein Sohn wird in diesem Monat 12 Jahr alt und so lange bin ich jetzt schon hier. Meine Position als Bäuerin hier ist gut gefestigt. Das soll nicht heißen, dass es nur alles eitel Sonnenschein ist, mit SM und mit mir als "Außenseiter". Aber ich habe einen Sohn und einen potentiellen Hoferben. Das bekräftigt meine Position hier ungemein. Außerdem geht das eine nicht ohne das andere. Also ist Rücksichtnahme und Toleranz gegeben und das funktioniert eigentlich ganz gut.
Inzwischen kann ich ganz ehrlich sagen, ich möchte nicht mehr zurück in mein altes Leben. Ich bin zufrieden und sehe meine Aufgabe darin, unseren Betrieb mit meinem Mann zusammen zu erhalten und auszubauen, dass er etwas darstellt, was mein Sohn vielleicht mal weiter führen möchte, wenn er will.
Außerdem macht mir die Arbeit mit den Kühen (meistens) viel Spaß und ich genieße es, mir für "die eigene Tasche" die Beine auszureißen und das hat Priorität. Die Familie und der Betrieb.
Ach so...
in meinem früheren Leben war ich Verkehrsfachwirtin und viele Jahre bei der Lufthansa im Ausland. Jetzt bin ich Kuhbäuerin und meine Kühe sind mein Kapital und die Kälber unsere Zukunft.
Ich habe meinen Hafen gefunden und bin an Land gegangen ....