Autor Thema: Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkel-Kastration ab 1.1.2019 bzw. 1.1.2021  (Gelesen 26434 mal)

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Offline MargretTopic starter

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Einige Informationen und Perspektiven zur Impfung mit Improvac:


Eine angenehme Methode für den Ferkelerzeuger - da er nichts zum Thema Kastration machen muss... ;D

Positiv für das Ferkel:  es gibt keinen chirurgischen Eingriff !


Das für die Hodenbildung wichtige Hormon wird  mit Eiweiss "herausgefangen".
Dazu bedarf es mindestens zweier Impfungen im Abstand von vier Wochen, wobei die letzte ca. vier Wochen vor Schlachtung erfolgen muss.
Erst nach der zweiten impfung bildet sich der Hoden zurück. D.h. die Eber sind bis dahin schon ganz schön groß und aggressiv und zeigen gegeneinander und gegen den Tierhalter Eberverhalten.
Dieser Vorgang ist reversibel, was gut für die Arbeitssicherheit des Mästers und wohl auch für die gesellschaftliche Akzeptanz ist.
Z.B. werden in Australien männliche Renn-/Turnierpferde damit geimpft, damit sie in der Turnierphase ruhiger/unabgelenkter sind;  später kann mit ihnen aber gezüchtet werden (es dauert ca. 3 Monate).
Besser (aber aufwändiger !) erscheint die Methode, wo wie Eber drei mal geimpft werden. Das erste mal bereits mit ca. 30 kg,  das zweite mal mit ca. 65 kg und das dritte mal ca. vier Wochen vor Schlachtung. So wären die Eber bereits jünger weniger aggressiv (nach der zweiten Impfung).  Man hat aber damit drei mal den riesigen Aufwand  und Stress der Impfung und drei mal die Kosten für Impfstoff (je Impfung ca. 3 €).

Ich sehe durch das Impfen mit Improvac den Arbeitsschutz für den Mäster schon als gefährdet. Davor darf man sich gerne fürchten.   :-\
Bei uns z.B. gibt es ad libitum Fütterung aus dem Automaten, d.h. man kann die Tiere nicht mal an einen Trog locken und dann impfen wenn sie hungrig mit Fressen abgelenkt sind.
Da sehe ich schon recht große Unfallgefahr für den Mäster und ebenfalls eine gewisse Quote Pikser, die im Gerangel vielleicht nicht gelungen sind. 
Mindestens ein großes Schlachtunternehmen lehnt deshalb bisher die Methode der Imfpung mit Improvac ab, da sie die Verletzungen im Nackenbereich fürchten und zu bedenken geben,  dass ab und zu Fremdkörper bleiben wenn bei ruppig sich abwendenden Tieren die Nadel stecken bleibt.

Wie groß die Belastung / der Stress (Tierschutz !) für die mehrfach geimpften großen Tiere ist, kann ich nicht sicher beurteilen.

Kritisch ist auch,  dass es nach den vorliegenden Erfahrungen immer einige Prozent Impfversager gibt, so dass die mit Improvac geimpften männlichen Tiere an der Schlachtstätte behandelt werden müssen wie naturbelassene Eber. 
D.h. es muss jeder auf abweichenden Geruch geprüft werden. Das macht viel Aufwand und kostet mehr Geld. 
Leider werden viele (kleinere) Schlachthöfe dieses Verfahren nicht anwenden können ("Schnüffler" zu beschäftigen und den Mehraufwand zu treiben), so dass sie voraussichtlich entweder nur noch weibliche Tiere annehmen oder kastrierte männliche oder ganz aufhören mit Schlachten.  Dieser Prozess ist auch nicht gerade erwünscht, denn so  werden ggf. die Transportwege für die Schlachttiere länger, was belastender ist.

Ganz kritisch ist auch vom Tierschutzgedanken her zu sehen,  dass bei den spät geimpften Tieren so viele Verletzungen auftreten wie bei  echten Ebern; gerade auch im Genitalbereich. Weil sie erst spät keine Eber mehr sind und weil es teilweise Impfversager gibt.
(Diese Aggressionen liegen übrigens nicht an der beengten Stallhaltung sondern schlicht am männlichen Verhalten - dies zeigten Untersuchungen der Tierverhaltensforscher der Uni Hohenheim  an Wildschweinkeilern, die etwa dieselbe Verletzungs- und Vernarbungshäufigkeit zeigten wie Stalltiere.)


Es ist allgemein sehr bedauerlich, dass durch die drei oder vier künftigen Verfahren die gewachsenen und bewährten Vermarktungswege häufig so nicht mehr funktionieren.
Der Ferkelerzeuger kann gar nicht so frei entscheiden, welchen Weg er einschlägt;  er muss dies mit seinen Ferkelkunden abstimmen.
Diese müssen vorher abklären, wie und mit wem sie wo künftig ihre Masttiere vermarkten können. 
Die Schlachtstätten müssen vorher abklären, was ihre Abnehmer wollen / ablehnen.
So verzettelt sich vieles, was bisher rund lief.

Wer hat Ergänzungen ?

Margret


« Letzte Änderung: 23.11.16, 11:31 von Margret »

Offline cara

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Hallo Margret,

danke für das ausführliche Posting.

Der Mäster, der unsere Ferkel über einen Händler bezieht, sagt klar und deutlich, er spritzt kein Improvac.
(Ok, er ist schon im Rentenalter und ob der Sohn das weiterführt, wenn der Vater nicht mehr helfen kann, wage ich zu bezweifeln.)

Gestern habe ich mit einem Berufskollegen gesprochen und er meint, dass die Zielsetzung der Tierschützer in dieser ganzen Diskussion ist, die Schweinehaltung in Deutschland komplett zu unterbinden.
Die Perspektiven finde ich insgesamt nicht erfreulich. Mal schauen, wie es weitergeht.


prima. Dann kommt das Schweinefleisch dann halt aus dem Ausland, wo die Richtlinien noch geringer sind.
Die glauben doch nicht ernsthaft, dass dann in D kein Schweinefleisch mehr gegessen wird.
Waren das Tierschützer oder Tierrechtler?
LiGrüss cara

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@ cara:

vor dem Ausstieg aus der Schweinehaltung und der Einfuhr ausländischen Schweinefleisches kommt,  dass die kastrierten Ferkel aus dem Ausland wie z.B. Dänemark geholt werden (zumindest wenn keine deutsche Herkunft der Ferkel gefordert wird).

Nach derzeitigem Stand ist und bleibt in Dänemark Kastrieren erlaubt mit postoperativen Schmerzmitteln.

Das ist natürlich ganz klar eine Wettbewerbsverzerrung, wo die deutschen Ferkelerzeuger das Nachsehen haben.
Tierschutzrecht ist nationales Recht.

Margret

Offline cara

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@ cara:

vor dem Ausstieg aus der Schweinehaltung und der Einfuhr ausländischen Schweinefleisches kommt,  dass die kastrierten Ferkel aus dem Ausland wie z.B. Dänemark geholt werden (zumindest wenn keine deutsche Herkunft der Ferkel gefordert wird).

Margret

Aber was willst du machen, wenn der LEH keine kastrierten Tiere mehr abnimmt? Dann helfen dir die dänischen Ferkel auch nicht weiter.
Und es ist jetzt an der Zeit, sich die verschiedenen Alternativen anzuschauen und mit allen Beteiligten auszuprobieren. Der Cut-Off ist niczt mehr weit hin.

Wirksamkeit von Improvac hängt auch sehr vom Immunstatus der Schweine ab, habe ich letztens gelernt. Wenn da eh schon einiges im Argen ist, kann die Impfung schon mal nicht anschlagen.
LiGrüss cara

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...aber "toll" ist doch,  dass es sicher in Kraft tritt und angeblich gut für Tierschutz ist. Wenns so wäre... :-\

Margret (sehr frustriert,  da ich Hoffnung hatte, die Methode der örtlichen Betäubung mit Lidocain-Injektion wäre praxistauglich)
« Letzte Änderung: 30.11.16, 14:38 von Margret »

Offline frankenpower41

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Wenn ich das alles so lese, dann ist es wohl so, alles beschlossen, nur an Umsetzung hapert es gewaltig.
Die Mehrkosten bleiben sicher mal wieder beim Erzeuger.
Wenn einem da die Lust vergeht, wen wundert´s

Ich kenne es genauso wie oben öfters beschrieben. Wir hatten daheim auch Muttersauen und mein Vater ist auch
zu anderen Landwirten und hat kastriert, da waren wir als Kinder öfters dabei.  Gequietscht haben die Ferkel eher beim fangen und wenn es vorbei waren, hat man nicht gedacht dass denen groß was fehlt.
Aber bei all der "Vermenschlichung"  der Nutztiere darf man so etwas gar nicht sagen, da haben diejenige, die noch nie mit Tieren zu tun hatten, sowieso mehr Ahnung. (Ironie)

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Seit einiger Zeit bildete sich ja heraus,  dass die sog. Lokalanästhesie kommen könnte.
Da hat sich m.W. sogar der Bundeslandwirtschftsminister dafür eingesetzt.

Und nun das:  die Bundestierärztekammer (diese "alten Herren" sind nicht zu verwechseln mti den praktizierenden Tierärzten !!!) sagt  "Betäubungsmitel gehören nicht in Laienhand !" und spricht sich dagegen aus,  dass der Tierhalter die Lokalanästhesie anwenden darf ! 

Ächz ! Was haltet ihr davon ?  Was meinen eure praktischen Tierärzte dazu ?

Margret
« Letzte Änderung: 09.06.17, 15:25 von Margret »

Offline Suri

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.... die Zeit läuft und immer noch nichts Konkretes ....  ???

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...und noch immer gibt es m.W. nichts Konkretes - auußer dass alles zum 1.1.19 in Kraft tritt. :P :P :P
Oder ist mir da etwas entgangen ?!

Sind sich die, die von euch noch (und weiterhin) Ferkelerzeugung haben, schon sicher, welchen Weg sie einschlagen werden ?
Also wir sind noch immer ratlos und von keiner der Methoden überzeugt. ???

Die hiesige Landesanstalt für Schweinzucht  in Boxberg hat für 12.6.18 einen Info-Tag "Alternativen zur betäubungslosen Kastration"  ausgeschrieben.  Gestern meldeten wir an - es war erst die zweite Anmeldung !  Kein Interesse an dem Thema ? Oder hören alle auf zum 1.1 ?  Oder sind sich schon sicher ?

Ich fände einen Austausch hier wirklich interessant.

Margret

Offline Gerli

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Hallo Margret,
wir hören ja nächstes Jahr auf und darum interessiert es uns auch nicht mehr so sehr, was da letztendlich beschlossen wird. Ändern können wir ja sowieso nichts dran. Es wird wohl der vierte Weg kommen, die Kastration mit Lokalanästhesie. Alles andere ist doch nicht praktikabel.
Aber es ist schon verwunderlich, dass man so lange darüber diskutiert und keine vernünftige und vorallem praxisnahe Lösung anbieten kann. Da sieht man doch, dass da ganz viele Theoretiker mitreden, die bestimmt noch nie ein Ferkel selbst kastriert haben.
LG Gerlinde

Das Gestern ist schon fort, das Morgen noch nicht da. Lebe also heute!

Offline Suri

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Hallo Margret,

haben wir da denn eine WAHL?

Wir haben auch noch keine Lösung  :(.

LG Susi
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Offline MargretTopic starter

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So,  nun ist es endgültig durch. :'( :'( :'(

Suchte und fand gerade im Netz unter "BundesratKOMPAKT",  dass der Bundesrat heute beschlossen hat, es gibt keine Übergangsregel für betäubungslose Ferkelkastration.

Margret  :-\ :'(

Offline Suri

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Hallo Margret,

das war eigentlich zu erwarten, aber die Hoffnung stirbt zuletzt  :(.

LG Susi
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Offline Gerli

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Wir waren gestern beim DBV-Veredlungstag in Röthenbach, wo das ein zentrales Thema war. Jeder hoffte heute auf die Abstimmung und es wurde einem nahe gelegt, mit zur Demo nach Berlin zu fahren.

Was ich nicht verstehe, dass die anderen Länder es dürfen und wir nicht. Dann kommen die Ferkel von Dänemark  zum deutschen Mäster gefahren und sind dann so kastriert, wie es bei uns verboten ist. Wo ist denn da bitte die Logik?

Was beim Zahnarzt beim Menschen funktioniert, wieso soll das im Stall beim Ferkel nicht erlaubt sein? Ein Irrsinn, mit was für Argumenten man sich da zufrieden geben muss. Und wenn ich die Tierschützer schon sehe, die da in Berlin standen  >:(.

Die Stimmung der anwesenden 400 Teilnehmer gestern war sehr gedrückt (so habe ich es empfunden) und das Thema der Veranstaltung: "Wo sind die Perspektiven für die deutschen Schweinehalter?" um die es ja bei dieser Fachtagung ging, konnten nicht zufriedenstellend beantwortet werden und es blieben leider viele Fragen offen.

LG Gerli


 
Das Gestern ist schon fort, das Morgen noch nicht da. Lebe also heute!

Offline Lise

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Hallo Gerli,
ich war gestern auch in Röthenbach. Ich war und bin noch immer sehr gedrückt. Für mich wird immer klarer, dass man die Tierhaltung in Deutschland abschaffen will. Jeder redet um den heißen Brei, keiner sagt was sie wirklich vorhaben. Wenn ich den Herrn von Lidl höre, dass die Verbraucher mehr darauf achten wo und wie das Tier gelebt hat und dass sie sich gesund ernähren.... Wir hatten letzte Woche das Schweinemobil vor einem sehr gut besuchten Einkaufsmarkt den ganzen Samstag Vormittag stehen. Maximal 10 Personen haben mal reingeschaut! Das sagt doch, wie sehr sich die Verbraucher interessieren. Lidl, Aldi und Co. schieben das doch nur vor, wir werden immer mehr gezwungen dies oder jenes zu tun oder lassen und bekommen nicht mehr.
Bin sehr frustriert und bin mir nicht mehr im Klaren, ob wir bis zur Rente Tierhaltung betreiben können.
L G Lise