Hallo Maria
Du hast einen wichtigen Aspekt noch reingebracht, heute wird gleich psychologische Betreung angeboten, damals mußten die Menschen und Kinder vor allem alleine damit zurechtkommen. Es war wohl oft ein starker Überlebenswille da, dann wurde viel verdrängt, es wollte niemand davon hören oder berichten.
Auch meine Tanten, die die Vertreibung aus dem Sudetenland miterlebten, sind heute oft noch voll Bitterkeit, wenn sie daran denken. Sie waren mir nun dankbar, als ich ihre Geschichten für die Familienchronik aufgeschrieben haben wollte. So konnten sie auch die schönen Kinderjahre auf dem Elternhof im Egertal noch miteinbringen. An meine verstorbenen Großeltern erinnere ich mich als gläubige Menschen, die viel beteten und trotz des Verlustes ihrer Heimat uns Enkel wunderbar betreuten.
Nun noch mal Ostpreußen:
Meine Mutter war damals 22 Jahre als ihr die Flucht geglückt war, Schicksal.. Gottes Vorsehung???
Wie es ihr sonst ergangen wäre, kann man bei dem nachfolgenden Brief erahnen.
Eine Frau von den Gutsarbeitern schrieb diesen an die Gutsfrau W. vom Henriettenhof, die sich in Norddeutschland niedergelassen hatten. Ich habe diese Kopie mit deutscher Handschrift nicht vollständig entziffern können, deshalb ein paar Lücken.
Brief der zurückgebliebenen deutschen Familie Bratschke über die letzten Tage in Ostpreußen
(Arbeiterin des Gutes Henriettenhof)
Groß N..... (Sachsen) ,den 8.9.46
Werte Frau W.!
Ich habe ihren werten Brief erhalten und danke ihnen, daß sie sich auf meine Karte hören ließen, denn ich habe mich die ersten Tag so verlassenen gefühlt so in der fremden Gegend, und man freut sich ,wann man von hiesigen (bekannten) Menschen paar Zeilen hört.
Nun liebe Frau W., sie können sich gar nicht vorstellen, was wir für ein Elend durchgemacht haben, als der Russe kam.
Am 28.1. 45 um 8 Uhr morgens kamen die ersten Russen auf das Gut rauf, wir wollten noch flüchten des Nachts um 2 Uhr, aber die Russen waren schon auf der Straße. Als die ersten Russen raufkamen, haben sie uns deutsche Menschen alle zusammengetrieben ins Strohhaus, wo die gefangenen Russen früher waren, und die Polen und Weißrussen durchstürmten unsere Wohnungen. Dann kamen die Russen und frugen wo der Gutsherr ist, dann haben sie alle deutschen Männer gruppenweise rausgestellt zu je 8 Mann. Wir Frauen waren der Meinung , die Männer gingen zur Arbeit. Wir Frauen mit Kinder saßen nun 4 Tage und Nächte ohne Essen und Trinken, die gefangenen Frauen und Mädchen wurden von den Russen vergewaltigt. Als sie uns nun genug gequält haben, ließen sie uns nach 4 Tagen raus.
Mein Gott, liebe Frau W. die Kühe und Schweine liefen draußen hungrig rum, die Kühe ohne gemolken (zu sein), die Feldscheune brannte, die Flüchtlingswagen auf dem Hof- alles umgeworfen, die Toten lagen an allen Ecken, nur Russen waren wie Bienen auf dem Hof.
Nun gingen wir in unsere Wohnung, wir fanden kein Kleidungsstück mehr oder was zum Essen. Die Wohnung war ganz leer, bloß die Möbel umgeworfen. Wir hatten nun nichts zu essen und kein Stückchen Brot. Dann kamen die Russen und lachten so höhnisch.
Als sich die Russen etwas verzogen hatten, gingen die Kinder und alten Frauen und haben dem Vieh was zu fressen gegeben und gemolken.
Aber was fanden die da? Die Haufen mit Leichen. am Futterspeicher lagen die ersten 8 Mann erschossen und erstochen, dann im Schweine Garten lagen die zweiten 8 Mann tot und liebe Frau W., da fanden wir unseren armen unschuldigen Schwiegervater auch tot. Dann hinter der Scheuer lag der dritte Haufen, da war Fritz ..Jordan ...Schwiegersohn , der schwer Kriegsbeschädigte. Am großen Speicher lag ein Mann am Strohhaus und Zimmermanns‘ seine Frau.
Dann als der Russe uns aus dem Elend los ließ, haben sich 18 von den Flüchtlingen, die am 27.1.45 auf unser Gut raufkamen. aufgehängt. –9 bei ...Hubomanski und 9 beim Kindergarten, die konnten es nicht mehr aushalten. Es war zum Himmelschreien !
Den alten Opa von Wolf und Willi Zimmermann haben auch gleich die Russen mitgenommen und die waren bis jetzt noch nicht zurück. Und vom Drüsch den alten Schäfer und Martha auch am selben Tag mit ,- und Frau Schäfer mußte unter den ganzen Russen allein nach Rastenburg ins Lager, wo alle Deutschen waren. Und am 27.3.45 wurden von uns denn die jungen Mädchen und Frauen mit den großen Lastwagen verschleppt.... Schwer Elli,Frieda Jordan, Grete Wolff und Frau Wolff, die kamen nach Russland und die anderen alle nach Bartenstein und
Rastenberg.
Ich, Frau Konn, Frau Schwegerski, wir waren zuhause, wir dankten dem lieben Gott, daß wir bei unseren Kindern waren. Ich hatte 6 fremde Kinder und meine 3 eigenen trotz der schweren Zeit zu ernähren, und Frau Schwegerski 12 Kinder.Die Frau Schwegerski, die Frau.Jatt, die Traute Jahn haben die Russen mitgenommen. Der Kurt beim Militär und der Horst ist tot., und der kleine Herbert hat beide Augen verloren. Frau Wolff ist in Russland gestorben, hat Frieda Jordan geschrieben und von Traut Schwegerski ist keine Spur. Nun Frau W., sonst steht alles auf
ihrem Gut, außer der Feldscheune, die ist abgebrannt. Der Bienenstand ist ein Trümmerhaufen.
Im Wohnhaus ist alles zerschlagen und zertrümmert, wenn man vor die Tür kommt hat man schon genug. Und vom Hof hat der Russe und der Pole alles, alles runtergeholt, da ist auch nichts. Was da noch so vom Russen übrigblieb,das hat der alte Lange mit den Polen, die in Schönfließ hausieren , geholt.
Wir waren bis zum 21.3.46 zuhause im Henrietten Hof, wir mußten schauen, wie wir unsere Kinder ernährten.Und am 25.3. sollt ein Transport nach dem Reich gehen, und zwar aus Korschen, und wie wir hinkamen,da ging kein Transport, sondern der Pole hat uns eingesperrt und uns das letzte weggenommen, und am nächsten Tag ließ er uns raus, da mußten wir sehen, wo wir ein Dach über dem Kopf bekommen, und da waren wir bis zum 1.6. Da bin ich mit meinem 3 Kindern alleine mit einer deutschen Lok ins Reich gefahren und meine Schwiegermutter ist auch gestorben. Frau Kowaleski ist auch tot, die starben alle an Typhus. Vor dem Herrenhaus liegen 13 Tote begraben. Im ganzen waren 54 Leichen auf dem Henriettenhof.
Wir haben von unserer Wirtschaft auch nicht ein Pfanche.Ich mit meinen Kindern habe nichts als das , was wir auf dem Körper haben. Wenn ich Wäsche hab, dann muß Gerhard im Bett bleiben. Von meinem Mann weiß ich nichts.
Nun Frau W., sind sie mir nicht böse, daß es so lange ( gedauert hat)
Es grüßt sie Frau Bratschke und Kinder.