Autor Thema: Milchlieferboykott - was kommt danach?  (Gelesen 88372 mal)

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Offline phil

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Re: Milchlieferboykott - was kommt danach?
« Antwort #270 am: 10.07.08, 21:32 »
Ich hab mal im "Nebenjob" ein bissle ein Pöstle in der Industrie gehabt.Wenn wir bei jeder Neuentwicklung bei der ersten Änderung den Konstrukteur entlassen hätten,hätten wir keine andere Arbeit gehabt als Rausschmeißen und Einstellen und es wäre nie was Neues entstanden.


Und ähnlich sollten wir auch dem BDM ein paar Fehler zugestehen.Ich seh halt hier ein paar Ansätze,die mir gefallen:
Landesweit mit internationalen Verbindungen.
Ich denke die durchschauen den Milchmarkt besser als der Bauernverband.
Bringen Bewegung in den Laden(Ohne BDM gäbs keine Bauernmilch)
Ziel flexible Mengensteuerung.
Mir imponiert wie die Organisation aufgebaut wurde.


Das mit dem Quotenerhalt hab ich von Anfang an bezweifelt und momentan in D die 43 cent durchsetzen wollen sollte man nur als Vision sehen.

Was die Vermarktung durch das EMB betrifft:

Die BDM-Mitglieder sollen doch ca. 40% der deutschen Milchmenge kontrollieren.Ich denke im Durchschnitt werden es sich die deutschen Molkereien nicht leisten können auf 40% der einheimischen Milch zu verzichten.Um für Kartellamt und Politik ein Wettbewerbsbild zu kreieren wäre ein neuer Player doch ganz sinnvoll.Warum soll eine Molkerei nicht 40% der Milch vom EMB und 60% von der örtlichen MEG beziehen?
Und wenn ein paar Bauern direkt mit der Molkerei abschließen fördert es erstmal das Wettbewerbsbild.Man muß dann halt aufpassen,daß es nicht zu viele werden. ;D
Wenn der BDM dann mal einen Vertrag mit einer Molkerei abgeschlossen hat,dann gibt es für die Vertragslaufzeit halt eine Andienungspflicht.
Die Bäume werden sicher nicht gleich in den Himmel wachsen,aber ich würde das momentan als sinnvolle Weiterentwicklung sehen.

Wahres Wort ist nicht schön-schönes Wort ist nicht wahr!(Konfuzius)

Offline Andreas

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Re: Milchlieferboykott - was kommt danach?
« Antwort #271 am: 11.07.08, 10:28 »
Süddeutsche Zeitung, 11.07.08, Bayern:

"Unser größtes Problem ist der Bauernverband"

Milchbauern planen Massenaustritte
Konkurrenzkampf der Standesorganisationen wird schärfer / 1600 Landwirte protestieren im Oberland
Von Christian Sebald
Ohlstadt - Es ist nachts um halb elf, jeder der über 1600 Milchbauern im Bierzelt hat einen langen Tag hinter sich. Doch noch immer hängen sie dem Mann vorne am Rednerpult gespannt an den Lippen. Romuald Schaber senkt die Stimme. "Unser größtes Problem", sagt der Allgäuer Landwirt, der seit dem Milchlieferboykott der bekannteste Bauer der Republik ist, "unser größtes Problem ist der Deutsche Bauernverband. Der unterstützt unsere Forderungen nicht, sondern verfolgt seine eigenen Ziele." Unten auf den Bierbänken ist es mucksmäuschenstill. Selbst hinten, wo vorhin gelacht wurde, hören sie gebannt zu. "Deshalb müssen wir Druck auf den Bauernverband machen", sagt Schaber, "wenn es sein muss mit Kündigungen und Austritten." Da bricht lauter Beifall los, Schabers nächste Worte gehen darin unter.
Es herrscht eine eigentümliche Stimmung unter den Milchbauern im Alpenvorland. Fast sechs Wochen sind vergangen, seit Romuald Schaber, 51, und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) die Milchbauern zum Lieferstreik aufgerufen haben. Zehn Tage lang schütteten sie ihre Milch weg und setzen die Molkereien unter Druck. Viele waren zuversichtlich, endlich die jahrelange Forderung nach einem kostendeckenden Milchpreis durchzusetzen.
Die Solidarität war groß. Nicht nur die Verbraucher bekundeten ihre Sympathie für die Bauern. Egal ob Günther Beckstein, Erwin Huber, Josef Miller oder Horst Seehofer, es gab keinen wichtigen CSU-Politiker, der sich nicht mit den Milchbauern solidarisiert hätte. Auch der Deutsche Bauernverband mit seinem Präsidenten Gerd Sonnleitner sprang auf den Zug auf. Wie die Molkereiwirtschaft wurden auch Sonnleitner und sein Verband von der verzweifelten Wut der Milchbauern völlig überrascht. Bald signalisierte der Lebensmittelhandel Einsicht, die Discountkette Lidl machte den Anfang und erhöhte den Milchpreis. Das Plus sollte direkt an die Bauern fließen.
Und nun? Seit vier Wochen verhandeln Seehofer, der BDM, der Bauernverband und die Milchwirtschaft in Berlin, ohne dass sich ein Durchbruch abzeichnet. Der Lebensmittelhandel hat die Preiserhöhungen zum Teil wieder rückgängig gemacht. Die Milchwirtschaft erklärt, die Milchpreise hätten im ersten Halbjahr 2008 um fast acht Cent höher gelegen als ein Jahr zuvor. Die Milchbauern dagegen beklagen, für sie habe sich nichts verbessert. Und Bauernpräsident Sonnleitner hat sich vergangene Woche auf dem Bauerntag scharf vom Milchstreik distanziert. Aus Sicht vieler Milchbauern hat er damit wieder einmal klar gemacht, dass er den BDM nicht ernstnimmt. Stattdessen, so klagen sie, koche der Bauernverband sein eigenes Süppchen. An diesem Abend, in diesem Bierzelt in Ohlstadt bei Garmisch, sehen das fast alle Bauern so. Sie plagt die Furcht, dass sie im Spiel der großen Verbände und Konzerne wieder einmal die Verlierer sein werden.
"Sonnleitner muss weg"
Auch wenn es immer später wird und etliche Bauern von weither gereist sind, denkt keiner ans Heimfahren. Dazu ist der Frust viel zu groß. "Leut", vergesst"s nicht, wer all die Jahre immer Versprechungen gemacht hat, und es ist nie was dabei rausgekommen", ruft einer ins Mikrophon. "Jetzt müss"ma endlich Konsequenzen zieh"n." Die Appelle des Garmischer CSU-Landrats Harald Kühn und des örtlichen CSU-Landtagsabgeordneten Johann Neumeier, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen, verhallen ungehört. Bauernverband-Funktionäre, die für den Schulterschluss zwischen Bauernverband und BDM eintreten, melden sich erst gar nicht zu Wort. "Der Sonnleitner muss weg, sonst werd" des nix", schreit ein Bauer über die Biertische hinweg. "Denn wie soll des geh"n, dass der sowohl nord- und ostdeutsche Großbetriebe vertritt, die keine Milchquote wollen, wie uns, die wir ohne nicht überleben können?"
Seit Tagen gehen im Oberland und im Allgäu Spekulationen um, dass es bald massenhafte Austritte aus dem Bauernverband geben könnte. Eine solche Abspaltung wäre nicht nur ein Denkzettel für Sonnleitner. Sondern vor allem ein Signal an die Minister Seehofer und Miller und die CSU, dass sich der BDM seit dem Lieferstreik als der eigentliche Interessenvertreter der Milchbauern versteht. Letzteres wiederholt Schaber seit vier Wochen unablässig. Die Bauern haben aber das Gefühl, dass die CSU sich weiter lieber an den Bauernverband hält. Der BDM möchte nun beweisen, dass er die Nummer eins ist. Massenaustritte aus dem Bauernverband würden unmissverständlich zeigen, dass die Landwirte auf seiner Seite stehen.
Der Konkurrenzkampf ist voll entbrannt. Schaber weiß das genau. An diesem Abend in Ohlstadt spricht er es offen an. "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, uns durchzusetzen", schwört er die Bauern ein, "dann stehen wir nächstes Jahr wieder vor der gleichen Situation wie dieses Frühjahr." Da war nicht nur der Milchpreis binnen Wochen um 30 Prozent abgestürzt. Sondern der BDM war für den Bauernverband und die meisten Politiker noch eine unbedeutende Splittergruppe.

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.160, Freitag, den 11. Juli 2008 , Seite 37

Offline Jochen

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Re: Milchlieferboykott - was kommt danach?
« Antwort #272 am: 11.07.08, 11:50 »
Zitat
"Denn wie soll des geh"n, dass der sowohl nord- und ostdeutsche Großbetriebe vertritt, die keine Milchquote wollen, wie uns, die wir ohne nicht überleben können?"

Siehste.. das ist das Dilemma..
Ein Bauernverband, der politisch für ALLE Bauern einstehen muß, kann nicht nur die Interessen eines Teils von Ihnen vertreten.

Zitat
dass sich der BDM seit dem Lieferstreik als der eigentliche Interessenvertreter der Milchbauern versteht.

Mag sein...

Was ist die Lösung? Einen Verband für Großbetriebe, einen für Kleinbetriebe, einen für Biobetriebe, einen für Milchviehhalter, einen für Bullenmäster, einen für Ferkelerzeuger, einen für Schweinemäster, einen für Futtermittelerzeuger, einen für Futtermittelkäufer usw....

Entweder einen großen Vernand, der in den Konflikt gegensätzlicher Interessen kommt, dafür aber politisches Gewicht hat oder lauter zerstrittene Splittergruppen?

Offline martina

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