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Landw. Familienberatung: Hilfreiche Gedanken

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Mirjam:
Hallo,

hier mache ich eine Box auf für alle Texte, Vorträge und Artikel die rund um die landwirtschaftliche Familienberatung geschrieben worden sind.

Die Texte wurden mir von Hr. Kroder und Hr. Hirt freundlicherweise überlassen und ich hoffe, das sie dem einen oder anderen helfen können zu verstehen.

Leider sind die Texte auch ein wenig aus dem Zusammenhang genommen. Auf der HP der Bundesarbeitsgemeinschaft für bäuerliche Familienberatung (Deutschland & Schweiz & Österreich) sind sie strukturierter aufgelistet und es finden sich dort auch noch viele Anregungen mehr:

www.landwirtschaftliche-Familienberatung.de


Ich möchte mich bei allen landw. Familienberater - ob hauptberuflich oder ehrenamtlich - herzlichst bedanken. Sie tun viel Gutes "draussen" bei uns und durch sie wird auch viel Leid verhindert oder gemildert.


Wenn Ihr auch solche Texte kennt und wir vom BT sie hierfür überlassen bekommten könnten - wäre es natürlich toll, wenn sie auch eingefügt werden würden.

Danke und viele Grüsse


Mirjam

Mirjam:
Hallo, hier folgt nun ein toller Text von Hr. Kroder der LFB Bamberg
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Konflikte in der Familie
 
 
Der Umgang mit Spannungen bei mir selbst und in der Familie
 
All unser Tun richtet sich darauf, keinen Schmerz zu erdulden und keine Angst empfinden zu müssen.; (Epikur, griech. Philosoph, gest. 271 v. Chr.)

 1. Menschliche Grundbedürfnisse:
 
Hunger, Durst, Sexualität. Bedürfnis nach Geborgenheit, Hautkontakt, Sicherheit, Schutz, Spannungsfreiheit, Angstfreiheit, Selbständigkeit, Verfügbarkeit über andere, Wertschätzung, Zugehörigkeit, Schmerzfreiheit.
 
Wenn diese, nach Alter und Situation verschiedenen, Bedürfnisse nicht angemessen erfüllbar sind, entsteht seelische Spannung als Schock, Schreck, Hilflosigkeit, Angst, Wut, Verzweiflung, Enttäuschung und Panik. Je jünger ein Mensch ist, desto weniger ist seine Seele in der Lage, diese Spannungen zu bewältigen.
 
Ausdrucksformen nicht bewältigter innerseelischer Spannungen sind u.a. Störungen des Erlebens (wie Angstzustände, Depressionen, Schuldgefühle, Wertlosigkeitsgefühle) des Verhaltens (wie Aggressivität, Gehemmtheit, Arbeits- und Konzentrationsstörungen, Suchtkrankheiten), Funktionelle Störungen (wie Essstörungen, Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerzen, Herzneurosen, Stottern, Bettnässen u.v.a.), Psychosomatische Erkrankungen (wie Magengeschwür, entzündliche Darmerkrankungen (Colitis), Asthma bronchiale, Ekzem, Migräne). „Gebrochenes Herz“ – Einsamkeit.
 

2. Zeiten besonders hoher seelischer Verletzlichkeit im menschlichen Leben
 
Vorgeburtliche Zeit, Geburt, das ganze erste Lebensjahr, das erste Selbständigwerden („Trotzalter“, Sauberkeitserziehung), 4./5. Lebensjahr (Ödipale Phase: Wahrnehmung der eigenen Geschlechtlichkeit), dann später die Pubertät.
Belastende Krisensituationen: Geschwistergeburt, Schuleintritt, Schulwechsel, Trennung der Eltern, Krankenhausaufenthalte, Tod eines nahen Angehörigen, Wechsel des Wohnorts, Arbeitslosigkeit, längerdauernde Stresssituationen u. a.
 

3. Grundformen der Angst

Die erste und tiefste Angst des Kleinkindes ist die Angst vor Trennung und vor dem Verlassenwerden, weil das Leben des Säuglings ja von anderen Menschen abhängt.
Dazu kommt später die Angst vor Liebesverlust, die Angst vor Strafe, die Gewissensangst und die Angst vor Verletzung des Kerns der eigenen Persönlichkeit (Kastrationsangst).
 
4. Situationen, in denen sich in Familien Spannungen häufen:
 
Beim Erziehen von Kindern (speziell bei Mahlzeiten, Streit um den Fernsehkonsum, Zubettgeh-Zeiten), an Wochenenden und Feiertagen (Höhepunkt ist Weihnachten!), bei Familienfesten, im Zusammenhang mit Schule, zwischen Geschwistern, Streit um das Verhalten und die Heimkehrzeiten bei Jugendlichen, zwischen Eheleuten.
 

5. Verschiedene Zeiten in der Ehe, die an die Partner immer neue Anforderungen
stellen, deren Bewältigung nicht selbstverständlich ist:
 
1. Phase der stabilen Paarbildung, 2. Aus dem Paar wird eine Familie, 3. Phase der mittleren Ehejahre mit der Verantwortung für Kinder, 4. Zeit der Ablösung der Kinder, 5. Altersehe.
 

6. Probleme und Spannungsfelder, die besonders Bauernfamilien betreffen:
 
- Entwertungserleben, Bitterkeit, Existenzangst, Hoffnungslosigkeit, Versagens- und Schuldgefühle im Zusammenhang mit der Krise in der Landwirtschaft;
- Überarbeitungssyndrom bei Bauersfrauen;
- Konflikte aus dem Zusammenleben und –arbeiten zwischen Jung und Alt;
- Die oft schwierige Rolle der eingeheirateten Schwiegertochter;
- Das fehlende Gespräch zwischen den Eheleuten;
- Vernachlässigung und frühe Überforderung der Kinder;
- Probleme im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus der Landwirtschaft;
- Überforderung durch Nebenerwerbslandwirtschaft.
 

. Bescheidene Hinweise zum Umgang mit Spannungen:
 
Vorbemerkung: Alle Eltern wollen gute Eltern, alle Kinder wollen gute Kinder sein.
Alle Menschen wollen b e w u s s t es sich und anderen recht machen!
 
- Sich selbst in seinen Bedürfnissen, in seiner Befindlichkeit spüren lernen.
Alle Gefühle, Wünsche, Phantasien sind zunächst grundsätzlich berechtigt und für den einzelnen w a h r . Seine Gefühle zu spüren und sie zu verstehen ist notwendig zur Erhaltung der seelischen und körperlichen Gesundheit.
 
- Ernstnehmen aller Äußerungen von Kindern als Ausdruck ihres Befindens und ihrer
Spannungen (kein Kind will z. B. bewusst nachts seine Eltern „terrorisieren“!).
 
- Beschämung, Entwertung, Demütigung, Lächerlichmachen von anderen Menschen, kleinen
und großen, sollten wir vermeiden. Demütigung vor anderen ist wie „seel. Totschlag“.
 
- Versuchen Sie einmal bei Konflikten, die Streitsache aus der Sicht des anderen zu sehen!
(Perspektivenwechsel, Einfühlung in den anderen, Verstehen seiner Motive).
 


 
- Trauen Sie es sich, sich selbst auch einmal in Frage zu stellen und die Schuld für einen
Konflikt einmal nicht zuerst beim anderen zu suchen!
 
- Wagen Sie es einmal, Ihr Verhalten oder Ihre Einstellung als erster zu ändern und erwarten
Sie einmal nicht, dass sich der andere zuerst ändert.
 
- Versuchen Sie einmal, „sich selbst über die Schulter zu schauen“ in kritischen Situationen
und halten Sie nochmals inne, bevor Sie „im Affekt“ handeln. Durch „schnelle Worte“ oder Handlungen (z. B. Schläge) wird in Beziehungen oft viel zerstört. Nicht alles ist wieder gut zu machen!
 
- Die Beziehungen in Familien und außerhalb bestehen u. a. aus einem Geben und Nehmen.
Niemand kann nur unendlich geben und nur da sein für andere und niemand kann andere über längere Zeit nur für seine Bedürfnisse in Anspruch nehmen ohne Gegenleistung. Überprüfen Sie einmal in Ihren Beziehungen den Stand der Verdienst- und Schuldkonten!
 
- Suchen Sie sich selbst Freiräume für Ihre Entspannung und Erholung! Setzen Sie diese
Freiräume durch und sichern Sie diese auch langfristig! (z.B. Mittagsschläfchen!)
 
- Suchen Sie zusammen mit Ihren Angehörigen festgelegte Zeiträume für freie, offene
Gespräche ohne Vorschriften „am runden Tisch“, wo alles angesprochen werden kann, was irgendeinen aus der Familie beschäftigt. Alle haben dabei gleiches Rederecht. Keine Aussage wird von den anderen bewertet. Alle anderen Störquellen in dieser Zeit ausschließen wie Fernseher, Getränke u. a. Keine „Diskussion“, kein Streitgespräch, sondern Zuhören! Mindestens alle zwei Wochen eine feste Stunde, nicht erst, „wenn´s brennt“!
 

Zum Schluss: Bertolt Brecht hat einmal gesagt: Es ist bereits ein großer Fortschritt, zur Befreiung, wenn einer sein Leid nicht mehr stumm erträgt, sondern laut klagt.“
 
Dieser Überzeugung bin ich auch.
 
 
 

Mirjam:

Hallo, ein toller Text von Hr. Hirt LFB-Augsburg:

Das „Familienhaus“
Auf dem Weg zu einem guten Miteinander



In der Arbeit der Bäuerlichen Familienberatung spielen familiäre Konflikte meist eine wichtige Rolle. Ein Modell, das die Richtung zu einem besseren Miteinander finden hilft ist das „Familienhaus“. Es hat sich in der Beratungsarbeit bewährt und so möchte ich es hier im Folgenden vorstellen. Das „Familienhaus“ ist ein Idealmodell, sozusagen ein Leitstern, auf den es sich zuzuentwicklen gilt, auch wenn man ihn nie ganz erreicht.

Der Baugrund
Unser Leben, unseren Lebensstil, unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten verdanken wir zu einem großen Teil unseren Vorfahren. Viele Opfer wurden gebracht, um das Leben an die nächste Generation weiterzugeben oder um z.B. den Hof als Lebensgrundlage für die Familie zu erhalten. Vieles Wertvolle haben wir als Kinder in unserer Familie bekommen. Es ist wichtig unsere Eltern und Großeltern dafür zu achten. In Westafrika werden die größten Feste an den Todestagen der Verstorbenen gefeiert als Ausdruck der großen Achtung, die ihnen entgegengebracht wird.



Natürlich war aber nicht alles optimal, was unsere Familien uns als Kinder geben konnten. Es liegt ein schweres Jahrhundert hinter uns, das unsere Kindheit mitgeprägt hat: Kriege, Hunger, Not, schweres Unrecht, begangen oder erlitten, haben tiefe Spuren in unseren Familien hinterlassen; als Verbitterung, Strenge, Härte, Gefühlsarmut... Wir stehen in dieser Generationenfolge und an uns ist es, ein Stück davon wieder heiler zu machen und uns mit Erlittenem auszusöhnen. Eine heute 60 jährige Bäuerin wurde als Kind nach der Geburt von ihrer Mutter zur Adoption gegeben. Lange trug sie später deswegen einen tiefen Groll ihrer leiblichen Mutter gegnüber mit sich. Im Alter war es ihr dann möglich ihrer noch lebenden leiblichen Mutter einen versöhnlichen Brief zu schreiben. Seitdem, sagt sie, lebe sie ein ganzes Stück leichter. Von ihrem Vater, den sie nie gekannt hatte, wußte sie, daß er Musiker war. Auch sie liebte die Musik und plegte sie bewußt im Andenken an ihn.



Das Leben unserer Vorfahren zu achten bedeudet gleichzeitig frei dafür zu sein, die Aufträge, die wir von ihnen mitbekommen haben, kritisch zu hinterfragen. Wir haben das Leben bekommen um es eigenverantwortlich zu gestalten. Es ist schön, die Tradition eines Hofes fortsetzen zu dürfen, aber nicht in jedem Fall und auf alle Kosten. Es ist schön, den Eltern von der empfangen Liebe etwas zurückzugeben, aber wir sind nicht dafür da, deren Träume zu verwirklichen, sondern die unseren. Ein Landwirt, Ende 40, mit einem stattlichen Hof, gerät in eine tiefe depressive Krise bis zum Suizidversuch. Er wollte eigentlich nie Landwirt werden und hatte von anderem geträumt. Doch hatte er sich dem Willen seines Vaters untergeordnet und 30 Jahre im ohnmächtigen Widerstand gegen seinen Vater etwas getan was er eigentlich nie wollte. Nun versucht er noch in späten Jahren, einen Ausstieg aus der Landwirtschaft zu finden.



Das Erdgeschoss
Im Erdgeschoss befindet sich normalerweise der Lebensbereich der ganzen Familie. Hier trifft man sich zum gemeinsamen Essen, verbringt gemeinsame Abendstunden, hier werden  Gäste empfangen und Feste gefeiert. zwei Türen sind für diesen Lebensbereich ganz besonders wichtig:



Es muß, erstens, eine Türe hin zum landwirtschaftlichen Betrieb geben die hin und wieder auch geschlossen werden kann. Der Betrieb nimmt großen Raum in der bäuerlichen Familie ein, oft bis zum zentralen Thema bei den Essenszeiten, und es ist auch gut, wenn hierin eine gemeinsame, verbindende Lebensaufgabe gesehen wird. Aber es muß auch Raum und Zeit sein für andere familiäre Themen und Lebensaspekte. Zeit zum Ausruhen und Entspannen, Zeit für einen gemeinsamen Spieleabend, für ein paar Tage Urlaub, zum Spielen und Spaßen mit den Kindern zum Konflikte Ansprechen und Austragen, für offene Gespräche miteinander. Immer wieder müssen dabei auch einseitige Familientraditionen überwunden werden. Wie der junge Landwirt der klagt, daß er es einfach nicht schafft guten Gewissens mit den Kindern zu spielen. Immer spüre er eine Art Antreiber in sich, der ihn zur Arbeit ruft und gegen den er sich kaum wehren könne. Und manchesmal ist es nicht nur eine innere Stimme, sondern es klopft tatsächlich ans Fenster und der Altenteiler ruft zum Weitermachen.



Und hier sind wir auch bei der zweiten Tür, der Tür zwischen Jung und Alt. Es ist schön, wenn diese Türe leicht aufgeht, wenn man wohlwollenden Zugang zueinander hat, sich gegenseitig aushilft in Haushalt, Betrieb, bei der Kinderbetreuung. Aber es muß diese Tür auch geschlossen werden können. Beide, Jung und Alt brauchen auch ihr eigenes, privates, eigenständiges Leben. Insbesondere die junge Ehe braucht diesen abgegrenzten geschützten Raum um zu einer neuen eigenständigen Familie zusammenzufinden, in der die Beziehungen miteinander an die erste Stelle rücken. Und es ist die Herausforderung vor allem für den jungen Landwirt, wohlwollend, doch klar und deutlich, sich gegen die Eltern abzugrenzen, sei es bei der Arbeit auf dem Hof, bei der Kindererziehung, den Essenszeiten oder der Freizeitgestaltung.

Das Obergeschoss
Im Obergeschoss sind traditionell das Schlafzimmer der Eltern und die Zimmer für die Kinder. Das Schlafzimmer, symbolisch gesehen für die Paarbeziehung, ist die wichtigste Basis für die ganze Familie. Wenn die Paarbeziehung leidet und krankt, dann leidet die ganze Familie, besonders auch die Kinder und häufig sogar der landwirtschaftliche Betrieb. Es lohnt sich deshalb, sich für eine lebendige Partnerschaft zu engagieren, eine eigene Kultur, eigene Riten zur Pflege der Beziehung zu entwickeln. Das können verlängerte Frühstücke sein, Spaziergänge am Abend, Partnermassagen, zum Tanzen, ins Kino, oder einfach zu einem guten Gespräch in ein nettes Lokal gehn. Oft muß dies gegen innere und äußere Widerstände immer wider neu errungen werden.



Es ist normal, daß Paarbeziehungen auch Krisenzeiten durchleben und zu bestehen haben. Wichtig ist dabei, daß die Kinder nicht in das Konfliktfeld geraten. Kinder haben im „Schlafzimmer“ auf die Dauer nichts zu suchen. Leicht sind Eltern in unerfüllten Paarbeziehungen versucht, in ihren Kindern einen Partnerersatz zu suchen oder sie als Verbündete im Streit mit dem Partner zu mißbrauchen; aber damit bekommen die Kinder einen schweren Balast für ihr eigenes Leben aufgebürdet.



Die Türen zwischen Eltern- und Kinderzimmer sind auch ein Symbol für die Grenzen, die Eltern ihren Kindern in der Erziehung setzten müssen. Kinder brauche Grenzen, um sich daran zu orientieren, zu reiben und in der Pubertät dann auch zu überschreiten. Aber schön ist es, wenn dann die Türen zueinander wieder geöffnet werden und die Kinder, Vertrauen, Nähe, Offenheit und Zärtlichkeit bei ihren Eltern finden können.

Das Dachgeschoss
In unserem Idealmodell des Familienhauses dürfen noch zwei wichtige Zimmer nicht fehlen, die wir hier bildlich im Dachgeschoss unterbringen. Zu was sind diese wohl noch notwendig? - Eine Paarbeziehung kann nicht wirklich gelingen, wenn nicht jeder Ehepartner einen Bereich für sich alleine hat. Mann kann nicht alle seine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse mit seinem Partner erfüllen. Damit wäre dieser schnell überfordert. Es ist gut, daneben auch noch persönliche Freundschaften zu pflegen, Hobbies zu entdecken, Geselligkeit und Anerkennung im Engagement in Vereinen und Organisationen zu erfahren. Jeder Partner muß sich alleine darum bemühen und je das eigene, das ihm persönlich gut tut, finden. Will man aber wirklich aus der eigenen inneren Kraft heraus leben, und das ist notwendig für eine langfristig beglückende Partnerschaft, so muß sich jeder der Partner auf die Suche nach seinen spirituellen Quellen machen und sich freie Zeit auch dazu gönnen.



Natürlich gibt es Phasen im Familienleben wo nur sehr wenig Zeit für diesen eigenen Bereich zu erübrigen ist; wenn die Kinder noch sehr klein sind, und/oder der Betrieb gerade einen größeren Entwicklungsschritt macht. Aber er darf nicht aus dem Auge verloren werden! Denn spätestens mit dem Ende der Erwerbsphase wird es sich rächen, diese persönlichen Interessen nicht entwickelt zu haben. Man wird sich schwer tun im Alter, wenn in jüngeren Jahren dazu noch kein Fundament gelegt ist.

Die Speisekammer
Wirklich gut leben läßt sich in diesem Haus aber erst dann, wenn die Speisekammer für emotionale Nahrung gut bestückt ist und rege davon ausgeteilt wird. Wir alle sind angweisen auf diese emotionale Nahrung wie Lob, Anerkennung, Dank, Wohlwollen, Zärtlichkeit, Humor, Trost und Ermunterung. Ohne diese können wir genauso wenig leben wie ohne körperliche Nahrung. Nur kann man sich diese  nicht selber geben; wir sind darauf angewiesen, sie voneinenader zu bekommen. Die Hölle wurde einmal beschrieben als ein Ort, an dem alle um einen großen, vollen, dampfenden und duftenden Topf guter Nahrung sitzen. Nur die Löffel, die jeder in der Hand hält, haben viel zu lange Stiele um sie an den eigenen Mund führen zu können. So sitzen in der Hölle ausgehungerte, magere Gestalten um diesen Topf. Im Himmel dagegen – da sitzen alle um den gleichen Topf mit den gleichen langen Löffeln – nur füttert man sich dort gegenseitig.

Mirjam:
Generationenkonflikte verstehen von Hr. Hirt LFB Augsburg
 

Warum ist das Zusammenleben nur so schwierig? Es könnte so schön sein! Viele Vorteile und Chancen liegen darin, wenn Jung und Alt gemeinsam auf dem Hof leben und arbeiten. Die Altenteiler finden eine sinnvolle Arbeit auf dem Hof und können sich an ihren Enkeln erfreuen. Die junge Generation kann Unterstützung finden in der Kinderbetreuung, der Arbeit auf dem Hof oder in der Küche. Und auch die Kinder profitieren durch den Kontakt mit ihren Großeltern, in denen sie zusätzliche Bezugspersonen, Gesprächspartner und Lehrer finden.

 

Doch das gute Gestalten des Zusammenlebens der Generationen scheint eine mindestens ebenso schwierige Aufgabe zu sein wie die Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen. In den Beratungsanfragen bei der Bäuerlichen Familienberatung Diözese Augsburg stehen die Generationenkonflikte jedenfalls an oberster Stelle, noch vor den finanziellen Problemen.

Was macht das Zusammenleben so schwer?
Verstehen ist oft ein erster Schritt hin zur Veränderung - oder zur Aussöhnung mit etwas, das nicht verändert werden kann. So möchte ich im Folgenden versuchen, auf dem Hintergrund unserer Erfahrungen bei der Bäuerlichen Familienberatung, wichtige Ursachen der Generationenkonflikte aufzuzeigen. Lösungswege werden dann daraus erkennbar, auch wenn es für den einzelnen sicher nicht leicht ist diese Wege zu gehen.

Mangelnde Abnabelung des Mannes
Im ersten Ursachenkreis geht es um die nicht aufgelösten Elternbeziehungen seitens des Mannes oder auch der Frau. Offenkundig ist dies meist zunächst bei den Männern. Sie haben es immer wieder besonders schwer, sich von der eigenen Familie abzunabeln und zu emanzipieren.

 

So verlor zum Beispiel ein Landwirt sehr früh als Kind seinen Vater. Mutter und Sohn mussten die Landwirtschaft alleine weiterbringen und sie wurden dabei ein gutes Team, besser noch als Vater und Mutter es waren. Die Mutter lebte ganz für ihre Landwirtschaft und den Sohn. Kaum nahm sie sich Freiräume für eigene Interessen, für Kontakte nach außen, oder persönliche Freundschaften. So durchlebte der Sohn die Pubertät und wurde erwachsen, eng eingebunden in dieser Beziehung zu seiner Mutter und der Landwirtschaft. Es ging ihm nicht schlecht, denn er hatte eine wichtige Rolle inne auf dem Hof und bei seiner Mutter und das tat ihm gut. Aber für das, was normalerweise in der Pubertät stattfinden sollte, war kein Raum: sich in Konflikten, Streit und Auseinandersetzung von den Eltern abgrenzen und so Stück für Stück zur Eigenständigkeit zu finden. Dies ging solange gut, bis eine junge Frau auf den Hof kam. Dann begann der große Kampf. Die junge Frau spürte mehr und mehr, dass sie nur die Dritte im Bunde ist und machtlos und erfolglos versucht, ihren Mann zu gewinnen. Zunehmend frustriert und verzweifelt greift sie auch zu unfairen Mitteln und bringt den Konflikt noch weiter zur Eskalation. Die Mutter versteht zunächst überhaupt nicht, was passiert. Es war doch immer Friede, Verständnis und Zusammenarbeit auf dem Hof, bis diese jung Frau kam! Langsam dämmerte es aber dem Sohn, um was es ging: Mit seiner Mutter konnte er keine Zukunft mehr aufbauen. Dazu brauchte er seine Frau. Mehr und mehr rückte er von seiner Mutter ab und stellte sich auf die Seite seiner Frau. Nun begann die mühsame Arbeit, die Grenzen zur Mutter hin gemeinsam klar abzustecken. Die Aufteilung des Gartens, klare Trennungen im Wohnhaus, die Mitarbeit der Mutter im Stall, bei der Kinderbetreuung .... Über hohe innere Barrieren musste der junge Landwirt dabei steigen. Konnte er das seiner Mutter antun? Immer hat sie doch nur für den Hof und ihn gelebt! Erscheint er nicht ganz und gar undankbar ihr gegenüber? Manchesmal drohte er wieder zurückzufallen. Ein Stück seiner unterdrückten Pubertät muss er nun in älteren Jahren nachholen und dabei seiner Mutter auch weh tun. - Langsam, Stück um Stück, unterstützt durch Gespräche mit anderen, lernt die Mutter die für sie ganz neue Situation zu akzeptieren und wahrt den Grenzabstand zur jungen Familie. Sie arbeitet weniger auf dem Hof mit, und orientiert sich mehr nach außen. Sie knüpft an alten Freundschaften an, pflegt den Kontakt mit den Geschwistern und engagiert sich in der Gemeinde. Etwas Friede konnte auf dem Hof wieder einkehren.

 

Auch ohne dass der Vater stirbt taucht dieses Konfliktmuster immer wieder auf. Dann zum Beispiel, wenn die Partnerschaft der Eltern die Beziehungssehnsucht der Mutter nicht stillen kann, sei es, weil die Ehe schlecht funktioniert, oder auch weil sie noch aus der eigenen Kindheit einen ungestillten Hunger nach naher Beziehung mit sich bringt und nun diese beim Sohn zu finden hofft. Die ausgegrenzten Väter reagieren dann manchesmal böse, jähzornig und aggressiv, auch wenn sie natürlich selbst ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen haben.

Streit zwischen Vater und Sohn
Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn ist ein ganz besonderes: Für den Sohn ist der Vater zunächst Vorbild für seine männliche Identität. Von ihm ersehnt er sich als Kind ganz besonders, Anerkennung, Lob, Unterstützung und Förderung, Ermunterung und Bewunderung aber auch direkten körperlichen Kontakt. Einen Teil seiner Sicherheit als Mann wird er später daraus beziehen. Und eine tiefe Wunde hinterlässt es im Sohn, wenn er diese emotionale Zuwendung nicht bekommt. Eine unterschwellige Frustration und Wut kann hier seinen Ausgang haben und später zu jahrelangem Streit führen.

 

Für den Vater wiederum wiederholt sich im Kontakt mit seinem Sohn, seine eigene Sohn-Vater Beziehung. Was er selbst nicht bekommen hat, fällt ihm schwer weiterzugeben. Erschwerend kann dann noch hinzukommen, dass seine Frau versucht den Sohn für ihre Seite zu vereinnahmen und sich mit ihm gegen den Mann zu verbünden. Eifersucht und Wut des Vaters kann dann den Sohn anstatt der Frau treffen. Oder auch, dass der Vater mit seinen eigenen Leistungen und Erfolgen nicht zufrieden ist, und dem Sohn die seinen neidet. Immer sind die Väter auch versucht Erwartungen in die Söhne zu legen, das fortzusetzen was sie begonnen haben, und das zu erreichen, was sie gerne erreicht hätten. Fühlen die Söhne sich damit überfordert und entsprechen nicht diesen Erwartungen können die Väter sehr enttäuscht reagieren.

 

Ein Lösung in diesen Konflikten kann oft nur darin liegen, das Begrenzte in der Vaterbeziehung zu betrauern und anzunehmen, und es aufgrund der Familiengeschichte etwas verstehen zu lernen. Dann kann vielleicht später in älteren Jahren noch manches mit dem Vater nachgeholt und versöhnt werden. Aber zumindest mit der nächsten Generation , den eigenen Söhnen, sollte versucht werden das Miteinander ein Stück „heiler“ zu gestalten.

 

Mirjam:


Die junge Frau erhofft sich  „Ersatzeltern“
Eine Bäuerin erzählt: „Am Anfang war alles so harmonisch und gut! Ich habe mich von der Familie meines Mannes gleich sehr angenommen und willkommen gefühlt. Vieles war so ganz anders als bei meinen Eltern, so, wie ich es mir zuhause auch mehr gewünscht hätte. Es war fast so wie eine neue Familie, in der ich endlich glücklich sein konnte. -  Wie das dann plötzlich umgekippt ist, ist mir immer noch nicht ganz klar. Es waren wohl mehrere Kleinigkeiten, die mich aber sehr verletzt haben. Ich war plötzlich zutiefst enttäuscht über meine Schwiegereltern und über die Geschwister meines Mannes. Dass diese auch Schattenseiten haben, wollte ich zu Beginn ja gar nicht wahr haben. Aber jetzt traf es mich umso tiefer und die Enttäuschung war groß. Sehr lange trug ich daraufhin eine riesen Wut, einen tiefen Groll mit mir herum, der mir alles Leben hier auf dem Hof zu vergiften schien. -  Erst nun, viel später wird mir klar, dass ich von meinen Schwiegereltern einfach zu viel erhofft und erwartet habe. Den Mangel, den ich von zuhause mitbrachte, hoffte ich von ihnen gefüllt zu bekommen. Aber meine Schwiegereltern sind nicht dazu verpflichtet meine perfekten Ersatzeltern zu sein und alles richtig zu machen. Ich selber bin erwachsen, und dafür verantwortlich gut für mich zu sorgen! Mühsam muss ich es nun lernen, mich im Guten von meinen Schwiegereltern abzugrenzen, Raum für mein eigenes Leben hier auf dem Hof zu schaffen und dafür zu kämpfen. Mehr als früher bin ich auch wieder im Kontakt mit meinen eigenen Eltern, wo es noch manches in Ordnung zu bringen gibt.“

Generationenkonflikte und Paarbeziehung
Generationenkonflikte und die Paarbeziehung sind eng miteinander verwoben. Generationenkonflikte führen z.B. dann zu Paarkonflikten bei der jungen Generation, wenn die Frau sich in der Auseinandersetzung mit den Schwiegereltern im Stich gelassen fühlt oder wenn der Mann der extrem ablehnenden Haltung seiner Frau nicht mehr folgen kann. Andererseits können durch die Konzentration auf die Konflikte mit den Eltern, Paarkonflikte überspielt und zugedeckt werden. Anstatt sich mit seinem Partner auseinander zusetzten streitet man dann lieber mit den Eltern.



Grundsätzlich ist es für den Verlauf der Generationenkonflikte günstig, wenn die Ehepartner an einem Strang ziehen. Denn, fühlt sich z.B. die Frau von ihrem Mann im Stich gelassen, wird ihre Enttäuschung und Wut noch größer und ihr Mann kann ihr dann noch weniger folgen. Die Konflikte eskalieren weiter! Fühlt sich auf der anderen Seite der Mann in seinen Ablösungsschwierigkeiten von den Eltern von seiner Frau nicht verstanden und nur  getadelt und unter Druck gesetzt, lähmt es ihn noch mehr in seiner Zerrissenheit.

Grenzen müssen erkämpft werden
Die Lösung von Generationenkonflikten liegt fast immer in der gleichen Richtung: Es geht darum, sich von den Eltern weiter abzunabeln und abzugrenzen und für das Gelingen des eigenen Lebens selber Verantwortung zu übernehmen. In der Pubertät wird dies oft schon zu einem guten Stück durchgekämpft. Oft ist aber in der Zeit der Pubertät nicht wirklich die Möglichkeit gegeben, Konflikte mit den Eltern gut auszutragen. Muss dies dann später noch nachgeholt werden ist es oft umso heftiger. Erschwert wird es noch dann, wenn die Eltern mit ihrem Leben ganz auf die Jungen und den Hof fixiert sind und in ihrem eigenen Leben, in ihrer eigenen Partnerschaft wenig Erfüllung finden.



In der Abgrenzung geht es darum, die eigene Privatsphäre und die Eigenständigkeit in der Arbeit zu schützen. Vielleicht müssen die Wohnbereiche besser getrennt, Mauern eingezogen, Türen geschlossen, Sichtschutz errichtet werden, vielleicht die Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten besser abgesprochen und getrennt werden. All dies aber nicht aus Wut gegen die Schwiegereltern/Eltern, sondern aus Entschlossenheit zum eigenen Leben. Sonst schießt man über das Ziel hinaus und verbaut sich das hilfreiche Miteinander wo es noch möglich wäre. Wenn es gut geht, ist nach einer Phase von Distanz und sich gegenseitig in Ruhe lassen auch wieder ein Stück Annäherung möglich.



Das Eigenständig und Eigenverantwortlichwerden gelingt aber nur wirklich, wenn es möglich wird sich mit den Fehler und Mängeln der Eltern auszusöhnen und an deren Stärken anzuknüpfen. An uns liegt es, es mit unseren Kindern und in unserer Partnerschaft ein Stück „heiler“ zu gestalten.



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