Hallo Sigrid
das macht mich ganz traruig. Vor 15 Jahren klingelte (einen Tag vor Weihnachten) es bei meinem Bruder an der Tür. Er dachte es sei Brigitte seine Frau. Er und sein 5 jähriger Sohn warteten schon auf sie. Sie wollten zusammen den Christbaum schmücken und noch ein wenig basteln. Es stand nur die Polizei vor der Tür - Brigitte hatte einen tötlichen Selbstunfall. Zu schnell gefahren, ins schlingern gekommen und konnte dem entgegenkommenden Fahrzeug nicht mehr ausweichen. Zum Glück nahm sie niemand mit in den Tod.
Gestern waren wir in Thusis bei unserem Metzger. Wir mussten noch 3 Kühe verwursten. Bei ihm arbeitet aushilfsweise Gastro - ein Spanier. Gastro wohnt in Chur und hat zwei Jobs und viele Aushilfesjobs. Er arbeitet sozusagen fast rund um die Uhr und dies 7 Tage in der Woche. Unser Metzger nimmt ihn nur noch selten, weil er angst um ihn hat. Gastro will soviel wie möglich arbeiten um so schnell wie möglich nach Spanien zurück zu kehren und dann sein Leben gemütlich zu leben, nur noch geniessen, ohne zu arbeiten. Er ist jetzt 51 Jahre alt. Seine Familie sieht ihn kaum, er arbeitet und arbeitet ununterbrochen. Als unser Metzger ihn fragte was dann seine Frau davon hält meinte er: Wenn es ihr nicht passt, kann sie ja gehen. Er hat sich ein Ziel gesetzt - ich weiss nicht ob er es verwirklichen kann, und vorallem auch, ob da nicht zuviel auf der Strecke bleibt.
Mein Vater hat jahrelang geschufftet. Kaum einen Tag Ferien. Der Betrieb musste laufen. Fast jedes Wochenende eine Hochzeit, Taufe oder sonst ein grosses Essen. Durch die Woche noch viele Essen von den Baustellen rundum. Alles Geld wurde immer wieder in den Betrieb gesteckt. Eine grosse Kegelbahn musste her, die Backstube verschlang unmengen von Geld. Besonders die nichtsnutzigen Bäckersgesellen die wir hatten. Die Bäckerei warf kaum Gewinn ab und musste Querfinanziert werden vom Restaurant. Jetzt sind die Eltern pensioniert. Das Restaurant verpachtet, die Bäckerei still gelegt. Mein Vater bekam, kaum pensoniert, Krebs. Er ist jetzt im Rollstuhl und braucht viel Pflege. Meine Mutter sagt: So habe sie sich das Alter auch nicht vorgestellt. Sie wollten es doch dann auch noch ein bisschen geniessen. Das stimmt mich sehr nachdenklich.
Vor zwei Jahren waren wir an einem Kurs "Hofübergabe auf lange Sicht". Ich war sehr erstaund, wie die anderenLandwirte dieses "auf lange Sicht" interpretierten. Für uns war "auf lange Sicht" 4-8 Jahre, für die meisten aber 1-1/2 Jahr. Total traurig machte mich aber die Tatsache, dass viele Bauern darauf angewiesen sein werden, dass sie vom Sohn/Tochter das Wohnrecht bekommen. Sie können sich nicht einmal eine eigene Wohnung leisten. Wie bei meinen Eltern wurde immer alles gleich wieder in den Hof gesteckt.
Wir haben uns schon vor ein paar Jahren ein kleines Häuschen gekauft - ohne Sicht zum Hof
. Im Moment lebt eine Freundin von uns dort. Der Zins hilft uns die Bankschulden abzubezahlen und immer wieder etwas am Haus zu machen. Letzte Weihnachten kam eine neue Küche hinein. Nächstes Jahr möchten wir besser isolieren. Die Fenster und Türen sind auch alle schon neu und eine Bodensondeheizung haben wir vor vier Jahren installiert. Ich bin jetzt 49 Jahre alt. Aber dieses Häuschen gibt mir Sicherheit für mein Alter. Ich freue mich sogar auf den Tag da wir einziehen werden. Ich versuche auch jetzt nicht nur die Arbeit zu sehen. Immer wieder eine Auszeit zu nehmen zusammen mit meinem Mann und den Kids. Wir wissen ja nicht was auf uns zukommt. Geniessen wir also lieber das heute - morgen werden wir dann sehen.