Annette, deine Beiträge hier machen mich traurig und betroffen. Ich lese hier und überlege schon seit Tagen, ob ich meine Gedanken hier aufschreiben soll ...
Nun tue ich es. Es ist ein schweres Thema und noch schwerer, eine Antwort zu finden. Einen Rat kann schnell zu aufdringlich und anmaßend sein. Darum schreibe ich mal. wie ich es für mich selbst wünschen würde:
Seit dem ich das erste Mal über das Thema Hospiz gelesen habe, ist es mein Thema. Anfangs fand ich schlimm, dass es einen Ort geben sollte, an dem Menschen sind, die nur noch eine kurze Zeit vor sich haben und das auch wissen. Ich dachte, das wäre ein Ort der Hoffnungslosigkeit. Je mehr ich darüber erfuhr, um so mehr wusste ich, dass ist genau umgekehrt. In einer Dokumentation sagte einer der dortigen Bewohner "Ich habe erst hier richtig an zu leben gefangen." Diesen Satz habe ich nie vergessen und er geht mir jetzt immer wieder durch den Kopf, wenn ich deine Beiträge lese. Vielleicht wäre es auch für dich ein Ort. Es kann auch ein Trost sein, zu wissen, in dieser Zeit nicht allein sein zu müssen.
Als mein Vater schwer krank war, hatte ich mit einer Mitarbeiterin des hiesigen Hospizes lange telefoniert. Dort geht es darum, den Bewohnern das Leben so angenehm wie möglich zu machen, nicht nur mit Medikamenten, sondern auch die vielen Kleinigkeiten, zu ermöglichen, die sie in ihrem Leben gewohnt sind und schätzen.
Eine andere Sache, die zumindest auch hier gemacht wird, dass sie sich von denen auf dem Friedhof verabschieden, die von ihnen gegangen sind. Es ist wie bei Familienangehörigen. Oft ist es die einzige "Familie", entweder, weil es niemanden gibt oder weil schon lange kein Kontakt mehr zur eigenen Familie besteht.
Vielleicht kannst du es dir auch als gut und richtig vorstellen, wenn später einmal bei deiner Beerdigung nur fremde Menschen an deinem Grab stehen, denen du aber etwas wert warst. Ich kann verstehen, dass du von deiner Familie niemanden dort haben möchtest. Sie müssen es ja auch nicht erfahren.
Auch wenn du viel Schlimmes erlebt hast, möchte ich dir sagen, dass du unabhängig davon als Mensch wertvoll bist.
Da ich ja sagte, ich kann nur schreiben, wie ich es für mich selbst wünsche. Die Vorstellung für meine letzte Ruhestätte ist im Friedwald. Dort gibt es Plätze mit Namensschild und auch anonym. Der Wald ist für mich ein Ort des Friedens und mein Herz wird dort weit und froh. Wie es in dem Spruch heißt "... meine Seele spannte weit die Flügel aus, als flöge sie nach Hause". Alte Bäume sind wie ein Stück Ewigkeit und der Wald ein Ort, der für mich dem Himmel etwas näher ist.
Wenn man anonym bleiben will, kann man dort eben seinen ganz eigenen Ort haben, nur für sich allein.
Annette, ich wünsche dir sehr, dass du die Kraft hast, deinen Weg zu gehen. Lass dich aus der Ferne umarmen.