18. November 2010

EU-Kommission legt Konzept für die Agrarpolitik nach 2013 vor

Brüssel (agrar.de) – Die Europäische Kommission hat heute eine Mitteilung mit dem Titel „Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche Gebiete – die künftigen Herausforderungen“ veröffentlicht. Die Reform soll die Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrarsektors steigern und es ihm ermöglichen, wirkungsvoller zur Europa2020-Strategie für ein nachhaltiges, intelligentes und integratives Wachstum beizutragen. In der Mitteilung werden drei Reformoptionen dargestellt. Nach der Erörterung dieser Optionen wird die Kommission Mitte 2011 förmliche Rechtsvorschläge unterbreiten.

Bei seiner heutigen Präsentation der Mitteilung betonte der für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständige EU-Kommissar Dacian Ciolo?, die GAP müsse „umweltfreundlicher, gerechter, effizienter und wirkungsvoller“ gestaltet werden. Er fuhr fort: „Die GAP geht nicht nur die Landwirte, sondern – als Verbraucher und Steuerzahler – alle Europäer an. Wir müssen unsere Politik daher in einer Weise konzipieren, die für die breite Öffentlichkeit verständlicher ist und die öffentlichen Vorteile deutlich macht, die die Landwirte für die Allgemeinheit erbringen. Die europäische Landwirtschaft muss nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch wettbewerbsfähig sein.“

Die Kommission hat in diesem Jahr bereits eine öffentliche Debatte und eine große Konferenz über die Zukunft der GAP veranstaltet. In den Beiträgen wurden mit breiter Mehrheit drei grundlegende Ziele der GAP genannt:

– Rentable Nahrungsmittelerzeugung (Bereitstellung von sicheren und ausreichenden Nahrungsmitteln, um vor dem Hintergrund des steigenden weltweiten Bedarfs, der Wirtschaftskrise und wesentlich stärkerer Marktschwankungen zur Ernährungssicherheit beizutragen);

– Nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Klimamaßnahmen (die Landwirte müssen häufig ökologische über wirtschaft­liche Erwägungen stellen, doch werden die entsprechenden Kosten vom Markt nicht vergütet);

– Erhaltung der räumlichen Ausgewogenheit und der Vielfalt der ländlichen Gebiete (die Landwirtschaft ist nach wie vor eine bedeutende wirtschaftliche und soziale Triebfeder in den ländlichen Gebieten und ein wichtiger Faktor, der zur Erhaltung eines lebendigen ländlichen Raums beiträgt).

In der Mitteilung wird untersucht, welche künftigen Instrumente sich am besten für die Verwirklichung dieser Ziele eignen würden. In Bezug auf die Direktzahlungen wird dargestellt, dass die Unterstützung anhand objektiver, gerechter und für den Steuerzahler leicht verständlicher Kriterien umverteilt, neu konzipiert und besser ausgerichtet werden muss. Diese Kriterien sollten sowohl wirtschaftlicher Art („Einkommensstützungselement“ der Direktzahlungen) als auch ökologischer Art (Berücksichtigung der von den Landwirten erbrachten öffentlichen Güter) sein, und die Unterstützung sollte gezielter aktiven Landwirten zugute kommen. Eine gerechtere Verteilung der Finanzmittel sollte auf wirtschaftlich und politisch vertret­bare Weise vorgenommen werden mit einem Übergang, so dass ein abrupter Wechsel vermieden wird.

Eine Möglichkeit bestünde in der Gewährung einer Zahlung zur Grundsicherung der Einkommen (möglicherweise eine einheitliche Zahlung je Region, jedoch kein für die gesamte EU geltender Pauschalsatz, Zugrundelegung neuer Kriterien, Festsetzung einer bestimmten Obergrenze), zuzüglich einer obligatorischen Umweltzahlung für zusätzliche (jährliche), über die Basisanforderungen der Cross-Compliance hinausgehende Maßnahmen (z. B. Gründecke, Fruchtfolge, Dauergrünland oder ökologische Flächenstilllegung), zuzüglich einer Zahlung für besondere natürliche Einschränkungen (auf EU-Ebene festgelegt mit ergänzenden, über die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums gezahlten Beträgen), zuzüglich der Möglich­keit einer begrenzten „gekoppelten“ Zahlung für besonders empfindliche Formen der Landwirtschaft (vergleichbar der derzeitigen mit dem GAP-Gesundheitscheck [Artikel 68] eingeführten Möglichkeit). Eine einfache, besondere Stützungsregelung sollte die Wettbewerbsfähigkeit kleiner landwirtschaftlicher Betriebe steigern, Bürokratie abbauen und zur Lebensfähigkeit der ländlichen Gebiete beitragen.

Bei den marktbezogenen Maßnahmen (z. B. öffentliche Intervention und Beihilfen für die private Lagerhaltung) könnten Rationalisierungen und Vereinfachungen vorgenommen und neue Elemente zur Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette eingeführt werden. Diese Mechanismen waren die traditionellen Instrumente der GAP, wurden aber im Zuge mehrerer Reformen, die die Landwirtschaft der EU stärker am Markt ausgerichtet haben, in einem solchen Maße auf die Funktion eines Sicherheitsnetzes zurückgeführt, dass die öffentlichen Lagerbestände praktisch verschwunden sind. Während im Jahr 1991 noch 92 % der GAP-Ausgaben auf marktbezogene Maßnahmen entfielen, betrug dieser Anteil im Jahr 2009 gerade noch 7 %.

Die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums hat die ökologische und soziale Nachhaltigkeit des Agrarsektors und der ländlichen Gebiete gefördert, doch wird mit Nachdruck gefordert, die Themen Umwelt, Klimawandel und Innovation horizontal in alle Programme einzubeziehen. Außerdem wird auf die Bedeutung von Direktverkäufen, lokalen Märkten sowie auf die Bedürfnisse von Junglandwirten und Marktneulingen hingewiesen. Das LEADER-Konzept wird noch stärker integriert. Um die Effizienz zu steigern, wird der Übergang zu einem stärker ergebnisbasierten Ansatz – möglicherweise mit quantifizierten Zielen – ins Spiel gebracht. Als neues Element der künftigen Politik zur ländlichen Entwicklung sollte ein Instrumentarium für das Risikomanagement eingeführt werden, damit besser auf Marktunsicher­heiten und Einkommensschwankungen reagiert werden kann. Die Mitgliedstaaten sollten über Möglichkeiten verfügen, um Produktions- und Einkommensrisiken zu begegnen, mit einer Palette, die von einem neuen WTO-kompatiblen Instrument zur Einkommensstabilisierung bis zur verstärkten Förderung von Versicherungs­instrumenten und Investmentfonds reicht. Wie bei den Direktzahlungen sollte eine neue Mittelverteilung anhand objektiver Kriterien erfolgen, wobei ein abrupter Wechsel vom derzeitigen System zu vermeiden ist.

In der Mittelung werden drei Optionen für die künftige Ausrichtung der GAP dargestellt, mit der die großen Herausforderungen gemeistert werden sollen: 1) Behebung der dringendsten Mängel der GAP durch schrittweise Änderungen, 2) Gestaltung einer umweltfreundlicheren, gerechteren, effizienteren und wirkungsvolleren GAP, 3) Schwerpunktverlagerung weg von marktbezogenen Maßnahmen und Einkommensstützung hin zu Umwelt- und Klimazielen. Bei allen drei Optionen sieht die Kommission die Beibehaltung des derzeitigen Systems mit zwei Säulen vor: einer ersten Säule (Direktzahlungen und markt­bezogene Maßnahmen mit klaren, auf EU-Ebene festgelegten Regeln) und einer zweiten Säule (mehrjährige Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums, wobei die verschiedenen Möglichkeiten auf EU-Ebene festgelegt werden, die Entscheidung aber, welche Regelungen letztlich angewendet werden, den Mitglied­staaten oder Regionen im Rahmen einer gemeinsamen Verwaltung überlassen bleibt). Ein weiteres gemeinsames Element aller drei Optionen ist, dass der künftigen Direktzahlungsregelung keine historischen Referenzzeiträume, sondern objektive Kriterien zugrunde gelegt werden sollten.

„Die derzeitige Regelung enthält für die EU-15-Mitgliedstaaten andere Bestimmungen als für die EU-12, was nach 2013 nicht so bleiben darf“, erklärte Kommissar Ciolo? heute. Auch für die Zuweisung der Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums werden objektivere Kriterien benötigt.
Politikoptionen der GAP 2020




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