06. Juli 2010

Biogas: Boom führt zu heftigem Kampf um Ackerflächen

Münster (agrar.de) – Die Zahl der in Deutschland installierten Biogasanlagen ist im vergangenen Jahr sprunghaft auf deutlich mehr als 5 000 gestiegen. Allein im vergangenen Jahr gingen mehr als 1 000 neue Anlagen ans Netz. Davon geht der Fachverband Biogas (FvB) in einer aktuellen Schätzung aus. Bis Ende 2010 rechnet der Fachverband mit einem Bestand von 5 700 Biogasanlagen, die es auf eine Kapazität von insgesamt 2 200 MW bringen sollen.

Diese umweltfreundliche Entwicklung führt aber auch zu massiven Verzerrungen im Agrarsektor, die bei einer Tagung des Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverbandes (WLV) in Münster thematisiert wurden: „Zwingt Biogas unsere Tierhalter in die Knie?“ – fragte sich der Verband.

Das Problem, das sich zunehmend in einem offenen Konflikt zwischen Energie-Erzeugern und Veredlern auswirkt, zeigt sich vor allem im westfälischen Münsterland und dort speziell im Kreis Borken. „Unsere Intensivstation“, nannte WLV-Präsident Franz-Josef Möllers die Region in diesem Zusammenhang. Es gehe letztlich um die Frage: Teller oder Tank?

Wer Biogasanlagen betreibt, benötigt Fläche; viel Fläche, um vor allem Mais als ‚Brennstoff‘ für die Anlagen anzubauen. Ackergrund aber brauchen auch die Viehhalter, um ihre Gülle ausbringen zu können. So ist innerhalb der Landwirtschaft ein Kampf um die Flächen entbrannt, den die Viehhalter zu verlieren scheinen. Die Preise für ihre Erzeugnisse sind im Keller und auf dem Pachtmarkt können sie mit ihren Konkurrenten aus der Bioenergie-Sparte längst nicht mehr mithalten.

Konflikte benennen, moderieren, Lösungen anbieten – in dieser Rolle sieht sich der WLV laut seinem jüngst erstellten Leitbild. Für Beobachter sitzt er aber in der Biogas-Frage zwischen den Stühlen. „Die Politik fördert den Ausbau der Bioenergie, darum stellt sich die Frage gar nicht, ob wir das wollen oder nicht“, sagte Möllers. Sein Vorschlag darum: Die alternative Energie müsse „mit Augenmaß weiterentwickelt“ werden um eine Überhitzung durch eine einseitige Förderung zu vermeiden.

Rund 30 Cent kann ein Bio­gas-Erzeuger je Kilowatt-Stunde verdienen. Darin enthalten sind sieben Cent pro Kilowatt-Stunde für die Nutzung nachwachsende Rohstoffe wie Getreide oder Mais. Weitere vier Cent werden gezahlt, wenn mindestens 30 Prozent Gülle eingebracht sind. Das ist zu viel, meint der WLV, weil es dazu führe, dass die Anlagen wie Pilze aus dem Boden schießen, wodurch der Streit um die Flächen verschärft werde.

Prof. Dr. Enno Bahrs, Biogas-Experte der Uni Hohenheim, präsentierte auf der WLV-Tagung zumindest einen Lösungsansatz. Er schlägt vor, den Gülle-Anteil bei der Biogas-Produktion zu erhöhen. In Deutschland stünden theoretisch 204 Millionen Tonnen an Flüssig- und Festmist jedes Jahr für den Betrieb von Biogas-Anlagen zur Verfügung. Genutzt würden davon bisher aber nur 100 Millionen Tonnen. Die verstärkte Nutzung von Gülle könnte den Streit um die knappen Ackerflächen entschärfen. Sinkt der Grün-Anteil in den Anlagen, reduziert sich auch der Bedarf an Anbauflächen, die vor allem von wachsenden Veredlungsbetrieben dringend benötigt werden.




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