17. September 2004

CDU: Unser Land braucht eine innovative, wettbewerbsfähige Landwirtschaft

Themen: Archiv — info @ 14:09

Berlin (agrar.de) – Anlässlich eines Gespräches mit dem Präsidium des Deutschen Bauernbundes erklärt der Vorsitzende des Bundesfachausschusses Agrarpolitik der CDU Deutschlands, Peter Bleser:

‚Unser Land braucht eine innovative, wettbewerbsfähige Landwirtschaft

Von den derzeit Regierenden in Berlin werden die Landwirtschaft und die sie vertretenden Verbände nicht nur stiefmütterlich behandelt. Die moderne Landwirtschaft wird als Feindbild für die Verängstigung von Verbrauchern aufgebaut. Die demokratisch gewählten Vertreter der Berufsstände werden als Bauernlobbyisten und Funktionäre verunglimpft. Die Landwirtschaft wird durch die falschen politischen Weichenstellungen: Sonderbelastungen durch höhere Steuern, Sonderauflagen, die über das EU-Recht hinausgehen, und die Gängelung durch einen Bürokratismus, der nicht mehr auszuhalten ist in ihrer Existenz bedroht. Da hört der Spaß auf und da müssen wir protestieren und für unsere Familien und Arbeitsplätze kämpfen!

Wenn wir heute in der breiten Öffentlichkeit über Landwirtschaft sprechen, denken viele an einen altmodischen, hochsubventionierten Wirtschaftszweig, der mit high-tech und Innovation nichts zu tun hat. Die rot-grüne Bundesregierung hat dabei entscheidend zu dieser Suggestion beigetragen. Ihre gesamte Politik ist darauf gerichtet, in Deutschland partiell eine Museumslandwirtschaft zu installieren. Dabei ist es in der Realität ganz anders. Wir müssen uns klar werden, dass die Landwirtschaft einer der dynamischsten Sektoren unserer Volkswirtschaft ist: Die Produktivität ist alleine in den letzten zehn Jahren um fast 100 Prozent je Arbeitskraft gestiegen, doppelt so stark wie im produzierenden Gewerbe. Daneben konnte mit Hilfe des technischen Fortschritts für den Verbraucher ein beträchtlicher Wohlfahrtsgewinn erzielt werden. Wenn man heute in Deutschland nur noch 11 Prozent der gesamten Konsumausgaben für Nahrung benötigt, statt vor wenigen Jahrzehnten 30 bis 40 Prozent, so beträgt diese Differenz Jahr für Jahr über 200 Mrd. Euro, die der Verbraucher für andere Ausgaben verfügbar hat. Somit hat der technische Fortschritt in der Landwirtschaft die Gesellschaft enorm bereichert. Vielfach mehr als die so genannten Agrarsubventionen kosten, die in Wirklichkeit entweder Sozialausgaben betreffen oder gesellschaftlich geforderten Nachhaltigkeits-Aufwand der Landwirtschaft ausgleichen.

Die Bedeutung der Landwirtschaft geht des Weiteren weit über ihre Rolle im Agrarbusiness hinaus. Ihr gesellschaftlicher Stellenwert lässt sich nicht nur auf die ökonomischen und durchaus beeindruckenden Kennziffern reduzieren. Darin sind nämlich die vielfältigen Leistungen, die quasi als Koppelprodukt bei der Landbewirtschaftung anfallen, nicht enthalten, z. B. die Erhaltung der Kulturlandschaft und der natürlichen Lebensgrundlagen sowie die Stabilisierung des ländlichen Siedlungs- und Wirtschaftsraums. Damit ‚produzieren‘ die Landwirte öffentliche Güter, die der gesamten Gesellschaft zugute kommen und auf die niemand von uns verzichten möchte. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig, dass seitens der Politik alles getan wird, die Landwirtschaft in Deutschland zu sichern und ihr Perspektiven für die Zukunft zu geben.

Erst im November letzten Jahres haben CDU/CSU im Vermittlungsausschuss eine brutale Sonderbelastung der Landwirtschaft in Form einer Mineralölsteuererhöhung für Agrardiesel sowie Sonderkürzungen von Zuschüssen in den landwirtschaftlichen Sozialversicherungen verhindert. Schon ein halbes Jahr später geht die Bundesregierung wieder gegen die Bauern vor. Sie will die nicht zustimmungspflichtigen Teile des Haushaltbegleitgesetzes mit einer Vielzahl einseitiger Belastungen für die landwirtschaftlichen Familien, diesmal brutal durchsetzen.

Bei der landwirtschaftlichen Krankenversicherung (LKV) sollen 82 Mio. Euro zur Finanzierung des höheren Anteils der Altenteiler gekürzt werden. Die Folge: Während die Versicherten bei den übrigen gesetzlichen Krankenkassen Beitragssenkungen in Folge der Gesundheitsreform erwarten können, sollen die Bauern im Durchschnitt 12,5% mehr zahlen.

Jeder kennt die im Vergleich zu anderen Branchen hohen Beiträge zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Die Bundesregierung wird auch hier wieder von 250 Mio. Euro, 100 Mio. Euro kürzen. Beitragserhöhungen von im Schnitt 17 Prozent, mit regional erheblichen Ausschlägen nach oben sind die unmittelbare Folge.

Es ist nicht so, das wir angesichts dramatischer Staatsverschuldung und einer strukturellen Verschuldung des Landes von ca. 45 Mrd. Euro nicht auch schauen müssen, wo auch im Agraretat noch Einsparmöglichkeiten zu finden sind. Wir haben uns hingesetzt und vornehmlich durch das Streichen von Mitteln für die ‚Grüne Spielwiese‘ von Ministerin Künast Einsparvorschläge zusammengebracht. Wenn die Grüne Ministerin Künast unsere Vorschläge nicht annimmt, stellt sie Ideologien über Menschen.

Wie sehr die Regierung die Realität aus dem Blick verloren hat, belegen zwei weitere Beispiele. Mit der geplanten Steuererhöhung für Agrardiesel in Höhe von 287 Mio. Euro oder 56 Prozent legt die Bundesregierung der deutschen Landwirtschaft weitere Fußfesseln an. Frankreich versteuert Agrardiesel mit 5,6 Cent. Dänemark mit 3,27 Cent. Die Folge wird der Verlust vieler Arbeitsplätze sein. In Grenznähe werden zu dem viele Betriebe außerhalb der Landwirtschaft aufgeben.

Wir werden auch diesmal als Opposition für die Bauern kämpfen und die einseitigen Belastungen der Bundesregierung strickt ablehnen. Leider sind die Erfolgsaussichten diesmal sehr bescheiden. Es sei denn, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg verhelfen dem Bundesrat zu einer 2/3-Mehrheit.

Weitere Bereiche sind Biotechnologie und Nachwachsende Rohstoffe. Hier laufen wir Gefahr, wie schon bei anderen Zukunftstechnologien, zwar die besten Forscher zu haben, aber die Markteinführung und die damit einhergehenden Arbeitsplätze überlassen wir anderen. Bewusst wird Angst geschürt und ein Gesetz beschlossen, welches die Einführung dieser Zukunftstechnologie in Deutschland verhindert. In den USA sind 70 Mio. Hektar mit GVO-Pflanzen bestellt und die Produkte werden in Form von Sojabohnen und Mais zu uns exportiert. Seit Jahren gibt es in Deutschland praktisch kein Kraftfutter mehr für Hühner, Schweine und Rinder ohne GVO-Anteile.

Die BASF zeigt schon heute auf, das mit der 2+3+4 Generation GVO in einer Kooperation zwischen Chemieunternehmen und Land – oder Gartenbau die Produktion gewünschter Stoffe oder Wirkstoffe in die Pflanze verlegt werden kann. Anwendungsmöglichkeiten weit über die Ernährung und die Medizin zeichnen sich ab. Anstatt diese Chancen entschlossen zu nutzen, treiben wir die Forschungsabteilungen der Unternehmen aus dem Land.

Ein weiteres Trauerspiel ist das endlose Verfahren bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Mittel, die in den Nachbarländern zum Beispiel bei Obst und Gemüse erlaubt sind, und deren Endprodukt zu uns exportiert werden darf, sind bei uns verboten. Anstatt die Zulassung nicht nur der Wirkstoffe, sondern auch der Pflanzenschutzmittel in der EU zu konzentrieren, müssen sich die Produzenten in langwierigen Verfahren mit dem neu geschaffenen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auseinandersetzen. Ein Bürokratieaufwand ohne Gleichen!

Die Pläne der EU-Kommission zur Reform der EU-Zuckermarktordnung sind aus unserer Sicht so nicht diskutabel.

Mit den von Kommissar Fischler bereits für das Wirtschaftsjahr 2005/06 geplanten Senkungen der Zuckerquoten um ca. 16 Prozent und der Mindestpreise für Rüben in mehreren Schritten bis zu 37 Prozent bei nur teilweiser Kompensation wird die bisher erfolgreiche Zuckererzeugung in Europa aufs Spiel gesetzt. Die jetzige Regelung bildet in der EU den wirtschaftlichen Rahmen für über 230.000 Landwirte, 135 Zuckerverarbeitungsbetrieben und sechs Raffinieren. Darüber hinaus sichert sie 300.000 Arbeitsplätze und den Entwicklungsländern aufgrund von Zollpräferenzen gute Exportmöglichkeiten. Bei den anstehenden Verhandlungen in Brüssel fordern wir die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass diese viel zu weitgehenden Vorschläge zurückgenommen werden und die Laufzeit der gegenwärtigen Marktordnung eingehalten wird.

Diese Beispiele zeigen eines sehr deutlich.

Wir brauchen neben einem Politik- und Regierungswechsel auf Bundesebene eine Bewusstseinsveränderung in diesem Land: Mehr Mut und Risikobereitschaft, mehr Bereitschaft zur Leistung, mehr Verantwortung für den Einzelnen, mehr Freiheit von staatlicher Gängelung, mehr Kreativität.

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