Münster (agrar.de) – Zur aktuellen GAP-Reform erklärt Franz-Josef Möllers, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV):
‚Eines ist sich sicher: Die Einigung im Agrarministerrat über die Reform der europäischen Agrarpolitik am Morgen des 26. Juni gab kein Signal zum Aufbruch, bot keine Perspektiven für die nachhaltige, von bäuerlichen Familien geprägte Landwirtschaft. Stattdessen herrscht allergrößte Verunsicherung.
Das nun vorgelegte Papier enthält eine lange Liste von nationalen Sonderwünschen. Viele Delegationen haben sich offenbar in der Schlussphase der Verhandlungen ihre Zustimmung mit der Erfüllung von besonderen Anliegen regelrecht abkaufen lassen. Unterm Strich wirft die Einigung der Agrarminister mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Sie wurde erkauft mit einer Re-Nationalisierung des gesamten Direktausgleichs, die Gemeinsame Agrarpolitik wurde – und das werden wir noch bitter bereuen – dem Kompromiss zu liebe geopfert.
Nach Gutdünken können Mitgliedstaaten nun die Ausgleichszahlungen für Preissenkungen bei Jungbullen oder Getreide entkoppeln oder nur teilweise entkoppeln oder teilweise wie bisher den Ausgleich an die Fläche oder das Tier binden. Die Krone wird dem Ganzen damit aufgesetzt, dass die Mitgliedstaaten aus dem Topf der entkoppelten Ausgleichszahlungen nach eigenem Gusto Flächenprämien zusätzlich einführen können. Zusätzlich könnten die Mitgliedstaaten bis zu 10 Prozent der Ausgleichszahlungen für ‚besondere Formen der Landwirtschaft‘ verwenden. Damit wäre das Prämienchaos perfekt.
Die Folge dieser Politik wird eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Mitgliedstaaten der EU in ungeahntem Maße sein. Ohnehin bestehende Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft im ‚Gemeinsamen Binnenmarkt‘ werden verschärft. Die aktuelle Diskussion um die Erhöhung des Steuersatzes für Agrardiesel und die Streichung der staatlichen Zuschüsse für die landwirtschaftliche Krankenkasse, die Diskussionen um die Schweinehaltungsverordnung oder das Baurecht und die Düngemittelverordnung – all dies wird durch die jetzt beschlossene Reform verschärft. Einziger Rahmen, der sicher scheint, ist der von Chirac und Schröder bestätigte Haushaltsrahmen, der auf 48,6 Mrd. Euro im Jahr 2013 festgeschrieben wurde.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft beschleunigen wird. Betriebe, die auch in Zukunft ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften wollen, werden gezwungen, stärker denn je zu wachsen.
Die Reform wird uns damit verkauft, dass die Landwirtschaft mehr Gelder für Umwelt- und Tierschutz erhält. Außerdem würden Butter-, Getreide- und Rindfleischberge verschwinden und die Position der EU bei den WTO-Verhandlungen verbessert. Diese Argumente sind ein Schlag ins Gesicht unserer Bauern. Tatsachen werden auf den Kopf gestellt, medienwirksam verbreitet und die Bevölkerung bewusst getäuscht. Dass die Umweltverbände die Liberalisierung der Welt-Agrarmärkte feiern, macht deutlich, wie wenig sie das europäische Agrarmodell zum Schutz unserer bäuerlichen Landwirtschaft verstanden haben. Gerade kleinere und mittlere Betriebe werden doch bei einem übermäßigen Anstieg der Importe aus Drittländern die Leidtragenden sein.
Tatsache ist, dass die Landwirtschaft – gleich ob modern-konventionell oder ökologisch – immer Ressourcen schonender, nachhaltiger wirtschaftet, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern sinkt, dass die Bodenfruchtbarkeit zunimmt und wir mancherorts bestehende Nitratüberschüsse immer besser in den Griff bekommen. Wasserkooperationen sind dafür das beste Beispiel.
Tatsache ist auch, dass es eine strukturelle Überproduktion nur noch bei Roggen gibt. Der schrittweise Abbau der Roggenintervention – kombiniert mit Ausgleichszahlungen – verdient daher Zustimmung. Die staatlichen Rindfleischbestände sind so gut wie abgebaut und waren ohnehin BSE-bedingt. Auch die Butter- und Magermilchbestände wären nicht so hoch, wenn die Exportmärkte wegen des schwachen Dollars nicht so stark unter Druck stünden. Die Butterbestände zeigen aber auch, dass es die EU-Kommission mit ihrem selbst geschaffenen System der Quotenregelung nicht verstanden hat, dieses System so flexibel zu gestalten, dass Überschüsse vermieden werden. Das Ziel der Quotenregelung, nämlich die Stützung der Marktpreise, wurde doch weitestgehend verfehlt! Statt dessen erhöht die Kommission ab 2006 die Quoten um weitere 1,5 Prozent. Das verstehe wer will.
Die Reaktion der Presse und Medien auf die jüngsten Beschlüsse der Agrarminister haben bereits jetzt erkennbar werden lassen, dass entkoppelte Ausgleichszahlungen nicht mehr zu vermitteln sind. Ich sehe daher die große Gefahr, dass wir mit der Loslösung der Ausgleichszahlungen von der Erzeugung der Einstieg aus dem Ausstieg der Direktzahlungen eingeläutet wird.
Am ehesten gelingt die Entkopplung noch bei den Ackerkulturen, am wenigsten bei den Tierprämien. Wir werden deshalb intensiv prüfen, ob der nationale Spielraum für den gekoppelten Anteil der Rinderprämien voll ausgeschöpft werden sollte. Das gleiche gilt für die neu eingeführten Ausgleichszahlungen für die Senkung des Milchpreises. Den entkoppelten Teil der Rinderprämien wollen wir dann in der Betriebsprämie retten. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass auf die Neuverteilung von bis zu 10 Prozent der Ausgleichszahlungen verzichtet wird. Einkommenseinbußen für die Betriebe ließen sich so in Grenzen halten.
Auf jeden Fall werden unsere Milchviehhalter sehr stark von der so genannten Reform betroffen sein: Sie verlieren bis zu 23 Prozent am Milchpreis, der nur zur Hälfte ausgeglichen wird. Der deutsche Durchschnittsbetrieb mit 30 Kühen muss mit einem Einkommensverlust von sage und schreibe 8.000 Euro rechnen. Es muss daher alles darangesetzt werden, Möglichkeiten zum Einkommensausgleich zu nutzen und diese auch den wirtschaftenden Milchviehbetrieben zugute kommen zu lassen. Ein Weg wäre die Einführung einer Prämie für Grünland und Ackerfutter; dafür müssen Mittel aus der Modulation herangezogen werden. Außerdem können dafür Mittel aus der nationalen Reserve genutzt werden, die für Härtefälle eingerichtet wird.
Wir werden mit dem Deutschen Bauernverband dafür kämpfen, dass der Referenzzeitraum 2000 bis 2002 kippt, da er jahrelange Rechtsstreitigkeiten provozieren würde. Wir setzen uns dafür ein, dass die Reform frühestens am 1. Januar 2007 greift und ein Bezugszeitraum gewählt wird, der möglichst zeitnah am Beginn der Reform liegt.
Nur so wird sich auch der bürokratische Aufwand für Bauern und die Verwaltung in Grenzen halten lassen. Würde tatsächlich ein Modell gewählt, das teilweise gekoppelte, teilweise entkoppelte und zusätzlich auch noch einheitliche Flächenprämien vorsieht, werden wir im Bürokratie-Chaos versinken.‘
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