25. April 2003

Vier Pfoten: Keine rosige Zukunft für Deutschlands Borstenvieh

Themen: Archiv — info @ 14:04

Hamburg (agrar.de) – Der von Verbraucherschutzministerin Renate Künast Mitte April vorgelegte Verordnungsentwurf zur Schweinehaltung erfüllt aus Sicht der Tierschutzorganisation ‚Vier Pfoten‚ nicht die Mindestanforderungen des Tierschutzes. Zwar sollen Schweine in Zukunft mehr Platz und Licht bekommen, zentrale Mängel der Intensivtierhaltung werden jedoch nicht deutlich angetastet. ‚Mit diesem Gesetzentwurf wird die tierfeindliche Haltung von Schweinen auf lange Sicht legitimiert, das natürliche Verhalten der Schweine dagegen kaum berücksichtigt‘, kommentiert Landwirtschafts-Kampaigner Thomas Pietsch den Vorschlag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL). ‚Renate Künast scheint angesichts einer übermächtigen Landwirtschaftlobby und heftigem politischen Gegenwind der Mut verlassen zu haben, die Agrarwende zügig voran zu treiben.‘

Kritisch bewertet Vier Pfoten, dass Sauen weiterhin über Wochen in viel zu engen Kastenständen gehalten werden dürfen, die ihnen nicht einmal das Umdrehen erlauben. In Abferkelbuchten soll den Tieren zwar Stroh angeboten werden, Abmessungen, die den Tieren das Nistbauverhalten ermöglichen, fehlen jedoch. Auch die tierquälerische Anbindehaltung soll noch bis 2006 möglich sein. Spaltenböden aus Beton über offenen Güllegruben sind ebenfalls weiter zulässig, obwohl dieses Stallsystem bei Mastschweinen nicht selten zu schweren Erkrankungen führt. Auf Spaltenböden kann den Tieren kaum Einstreu angeboten werden, so dass den Schweinen auch in Zukunft ein Ausleben ihres ausgeprägten Wühl- und Erkundungsbedürfnisses verwehrt bleibt. Da in der Praxis kaum ein Schweinehalter seinen Tieren Einstreu anbieten wird, bleiben nach dem Entwurf Holzteile an Spielketten und spezielle Fütterungsautomaten als Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese werden dem Verhalten der Schweine nicht gerecht. Ferkel können laut dem Entwurf schon drei Wochen nach der Geburt von der Mutter getrennt werden.

Als Verbesserungen stellt die Verordnung Tageslicht und ein merklich erhöhtes Platzangebot in Aussicht. So soll ein 100 kg schweres Mastschwein in Zukunft eine Fläche von bis zu 1,1 m² bekommen, europäisches Recht sieht dagegen nur 0,65 m² vor. Die Hälfte der Stallfläche soll als Liegebereich mit einem geringeren Spaltenanteil ausgestaltet werden, den Tieren zur Abkühlung eine Dusche angeboten werden. Um die Kastenstandhaltung einzuschränken, müssen Muttersauen während der Trächtigkeit circa 10 Wochen in Gruppen gehalten werden. Bestehenden Betrieben wird bis zur Umsetzung dieser Maßnahmen allerdings eine viel zu lange Übergangsfrist bis 2012 oder länger eingeräumt.

Artgerecht ist die Schweinehaltung nach Überzeugung von Vier Pfoten nur im Freiland und in ökologischer Auslaufhaltung. Davon ist der Entwurf leider meilenweit entfernt. Wirkliche Verbesserungen lassen sich bei der intensiven Schweinehaltung nur durch die mittelfristige Abschaffung von Spaltenböden zugunsten eingestreuter Ställe und durch ein zügiges Verbot der Kastenstandhaltung erzielen. Dringend notwendig ist auch eine Änderung des Tierschutzgesetzes, um das routinemäßige Kürzen der Schwänze und das Abschleifen der Zähne sowie die betäubungslose Kastration bei Ferkeln zu verbieten. Denn damit werden die Tiere weiterhin den Bedingungen der Intensivtierhaltung angepasst, anstatt endlich für tiergerechte Ställe zu sorgen

Es ist zu erwarten, dass die Unionsmehrheit im Bundesrat auch diesen sehr vorsichtigen Entwurf ablehnen wird. So haben auf der Agrarministerkonferenz im März 2003 neun CDU-geführte Bundesländer das BMVEL aufgefordert, die EU-Richtlinie eins zu eins umzusetzen und keine nationalen Sonderwege zu beschreiten. ‚Wir befürchten, dass selbst diese kleinen Fortschritte am Widerstand im Bundesrat scheitern werden“, erklärt Pietsch. Vier Pfoten appelliert deshalb an Renate Künast den Entwurf im Sinne des Tierschutzes nachzubessern. ‚Wir fordern die Bundesländer auf, Fortschritte bei der Schweinehaltung nach dem Beispiel anderer europäischer Länder endlich als Chance für die heimischen Erzeuger zu begreifen und nachhaltig zu unterstützen‘, so Pietsch.

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