25. Juli 2002

Niedersachsen: Getreideernte droht zum Debakel zu werden

Themen: Archiv — info @ 15:07

Hannover (agrar.de) – Die Getreideernte im Gebiet der Landwirtschaftskammer Hannover droht zu einem Debakel zu werden. Bei allen Getreidearten und in allen Regionen erwarten die Experten der Landwirtschaftskammer Ertragsausfälle und Qualitätseinbußen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Wintergerstenernte, die erst zur Hälfte abgeschlossen ist, ruht derzeit flächendeckend. Raps, der inzwischen ebenfalls reif ist, kann wegen der nassen Flächen nicht geerntet werden. Bei Weizen, Roggen und Raps bedroht zudem ‚Auswuchs‘ die Qualität und damit die Vermarktungsaussichten.

Allein auf den mit Winterweizen bestellten Flächen in Südhannover gehen die Fachleute inzwischen von einem wirtschaftlichen Schaden allein durch Ertragsausfälle für die betroffenen Landwirte von mindestens 2,5 Mio. Euro aus. In Südhannover (südl. Hannover, Hildesheimer Börde, bis Göttingen) werden auf rund 220.000 Hektar Winterweizen angebaut. 80 Prozent dieser Flächen wurden von den Unwettern und Regengüssen der vergangenen Wochen regelrecht plattgewalzt. Es steht jetzt schon fest, dass die Landwirte auf diesen Flächen mindestens 1 Tonne je Hektar weniger ernten werden als in normalen Jahren. Hält die Regenperiode an wird sich das geerntete Getreide darüber hinaus nicht mehr als Brotweizen vermarkten lassen. Die Körner in den am Boden liegenden Ähren beginnen erneut zu keimen (Auswuchs). Die Qualitätseinbußen sind dadurch so groß, dass der Weizen nur noch als Tierfutter zu einem weit niedrigeren Preis verkauft werden kann.

Ähnlich ernst sieht die Lage bei der zweiten Brotgetreidesorte, dem Roggen, und bei der Ölfrucht Raps aus. Hier sind es weniger die stark lagernden Bestände, die zu Ertragseinbußen führen, sondern vielmehr die ständigen Niederschläge, die Qualitätseinbußen zur Folge haben. Bei Roggen führt Auswuchs zum Verlust der Backfähigkeit. Selbst bei der Ölfrucht Raps ist inzwischen Auswuchs zu beobachten, was sehr ungewöhnlich ist. Die ölhaltigen Körner beginnen bereits in der Schote zu keimen. Bei der hohen Feuchtigkeit quellen die Schoten außerdem auf und platzen, was ebenfalls zum Verlust der Körner führt.

Die zu Ende gehende Frühkartoffelernte und die allmählich beginnende Ernte der Herbstkartoffeln wird durch das zwischen den Kartoffeldämmen stehende Wasser stark behindert. Außerdem begünstigt das feuchte Wetter die Pilzkrankheit Kraut- und Knollenfäule. Der Pilzbefall im Kartoffelkraut kann bei ausbleibender Bekämpfung auf die Kartoffelknollen übergehen. Dadurch kann es zu verminderter Lagerfähigkeit bis hin zum Totalausfall kommen. Ein Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule ist wegen der nicht befahrbaren Äcker zurzeit sehr schwierig.

Die einzige Feldfrucht, bei der die Experten weniger Probleme durch das extreme Regenwetter der vergangenen Woche sehen, sind die Zuckerrüben. Schäden sind bisher durch gebietsweise auftretenden Hagel bzw. auf vollständig überfluteten Flächen aufgetreten.

Der Deutsche Wetterdienst hat allein am 17. und 18. Juli, den zwei Tagen mit dem meisten Regen, an der Messstation Celle Flughafen 134 mm Niederschlag pro Quadratmeter gemessen, Platz zwei nahm Soltau mit 116 mm/qm ein. In der Woche vom 15. bis 21. Juli fielen in Celle insgesamt 148 mm Niederschlag pro Quadratmeter, in Braunschweig waren es mit 141 mm/qm kaum weniger, damit wurde das langjährige Mittel des Monats Juli mit 70 bis 75 mm/qm verdoppelt. In Soltau summieren sich die Jahresniederschläge im Durchschnitt der Jahre bis Mitte Juli auf 300 bis 320 mm/qm auf, in diesem Jahr erreichte dieser Wert mit 656,6 mm/qm bis zum 21. Juli ebenfalls das Doppelte.

Landvolk fordert Hilfen für unwettergeschädigte Landwirte

Aufgrund der zum Teil katastrophalen Witterung während der diesjährigen Getreideernte hat der Landvolkverband ein Hilfsprogramm für die geschädigten Landwirte gefordert. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium unterstützt die Vorschläge, die aber größtenteils bei der Europäischen Kommission in Brüssel genehmigt werden müssen. Dazu zählt beispielsweise die Nutzung von Stilllegungsflächen als Futterplätze für hochwasserverdrängte Rinder. In einigen Regionen mussten die Tiere bereits aufgestallt und die Winterfuttervorräte angebrochen werden. Des weiteren fordert der Landvolkverband die Erhöhnung der Getreidefeuchte um ein Prozent auf 15 Prozent für Interventionsware. Erleichterungen erwarten die Landwirte auch beim nachwachsenden Rohstoff Raps. Hier dürfte es in einigen Regionen Totalausfälle geben, sodass die Landwirte ihre Verträge mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (%url4%BLE%/%) nicht erfüllen können. Schließlich fordert der Landvolkverband als weitere Hilfsmaßnahme die Stundung von Steuerzahlungen. Sollte sich die dramatische Lage noch weiter verschlimmern und die Ernteausfälle zu einer existenzbedrohenden Lage der Landwirte führen, müsse ein finanzielles Hilfsprogramm des Landes und des Bundes in Erwägung gezogen werden.

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