23. Juli 2002

Fischler: Agrarpolitik kann sich gegenüber Erwartungen der Gesellschaft nicht taub stellen

Themen: Archiv — info @ 11:07

Brüssel/Berlin (agrar.de) – Anlässlich einer Diskussion der Kommissionsvorschläge zur Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik erklärte Agrarkommissar Franz Fischler heute in Berlin, dass es Änderungen brauche, um die Glaubwürdigkeit der Agrarpolitik wiederherzustellen. ‚Wir brauchen einen Aufbruch – im Interesse der Bauern, Konsumenten und Steuerzahler. Wenn wir es ernst meinen mit einer Politik, die Klasse statt Masse fördert, die Anreize setzt, dass die Bauern nicht für die Interventionslager produzieren, ihre Erzeugung nicht nach der Höhe der Subventionen ausrichten, sondern danach, was die Konsumenten wollen, welche die Bauern vom bürokratischen Joch des Ausfüllens von Formularen befreit, die unsere Agrarförderungen gegenüber unserer Gesellschaft und der WTO besser rechtfertigt, dann müssen wir die Direktzahlungen von der Produktion abkoppeln und deren Zahlung an die Einhaltung von Umwelt-, Lebensmittelsicherheits- und Tierschutzstandards binden‘, so Fischler.

Fischler betonte, dass die deutschen Landwirte es verdient hätten, ein angemessenes Einkommen zu erhalten und für ihre Umweltleistungen und die Pflege der Kulturlandschaften angemessen genauso direkt bezahlt zu werden wie für Agrarprodukte. ‚Die öffentlichen Güter werden über den Markt nicht abgegolten, werden aber von unserer Gesellschaft nachgefragt. Deshalb müssen diese Leistungen den Bauern von der Agrarpolitik abgegolten werden.‘

Zur vorgeschlagenen Obergrenze für Direktzahlungen fragte Fischler: ‚Ist es sozial, dass 80 Prozent der Gelder an 20 Prozent der großen Betriebe gehen? Ist es betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen, dass der Kostendegression im Fördersystem nicht Rechnung getragen wird, dass einige wenige Grossbetriebe jährlich EU-Subventionen erhalten, die jenseits der Millionengrenze liegen?‘

Fischler warnte vor manchen ‚Kassandrengesängen‘ aus Ostdeutschland bezüglich der angeblichen Effekte der Kappungsgrenzen für Großbetriebe. ‚Es wird gerne verschwiegen, dass wir auch einen Freibetrag von 3.000 Euro für alle über zwei hinausgehenden Arbeitskräfte wollen, um arbeitsintensive Betriebe nicht zu benachteiligen. Im Gegensatz zu dem, was oft behauptet wird, liegt dann die Förderobergrenze für eine ehemalige LPG in Brandenburg mit 165 Mitarbeitern nicht bei 300.000 Euro, sondern bei 800.000 Euro, dazu kommen noch Mittel für die Umwelt- und Investitionsprogramme. Auch gehen die durch Modulation oder Kappung eingesparten Gelder der Landwirtschaft nicht verloren, sondern können über die ländliche Entwicklung an diejenigen Landwirte zurückfließen, die nach dem Prinzip ‚Leistung und Gegenleistung‘ mehr für die Umwelt, Zertifizierung oder den Tierschutz tun‘, sagte der Kommissar.

Fischler erwartet auch, dass die verstärkte Förderung der Erzeugung und Vermarktung von Qualität die Preise und somit die Einkommen der deutschen Landwirte positiv beeinflussen werde, und dass mit der verstärkten ländlichen Entwicklungspolitik Deutschland und den Bundesländern mehr Flexibilität erhielten, wie sie die einbehaltenen Mittel verwenden wollten.

Der Kommissar unterstrich, dass der Auftrag der Regierungschefs an die Kommission in Berlin nicht darin bestand, die Agrarausgaben zu kürzen. ‚Der Budgetrahmen gilt bis 2006. Über die Finanzierung der EU nach 2006 wird zu einem späteren Zeitpunkt zu sprechen sein, allerdings im Gesamtkontext, der alle Politiken umfassen wird. Die Finanzierungsdebatte jetzt schon zu beginnen hätte nur einen Effekt. Die Erweiterung auf unbestimmte Zeit zu verzögern‘, so Fischler abschließend.

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