04. Juli 2002

AgrarBündnis: Agrarwende forcieren!

Themen: Archiv — info @ 09:07

Trotz guter Ansätze sieht das AgrarBündnis noch erheblichen Handlungsbedarf

Berlin/Rheda-Wiedenbrück (agrar.de) – Vor eineinhalb Jahren hat Ministerin Künast eine Agrarwende proklamiert. Am 4. Juli zog das AgrarBündnis Bilanz. Das AgrarBündnis ist ein Zusammenschluss von Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie Verbraucher- und Entwicklungspolitik. Es setzt sich seit Jahren für eine stärkere soziale und ökologische Ausrichtung der Agrarpolitik ein. Daher wurde auch Lob verteilt: Für die Umverteilung von Fördermitteln zugunsten ökologischer und tiergerechter Haltungsformen, für den Ausstieg aus der Käfighaltung von Legehennen oder für die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz.

Brigitta Poppe von der Verbraucherinitiative kritisierte das Kesseltreiben gegen die von Renate Künast eingeleitete Agrarwende. Der Erfolg der neuen Agrarpolitik könne aber nicht allein am Zuwachs von Öko-Anbauflächen gemessen werden. Der Nitrofenskandal zeige, dass die Qualitätssicherung – auch im Biolandbau – stärker in den Mittelpunkt der Agrarwende rücken müsse. Gefragt sei auch ein Verbraucherinformationsgesetz, das für mehr Transparenz sorge.

Die Frage der Machtverhältnisse innerhalb der Land- und Ernährungswirtschaft stellte Ulrike Ottenottebrock-Völker von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Die Agrarwende habe sich bisher zu sehr auf die Reglementierung der Produktion konzentriert und die soziale Frage vernachlässigt. Es sei versäumt worden, auch mit den Bäuerinnen und Bauern einen Diskurs zu beginnen, um diese einzubeziehen und als aktive Träger einer Agrarwende zu gewinnen. Das Ergebnis sei eine breite Abwehrhaltung selbst bei den Bauern, die von einer Agrarwende begünstigt werden könnten.

Notwendig sei mehr Demokratie und Transparenz in allen Stufen der Erzeugung und des Handels. Der Nitrofen-Skandal habe u.a. deutlich gemacht, dass auch der ökologische Landbau zunehmend mit der Agrarindustrie verflochten sei. Ohne eine ausgewogene Machtverteilung zwischen allen am Gesamtprozess der Erzeugung und Vermarktung Beteiligten werde eine Agrarwende langfristig nicht tragfähig sein.

BUND-Agrarsprecher Prof. Dr. Hubert Weiger ging ebenfalls auf den aktuellen Nitrofen-Skandal ein. Es sei deutlich geworden, dass von Pestiziden nicht nur beim Einsatz, sondern auch Jahre später als Altlast der konventionellen Landwirtschaft Gefahren ausgehen. Er forderte die Agrarminister der Länder auf, zusammen mit den Umweltministerien Pestizidaltlasten aufzuspüren und diese zu entsorgen. Außerdem sprach er sich für eine Forcierung der Agrarwende aus, den Einsatz der zur Zeit über tausend in Deutschland zugelassenen Pestizide drastisch zu reduzieren.

Für eine Abkehr von der ‚grünen Gentechnologie‘ plädierte Friederich von Homeyer vom Bioverband Demeter. Die Gentechnik passe aus ganzheitlicher Sicht nicht zur ökologischen Agrar- und Ernährungskultur. Gleichzeitig werde durch die weltweit zunehmende Ausbringung gentechnisch manipulierter Organismen die Erzeugung gentechnikfreier Lebensmittel immer schwieriger, obwohl immer mehr Verbraucher dies wünschten. Homeyer wies auch auf die Probleme des Strukturwandels hin: ‚Die Landwirtschaft braucht nicht weniger, sondern mehr Menschen: Den Boden nachhaltig zu bewirtschaften oder Tiere artgerecht zu halten, das macht mehr Arbeit. Eine zukunftsorientierte Agrarkultur ist nicht denkbar ohne Verringerung der Arbeitsbelastung und eine Vermehrung der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft.‘

Für Immo Lünzer, Geschäftsführer des Forschungsrings für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise, sind mit der eingeleiteten Agrar- und Ernährungswende viele der agrarpolitischen Vorstellungen des ökologischen Landbaus ihrer praktischen Realisierung ein gutes Stück näher gekommen. Mit den erhöhten Flächenprämien, den verbesserten Investitionsbeihilfen und dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau werde sich der Anteil der Biobetriebe weiter erhöhen und das Bewusstsein für hohe Lebensmittelqualität und Sicherheitsstandards werde steigen. Die geplanten oder bereits realisierten Maßnahmen seien jedoch nicht ausreichend. ‚Sie haben nur punktuellen oder Projektcharakter und sie sind zeitlich begrenzt. Es bedarf jetzt einer langfristigen Strategie zur nachhaltigen Entwicklung des ökologischen Landbaus in Deutschland in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn.‘ Beispielsweise müsse das staatliche Förderinstrumentarium überarbeitet werden. Auch die bislang praktizierte Anpassung der Forschungsgelder an den jeweiligen aktuellen Anteil der Biofläche nütze wenig, denn der ökologische Landbau habe in Sachen Forschung erheblichen Nachholbedarf. U.a. forderte er eine verstärkte Förderung einer ökologischen Pflanzen- und Tierzucht, angepasster Landtechnik sowie Nutzung regenerativer Energiequellen.

Bilanz-Dokument des Agrarbündinis (ZIP-Datei)

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