Autor Thema: Nervenkostüm bändigen  (Gelesen 2916 mal)

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osch

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Nervenkostüm bändigen
« am: 13.04.07, 23:23 »
Hallo wer noch meine ersten Postings kennt weiss das ich als Anfänger grosse Schwierigkeiten
mit meinem Pferd hatte. Er ist mir damals beim versuch 500 m Strecke vom Stall zur benachbarten
Reithalle abgehauen da ich ihn nicht halten konnte und auch nicht den geringsten Plan hatte wie
ich reagieren soll.
Seit dem ist etwas Zeit vergangen und mit regelmässigen Reit/Bodenarbeitsstunden bei einer guten
Trainerin hab ich viel gelernt. Heute hatte ich dann in etwa das gleiche erlebnis wie vor 3 Monaten
wir sind neues Gelände erkunden gegangen und er hat sich plötzlich furchtbar erschrocken und
ist mit einem ruckartigen satz an mir vorbei ich konnte ihn diesmal ohne viel Druck sofort halten
habe sofort die Führleine wieder durchhängen lassen und bin dann ohne zögern lobend mit ihm
weitergegangen. Danach wich er mir nicht mehr von der Seite und ist den gesamten Weg ruhig,
gelassen und aufmerksam mitgegangen.
Wir waren etwa 45 Minuten unterwegs ich verspüre allerdings durch meine schlechten erfahrungen
immer eine nervliche Belastung obwohl ich sicher bin das ich diese Situationen jetzt meistern kann.
Mach ich mir da zu viel nen Kopf? Wie ist das bei euch die schon laaange Pferdeerfahrungen habt
lasst ihr alles auf euch zukommen getreu dem Motto wird schon werden oder ist da auch nach
Jahren mal diese, wie soll ich es nennen, überkonzentration zu spüren und wie bekommt ihr euch
dann selber in den Griff? Ich denke das Pferd in den Griff zu bekommen ist einfach so lange man
sich selber im Griff hat wie mir der heutige Tag klar gezeigt hat.

Offline Eureka23

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Re: Nervenkostüm bändigen
« Antwort #1 am: 14.04.07, 01:15 »
Hallo Osch,

ich denke, du bist auf dem richtigen Weg. Mit zunehmender Erfahrung weißt du, dass ein zuckendes Pferd sich nicht immer gleich losreißen wird, das hast du ja nun erlebt.

Meine Erfahrung: Mit der Pferde-Erfahrung kommt auch die Gelassenheit, die sich auf Pferde überträgt. Es kommt zu einer "unterschwelligen" Konzentration, wie beim Autofahren, das macht man ja auch irgendwann automatisch und reagiert trotzdem blitzschnell, wenn es brenzlig wird.

Ich würde allerdings ein zuckendes Pferd nicht loben, wofür denn? Weil es so schön rumgehopst ist?  Nix da! Sowas kann man getrost ignorieren.
Gibt es beim Gehopse womöglich einen Bodycheck, dann knallt das auch mal ordentlich. Ein Pferd hat genügend anderen Platz, wo es hinspringen kann, wo ich bin, kann es nicht sein, fertig! Das kapieren die Tiere auch recht schnell.

Um mich in den Griff zu bekommen, damit das auch alles klappt, hilft mir am besten, positiv zu denken ("Wir machen einen schönen Spaziergang, nichts wird uns davon abhalten!" oder so, je nach Vorhaben). Vorrausschauend zu sein ist auch gut, ich habe die möglichen "Schreckgespenster" am liebsten bereits VOR dem Pferd entdeckt. Wenn es denn zu Unwägbarkeiten kommt (plötzlich aufflatternde Fasane z.B.), dann ist es eben so, da macht man nix dran, aber das Pferd muss nicht unbedingt gleich entfliehen und kilomertweit wegrennen (Erfahrungswert, das kennst du ja nun auch).

Manchen Leuten hilft es, zur Entspannung zu singen oder sich ein Liedchen zu pfeifen, wenn sie mit dem Pferd laufen oder reiten. Ich habe es noch nicht versucht, aber davon gehört, ich glaube schon, dass das von der Überkonzentration auf evtl. eintretende Probleme ablenken kann.

Liebe Grüße

Eureka23




Offline Figonero

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Re: Nervenkostüm bändigen
« Antwort #2 am: 14.04.07, 15:31 »
Osch, das hoert sich doch alls ganz gut an! Und so Hopser sind normal, vor allem wenn man nicht den total abgeklaerten, erfahrenen Oldie besitzt. Leicht gesagt und oft schwer getan: mach Dir nicht so nen Kopf! Gerade diese "Ueberkonzentration" auf die etwaigen Reaktionen des Pferdes wird von diesem wahrgenommen und entweder als Unsicherheit interpretiert (bei den forscheren, dreisteren Typen), oder als eigene Aengstlichkeit vor irgendwas, was das Pferd nicht sieht, "aber der da am Anderen Ende des Strickes hat was gesehen, ich bin ganz sicher, da MUSS was sein, ich spuers doch, dass der/die auch Angst hat!"

Ein kleines Beispiel: ich hatte wenig Erfahrung mit Jungpferden und sollte eine Dreihjarehrige, ungearbeitete Stute fuehren. Schon vorher malte ich mir aus, wie ich wohl mit dem rohen Pferd ueber eine kleine Treppe und ein enges Tor kommen soll, wie sie mir von hinten in die Haxen springt, was ich tun soll wenn......Resultat, wir kamen gar nicht vom Fleck, die gegenseitige Unerfahrenheit schaukelte sich immer mehr hoch. Bis es meinem damaligen LG gereicht hat, er nahm den Strick, lief schnurstracks los, guckte noch nicht mal, ob und wenn ja wie das Pferd hinterherkommt, Treppe rauf, durchs Tor, fertig. Der "Trick" ist der, einfach dem Pferd zu vermitteln ICH weiss genau was ich tue, und ich weiss genau, dass Du das tun wirst, was Du sollst. Trotzdem schadet es nicht, sich fuer alle faelle zu "wappnen".....Strick nicht um die Hand wickeln, lang genug um im Falle des Falles nicht gleich loslassen zu muessen, bei heftigeren Pferden evtl. Tellingtonkette oder andere Halfter, die etwas mehr wirken als das Stallhalfter, evtl Gerte in der anderen Hand...... Nur fuer alle Faelle, denn DU WEISST ja ganz genau und bist bis zum Beweis des Gegenteils felsenfest davon ueberzeugt, dass das Pferd brav mitdackeln wird!
Kerstin

Offline Neele

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Re: Nervenkostüm bändigen
« Antwort #3 am: 23.04.07, 14:13 »
Hallo Osch,
Figonero beschriebt das sehr gut.  Solange DU genau weißt was du willst und zielstrebig (nicht unsicher) deine Sachen erledigst, gibst du dem Pferd das Gefühl "Der Boss sagt, alles ok, also brauch ich mich auch nicht fürchten".
Wenn du dann doch mal Situationen vor dir hast, bei denen du unsicher bist, denke nicht daran, was alles passieren KÖNNTE, sondern stell dir genau und bildklich vor, wie es ablaufen SOLL. Also nicht: "da ist eine große Wiese, bitte bitte renn nicht da hin, bitte lauf nicht grasen, bitte jkomm nicht auf die Idee, die Wiese läd zum losbuckeln ein" Sondern fest dran denken: wir laufen jetzt hier auf diesem Weg, gerade aus. Da vorne ist die Wegkreuzung, da reite/führe ich jetzt hin" Macht einen großen Unterschied!

Ich singe übrigens auch, wenn ich unsicher bin. Lenke ich mich selbst ab und konzentriere mmich auf was anderes. Anspannung lässt so bei mir schneller nach. (Außerdem komm ich nicht auf den Trichter, ständig aufs Pferd einzureden -ist doich gut,passiert idr niiichts,schöööön ruuuuhig...- ich glaub, das macht Mensch und Pferd noch mehr kirre.

Aber du scheinst genau auf dem richtigen Weg zu sein!