Anja, deinem vorletzten Beitrag kann ich so nicht wirklich zustimmen.
Klar, es gibt leider massenhaft unsoziale Pferde. Und bei vielen muss man wirklich sagen, dass die (zum Schutz der anderen Pferde) besser nicht in einem Offenstall gehalten werden sollten. Wir haben bei uns am Hof auch zwei Kandidatinnen und zwei Wallache, die sind sowas von asozial, die gehen auf die anderen Pferde los, attackieren die, keilen gezielt aus... Tja was soll ich sagen. Sind allesamt Pferde von Privat
züchtern"hinterhofvermehrern", die als Fohlen mit Mutterstute allein aufgewachsen sind und eben nicht im Herdenverband, und auch nur tagsüber auf der Wiese und nachts in der Box, im Winter dann als Absetzer auch wieder in der Box. Dass solche Tiere nachher Probleme haben, in einer Gruppe zu leben, ist ja wohl nicht verwunderlich.
Ich hab auch drei Kreuze gemacht, als sie die beiden unverträglichen Wallache aus der Weidegruppe gekickt haben. Ist natürlich nicht schön für die zwei, aber besser für die anderen 10 Pferde.
Meiner war übrigens auch anfangs nicht sehr beliebt, weil ziemlich hengstig. Der war bis 5jährig Hengst und ist von Absetzer an nur mit seinem gleichaltrigen Weidekumpel aufgewachsen. Gab oft Beschwerden über ihn weil er die anderen Pferde über die Weide gejagt hat. Ich hab das Glück gehabt, dass ich trotzdem immer die Möglichkeit hatte, ihn mit anderen raus zu tun, auf sehr großen Weiden dass das Verletzungsrisiko minimiert wurde, und auch mit älteren, sehr ranghohen Pferden, die meinen dann gedeckelt haben wenn er es zu bunt trieb. Die ersten 2 Wochen in einer großen Herde, Tag/Nacht draußen sah er aus wie ein Flickenteppich, danach war Ruhe.
Heute ist er der verträglichste Kerl. Und ich würde sagen, absolut offenstalltauglich.
Pferde, die von Geburt an im Herdenverband aufgewachsen sind - und zwar mit durchmischten Altersklassen von Spielkamerad bis "netter Onkel", sind in der Regel absolut sozialverträglich. Kenne zumindest keins, das so aufgewachsen ist und im späteren Alter Verträglichkeitsprobleme hatte. Dafür aber massig Problemfälle, die zu früh in die "Zivilisation" geholt wurden, also zB als Jährling gekauft und von da an in einer Reitanlage untergestellt wurden, in der es geeignete Weidegruppen nicht gab.
Es stimmt aber absolut nicht, dass ein Stallbetreiber mit einem Offenstall kein Geld verdienen könnte. Ein seriöser Offenstallbetreiber hat geeignete Räumlichkeiten und Anlagen, um Neulinge langsam in die Herde zu integrieren, also nix zackbumm einfach mit auf die Wiese, in eine womöglich seit 10 Jahren eingeschworene Pferdegruppe, und sieh zu wie du zurecht kommst. Außerdem sollte es auch immer die Möglichkeit geben, zB bei Verletzungen, ein Pferd zu separieren und ruhig stellen zu können. Wenn ein OS das nicht hat, wäre er zumindest für meinen Murphy nicht geeignet
Ein guter Offenstallbetreiber "sieht" auch, wann es dann Zeit ist, die Pferde endgültig zusammen zu lassen, nachdem sie in der Regel eine Zeit in einem separierten Stück innerhalb der eigentlichen Gruppe gewohnt haben.
Wenn ein Pferd sich als absolut unverträglich herausstellt, muss es halt wieder gehen. Wäre ziemlich unverantwortlich, ein solches Pferd in der Gruppe zu lassen und das wird auch kein OS-Betreiber tun, der noch bei klarem Verstand ist. Und lauter Séparées sind ja auch keine Dauerlösung sondern nur zur Eingliederung gedacht.
Ich hab mir zwar noch nicht viele Offenställe angesehen, aber die, die ich besichtigt habe, haben auf mich einen echt super guten Eindruck gemacht. Bin mehrfach hingefahren und hab die Gruppe beobachtet, ob es da Stunk gibt. Nix. Die waren total ausgeglichen und ruhig. Die Stallbetreiberin hat mich 20min lang "verhört" und mir eingebleut, dass ich mir das GANZ GENAU überlegen soll, weil sie kein Pferd eingliedern möchte, was dann 2 Monate später wieder geht. Sie will nicht diese Unruhe in der Gruppe. Man hat gemerkt, dass sie da wirklich ein Auge drauf hat, dass die Zusammenstellung passt.
Und das war nicht einmal ein Stall, dessen Besatz besonders gering gewesen wäre, und die Schlafhalle fand ich auch nur suboptimal weil relativ klein und nur zwei Eingänge. Aber in der Gruppe war einfach ein super Klima.
Hab dann noch die Einsteller befragt, die haben durchweg Positives berichtet. Wenige Verletzungen, und wenn, dann nur mal kleine Bisswunden oder sowas, keine ernsthaften Trittverletzungen o. Ä.
Ganz ehrlich, da ist das Verletzungsrisiko in unserem normalen Pensionsstall mit Weidegang DEUTLICH höher. Erst gibt es das Gehampel und Gezicke in den Boxen, bei JEDER Fütterung. Da wird gegen die Wände gekeilt und gegiftet was das Zeug hält. Im Winter kommen die meisten Pferde dann nur auf zirkelgroße Sandausläufe - zu dritt oder zu viert. Schnell keimt da Langeweile auf und ich beobachte nicht selten, wie der Ranghöchste in der Gruppe sich mit angelegten Ohren in die Mitte stellt und die anderen Join-Upt. Oder er drängt ein anderes Pferd in die Ecke und donnert drauf.
Und im Sommer werden dann 10-15 Pferde von jetzt auf gleich zusammen geschmissen. Das ist dieses Jahr wirklich sehr gut gegangen, aber es sind auch fast alle absolut verträglich gewesen. Außerdem haben wir noch das Glück, dass die Weiden relativ groß sind. Aber wir haben auch relativ viel Fluktuation - seit Januar sind dort 2 Pferde gestorben, 3 gegangen/verkauft worden, und 5 neu gekommen. Wenn ein Stall ständig neue Pferde in die Herden schickt, ist es da verwunderlich, wenn es öfter mal zu Trittverletzungen kommt? Hinzu kommen dann immer die gefährlichen Minuten kurz nach dem Rausstellen, und abends, wenn sich alles am Weidetor drängelt.
Ich weiß ja auch dass es noch nicht allzu viele gute OS gibt. Drum steht meiner ja in einer Box mit Weidegang. 30km einfache Strecke sind mir einfach zu weit weg, um noch regelmäßig reiten zu gehen, und noch hab ich ja die Hoffnung, zum Ende des Sommers wieder antrainieren zu können. Aber wenn das Projekt Offenstall scheitert, hat das entweder den Grund, dass mit "Offenstall" eine Weidehütte mit Wiese drum herum gemeint ist, oder, dass eine gut gebaute Anlage hoffnungslos überbesetzt ist, oder einfach weil das Pferd nicht sozialisiert ist.
So ein Hinterhofvermehrer-Kaspar-Hauser-Pferd würd ich mir übrigens niemals (nicht noch einmal
) anschaffen. Erstens hat man ewig den Ärger mit der Vergesellschaftung. Meiner fühlte sich in einer Paddockbox ja ständig belästigt und fand überhaupt keine Ruhe und auf der Weide hat er lange Zeit Stunk gemacht. Zweitens ist es für kein Pferd gut, wenns allzu behütet in Boxenhaltung groß wird. Die stehn sich dann schon als Fohlen die Beine kaputt, werden nicht fürs Leben abgehärtet und sind zu blöd gescheit bergauf und bergab zu gehen. Nee nee, mein nächstes Pferd wird eher ein Almweiden-Survivor