Autor Thema: Aicha und ihre Panikattacken  (Gelesen 4161 mal)

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Offline Aicha 2Topic starter

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Aicha und ihre Panikattacken
« am: 01.12.05, 11:49 »
Hallo,

jetzt will ich hier mal mein Problem ins Forum stellen, vielleicht (hoffentlich)kann jemand weiterhelfen.

Es geht um unsere Isi-Stute Aicha, sie ist eigentlich sehr verschmust, brav und wir sind eigentlich ein gut eingespieltes Team. Zwar ist sie hochsensibel (sehr weich im Maul, reagiert bei zu festen Zügelhilfen mit buckeln/durchgehen und sperrt ziemlich schnell, wird jetzt Westerngeritten fast ohne Zügelhilfen, reagiert dabei sehr feinfühlig auf Gewichts- und Schenkelhilfen) aber trotzdem arbeitet sie am Platz wunderbar mit und ist im Gelände relativ unerschrocken. Beim Hufschmied oder auch beim Putzen ist Aicha ein Traum, hält stundenlang still (unsere Pferde werden beim putzen und satteln nicht angebunden und genießt beim Schmied und beim putzen zwischendurch ihre streicheleinheiten). Wenn sie suf der Koppel oder in der Box mal liegt kann ich mich zu ihr setzen und sie genießt es auch da zu schmusen.
Aicha wurde damals verkauft weil ein knapp 8jähriger Junge und dessen Eltern nicht mit ihm zurechtkamen und auch nicht viel Ahnung von Pferden hatten. Sie war nicht gut eingeritten und es ist ein wunder das sie noch so feinfühlig reagiert.

Nun zu unserem Problem:

Aicha reagiert in manchen Situationen mit Panikattacken (auf der Koppel durch Flucht, in der Box/Paddock mit nervösem rumdrehen und getrappel, ist aber kein Spiel oder Dominanzverhalten, sondern wirkliche Panik)
Beispiele:
Fremde Personen (auch Bekannte die Aicha kennt)haben etwas in der Hand (auch ihr vertraute Gegenstände wie z.B. ihr Halfter) reagiert sie mit Panik. D
Das wär ja nicht so schlimm wenn sie es nur machen würde wenn ich nicht dabei bin, aber auch da reagiert sie mit Panik.

Vor Gerten und Stöcken hat sie generell Panik (auch wenn ein Mitreiter mit der Gerte nur in unsere Richtung geht oder an uns zu nah vorbeireitet, wir reiten sowieso nur ohne).

Longieren wird immer ein riesenaufwand, erst mal Longiergerte und Longe auf den Platz legen, dann Aicha ohne Longe von der Koppel/Paddock holen (mit Longe reagiert sie mit Panik) , dann zum Longieren fertig machen und am Platz dann erst mal Longe ran und sie tickt aus. Sie läuft dann erst mal 10minuten wie eine irre umher (hat aber auch hier wieder richtig die Panik in den Augen, ist ein ganz anderes Laufen als beim Spielen) und braucht einige Zeit bis sie sich beruhigt, dann kann ich vorsichtig beginnen sie zu longieren. Die Longiergerte darf ohnehin nur ich nehmen, bei jedem anderen beginnt sie sofort wieder durchzudrehen. Sie lässt sich dann aber wunderbar longieren und arbeitet fleissig.

Fremde Gegenstände in meiner Hand und ich gehe auf sie zu und sie tickt aus. Besser ist es wenn ich sie führe und dann etwas in die Hand nehme wird meist akzeptiert.

Sie hat keine Probleme mit den Gegenständen an sich, sondern nur wenn sie jemand in der Hand hat. Also nur Angst in Verbindung Mensch-Gegenstand. Lege ich ihr eine Gert am Boden spielt sie damit. Sie spielt auch gerne mit dem Ball oder auch mit raschelnden Sachen. Autos, Hubschrauber, Flieger, Panzer usw. beeindrucken sie gar nicht (bei uns ist gleich eine Kaserne). Sie ist weder geräuschempfindlich noch wär sie anderweitig extrem schreckhaft.
ch denke das es vielleicht vorher nicht so gut ergangen ist und sie durch Menschen schlechte Erfahrung gemacht hat.
Ich würde aber gerne daran arbeiten, damit sie allgemein mehr Vertrauen in die Menschen bekommt.
Was ich am wenigsten verstehe ist das ich mich zu ihr setzen kann wenn sie liegt aber trotzdem angst zeigt wenn ich ihr fremde Dinge in der hand halte.

lg,
Sandra

Offline Ipanema

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Re: Aicha und ihre Panikattacken
« Antwort #1 am: 01.12.05, 12:02 »
Na, so wie du es beschreibst, hat sie schon mal schlechte Erfahrungen gemacht mit fremden Leuten oder Leuten, die merkwürdige Dinge in der Hand hielten. Wie lange habt ihr sie schon? Ist doch toll, wenn sie in so vielen Situationen schon Vertrauen zu dir hat. Der Rest wird mit der Zeit von selbst kommen, denke ich.

Um die Gewöhnung an fremde Dinge zu beschleunigen - das ist ja kein Zustand, wenn z.B. fremde Leute sie nicht aufhalftern können - würde ich das jetzt gezielter trainieren. Also: Beim Putzen liegen ab jetzt Longen, Gerten, Stöcke u.a. am Boden rum (natürlich so, dass sie nicht drauftrampelt  :)). Ist das ok, kann man mal kurz ein Teil hochheben, wieder hinlegen. Dann putzen mit einer Hand, die andere hält Stock, Longe etc.
Ist es beim Putzen anfangs zu gefährlich (weil Pferd wegrennen könnte, insbesondere da du ja normalerweise nicht anbindest), dann üb auf dem Reitplatz, mit Handschuhen und langem Strick am Pferd.
Lass sie auch öfter mal von fremden Leuten zur Weide führen, halten etc.
Einfach Gewöhnung. Jeden Tag ein bisschen, nicht 1x wöchentlich eine halbe Stunde!

Wer sich auskennt, kann auch mit Methoden à la Monty Roberts, Parelli etc. Erfolg haben, wer sich damit nicht auskennt, sollte es aber m.E. lieber lassen und einfach in ganz kleinen Schritten vorangehen.
Gute Idee wäre auch Clickertraining, im Gegensatz zu anderen Methoden kann man sich das m.E. auch aus Büchern und mit Hilfe von sachkundiger Beratung (z.B. Agrarforum  ;)) selbst kundig machen.

Ein Bodenarbeitskurs - egal bei wem - würde euch wahrscheinlich weiterbringen.

Offline zaino

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Re: Aicha und ihre Panikattacken
« Antwort #2 am: 01.12.05, 13:34 »
Gerlinde schrieb doch in der Box "schöne ERlebnisse" dass sie den traumatisierten HEinrich mit seinen Panikattacken per Clickertraining gut hingekriegt hat. Guck doch mal da u. lies Dich durch.

Offline Viki

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Re: Aicha und ihre Panikattacken
« Antwort #3 am: 01.12.05, 22:02 »
In dem Kurlandbuch (A. Kurland, Clickertraining, Cadmosverlag) wird der Fall einer hochsensiblen, verdorbenen Vollblutstute geschildert - ist interessant zu lesen. Die Leute haben ihre Ziele erreicht, aber es hat sehr lang gedauert.

Ich denke, das Pferd wurde geschlagen oder evtl. beworfen (ich kenn eine Pferdebesitzerin, die ihre Pferde mit Schuhen bewirft, einfach unbeherrscht. Könnte ja evtl. ein 8jähriger auch getan haben...).Unter Isländern findet man außerdem relativ häufig hochsensible Pferde, die austicken bei Angst. Es wird nicht schnell gehen.

Die Clickermethode fängt mit Konditionieren und dem Kommando "Touch" (Berühre es!) an - das ist ganz leicht zu lernen und ich könnte mir vorstellen, dass das schon reichen würde. Wenn sie lernt, Dinge in der Hand zu touchen und es ist immer gut, dann wird sie mit der Zeit Vertrauen finden.

Später kann man sie an Peitschen gewöhnen - aber das würd ich nicht am Anfang machen. Man muss sie ja nicht longieren, wenn das jetzt negativ auf sie wirkt.

Offline Ipanema

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Re: Aicha und ihre Panikattacken
« Antwort #4 am: 02.12.05, 08:52 »
Ja, das "Touch" hat sich bei uns auch sehr bewährt. Nun ist mein Pferd alles andere als ängstlich, aber manchmal gibt es schon Dinge, die er "komisch" findet. Auch wenn ich auf ihm draufsitze, ich muss nur auf den Gegenstand zeigen und er geht hin und beschnuppert ihn vorsichtig - und dann ist's ok.

Zur Peitschen- und Gertengewöhnung: Ich bin kein Freund von Vermeidungsstrategien. Gerten waren das einzige, vor dem mein Pferd Angst zum Zeitpunkt des Kaufes hatte (kann mir auch gut vorstellen, woher das stammt, ist ein Lusitano, der mit fast 4 Jahren zum ersten Mal "angefasst" und in den Transporter nach D verladen wurde - falls er nicht gleich einsteigen wollte, hat er in P mit Sicherheit die Gerte kennengelernt). Die Vorbesitzerin hatte schon Gertentraining mit ihm gemacht, d.h. man konnte ihn longieren, man konnte ihn auch an der Hand halten und mit der Gerte abstreichen, auch damit aufsitzen - aber halt immer nur gaaanz vorsichtig und langsam, bei dauernd misstrauisch zurückgelegten Ohren, und wehe, man machte eine zu schnelle Bewegung (Pferd war da ca. ein halbes Jahr in D).
Nun, ich reite immer mit Gerte. Punkt. Ich brauch sie, zum Fliegenverscheuchen, zum Schnee-von-Zweigen-schütteln, zu was auch immer und auch um gegebenenfalls mein Pferd anzutreiben (ein tock-tock mit der Gerte finde ich sanfter und für ein Jungpferd besser verständlich als drückende oder gar bolzende Schenkel). Also war die Gerte immer dabei. Lag beim Putzen griffbereit, wurde auch mal in der Hand gehalten, war beim Führen dabei, war beim Reiten dabei. EINGESETZT wurde sie im ersten Jahr fast gar nicht, sie war nur DA. Benützte ich sie mal ganz vorsichtig, zuckte Pony immer zusammen wie von einem elektrischen Schlag getroffen. Aber in zwischen ist Gerte ganz normal und kann auch normal benutzt werden (nicht zum Schlagen, sondern zum Touchieren, selbstverständlich  ;))

Außerdem ist Gerte unverzichtbar bei vielen Zirkuslektionen. Und da Zirkus = Leckerli ist auch Gerte = baldiges Leckerli  ;D

Offline Aicha 2Topic starter

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Re: Aicha und ihre Panikattacken
« Antwort #5 am: 02.12.05, 12:05 »
Hallo,

mit dem Clickern kenne ich mich zumindestens etwas aus, da ich auch schon Hunde beclickert habe(die es auch schnell begriffen haben und super über Clicker zu erziehen waren), wobei es bei meinen eigenen nicht funktioniert hat, was seine Vor-und Nachteile hat. Könnte es mit aicha mal versuchen, da sie sehr "empfänglich" für Leckerlie ist und auch sehr auf mich fixiert.

Beispiel von gestern:
Wir wollten gestern unsere Pferde mal  von der Koppel in ihre Boxén/Paddocks laufen lassen (aber einzeln), normalerweise werden sie geführt. Der Hunger war schon groß und es ist nur ein kleines Stück über unser Grundstück und keine Gefahr auf die Strasse oder so zu laufen. Heu war in den Boxen also ging es los (wir wollten es eigentlich nur mal testen, ob sie jetzt in der kurzen Zeit in der sie in unserem Stall sind auch in ihre eigenen Boxen laufen). Oscar im Galopp ab in die Box, Maya genauso, dann lies ich aicha raus und was macht sie, bleibt bei mir stehen. Also ging ich langsam richtung stall, gemächlich ist aicha mitgetrottet. Vor dem Paddock/Box blieb ich stehen und Aicha stoppte auch. Erst mit dem Kommando "ab" lief sie sofort rein um zu fressen.


Offline haukur

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Re: Aicha und ihre Panikattacken
« Antwort #6 am: 02.12.05, 14:04 »
Bei Haukur habe ich mit Clickertraining seine Panikattacken vor blinkenden Baustellenlampen "kurieren" können - jetzt muss ich schon bald aufpassen, dass er die Lampen (sind ein Target) nicht umwirft!  Netter Nebeneffekt, er bettelt heute deutlich weniger als früher (es gab bei uns Leckerli-fütternde Besitzer - und dann jeweils gleich dem ganzen Stall  >:(!).

Bei einem Isi mit Gertenproblem habe ich einfach mit einem superkurzen Aestchen angefangen - in Notfall konnte ich das Aestchen einfach fallen lassen - und in dem Masse, wie er sich daran gewöhnt hatte, wurden die Aestschen länger.  Heute würde ich das  mit Clickertraining angehen.

Von Do-it-yourself Roundpen-Training würde ich gerade bei einem hochsensiblen Pferd dringenst abraten. Da macht man sehr schnell viel mehr kaputt, als man gewinnt. Und es gehört sehr viel Erfahrung dazu.

Charly