Boss-Logistik-Chef informiert Gemeinderat
Oberbürgermeister Heirich plant nach den Osterferien eine Sondersitzung im K3N Kritik am undemokratischen Verhalten einzelner Räte
NÜRTINGEN. Die Absicht der Stadt Nürtingen, auf dem Großen Forst ein Distributionszentrum des Metzinger Modekonzerns anzusiedeln, stößt in Nürtingen auf Widerstand der Bevölkerung und sorgte in den zurückliegenden Wochen für eine Vielzahl von Gerüchten. Bei einer Pressekonferenz im Nürtinger Rathaus und einer sich anschließenden Informationsveranstaltung für Gemeinderäte im Sitzungssaal informierte Ralf Schneider, Direktor Logistik bei Hugo Boss, gestern Nachmittag über die Pläne und beantwortete Fragen rund um das Vorhaben.
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Die Logistik ist bei Boss ein stark wachsender Bereich. In 110 Länder liefert das Unternehmen Produkte der Nobelmarke. Die Palette reicht von Anzügen, über Hemden, Gürtel, Schuhe, Taschen, Reisegepäck und viele andere Dinge mehr. Waren, die in verschiedenen Ländern produziert werden und in naher Zukunft von einem großen Zentrallager aus in die unzähligen Shops verschickt werden sollen. Für die Hängeware, also Anzüge, Kleider oder Kostüme wird derzeit in Metzingen ein großes Distributionszentrum im Industriegebiet Längenfeld gebaut.
Und weil der Modekonzern auch die Liegendware, sprich Jeans, Pullis, Hemden, Krawatten, Taschen und viele andere Artikel mehr, von einem zentralen Lager aus an die weltweit ansässigen Shops verschicken möchte, will man so schnell wie möglich ein weiteres Distributionszentrum bauen. Zwei Standorte, Braike-Wangen im Metzinger Stadtteil Neuhausen und den Großen Forst in Nürtingen hat man dabei ins Auge gefasst. Boss ist unter Zeitdruck, man möchte mit dem Bau des Lagers so schnell wie möglich anfangen. Und deshalb verschweigt Logistik-Chef Schneider auch nicht, dass man in der Stadt mit dem Bau beginne, in der man zuerst den begehrten roten Punkt bekomme.
Dass es für Metzingen und Nürtingen unterschiedliche Planungskonzepte gibt, begründet Ralf Schneider mit den topografischen Gegebenheiten, die dem Unternehmen in Nürtingen ermöglichen würden, die Intralogistik komplett anders auszurichten. Auch die Frage, warum das Unternehmen in Nürtingen ein Auge auf 20000 Quadratmeter habe, klammert er nicht aus. Die Investition in die Intralogistik sei so hoch, dass man sich die Option auf eine Erweiterung am Standort offen halten möchte. Im ersten Bauabschnitt plant Boss in Nürtingen ein Gebäude, das 160 Meter breit und 180 Meter tief sein wird. Etwa 80 Meter des Lagers werden 20 Meter hoch und die restliche Fläche von 160 auf 100 Meter wird 15 Meter hoch sein.
Geärgert hat sich Schneider über Äußerungen der Gegner, dass im Lager in Nürtingen Ware aus China umetikettiert und mit dem Aufkleber Made in Germany versehen werde. Das wäre ja Betrug. Die angelieferte Ware werde im Distributionszentrum umverpackt, gelagert und kommissioniert, klärt Schneider auf. Ziel von Boss ist, dass die Waren möglichst schnell in die Auslagen der Shops kommen. Bis die Hightec-Logistik in einem solchen Distributionszentrum reibungslos laufe, vergingen zwei Jahre, so Schneider.
Sollte das Lager in Nürtingen gebaut werden, will der Konzern im Zwei-Schicht-Betrieb arbeiten. Die Sorge der Nürtinger, dass die Lkw das Lager rund um die Uhr anfahren, entkräftet Schneider. In den Nachtstunden werde es keinen Lieferverkehr geben. Gearbeitet werde zwischen 5.30 und 24 Uhr.
400 Arbeitsplätze will der Modekonzern in Nürtingen im ersten Bauabschnitt schaffen. Wieviel davon neu sind im Raum steht die Zahl 200 darauf wollte sich Schneider nicht festlegen lassen. Ob und wann die bestehenden Lager in Wendlingen und Frickenhausen aufgegeben werden, ließ er offen. Man werde aber auf jeden Fall die Verträge erfüllen und die laufen in Wendlingen bis 2011 und in Frickenhausen bis 2010. Dem Unternehmen sei es wichtig, hier in der Region Arbeitsplätze zu schaffen und dabei handelt es sich, um Voll- und Teilzeitarbeitsplätze. Wir bezahlen auf der Basis des Tarifs. Auf Zeitarbeitskräfte greife man nur zurück, wenn die Hugo Boss AG in Spitzenzeiten nicht selbst in der Lage sei, genügend Personal am Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Dass Boss-Chef Sälzer das Unternehmen verlassen hat, habe keinen Einfluss auf die Planungen, sagte Ralf Schneider, der selbst schon seit 19 Jahren beim Modekonzern beschäftigt ist.
Oberbürgermeister Heirich verwies im Gespräch nochmals auf die Tatsache, dass der Flächennutzungsplan mit dem Großen Forst als Gewerbegebietsfläche am 7. April 2000 in Kraft getreten ist. 17 Gebiete seien damals von der Stadt untersucht worden und sechs übrig geblieben. Der Große Forst sei in punkto Umweltverträglichkeit als unbedenklich eingestuft worden.
Boss, so Heirich, sei auf Vermittlung des Wirtschaftsministeriums an die Stadt Nürtingen herangetreten. Heirich hält den Bau des Logistikzentrums nach wie vor für eine interessante Offerte. Ich bin der festen Überzeugung, mit Boss ein sehr interessantes Unternehmen ansiedeln zu können. Sowohl die Anzahl als auch die Qualität der Arbeitsplätze sei hervorragend. Heirich ist überzeugt, dass Boss die hohe Investition Zahlen wollte Schneider noch nicht nennen nicht nur für einen kurzen Zeitraum tätige. Die Ansiedlung des Lagers schaffe in Nürtingen nicht nur Arbeitsplätze sondern habe auch positive Synergieeffekte. Wer hier arbeitet kauft in der Stadt auch ein. Vor dem Hintergrund von Betriebssschließungen oder Entlassungen, wie sie jetzt von AFL-Striebel bekanntgeworden sind, kann Heirich nicht verstehen, dass sich die Nürtinger die Boss-Offerte entgehen lassen wollen.
Um die Bevölkerung über das Vorhaben zu informieren plant der OB eine Sondersitzung nach den Osterferien, die dann nicht im Rathaus, sondern im K3N stattfinden soll. Außerdem denke man in den Reihen der Stadtverwaltung über eine Form der Bürgerbeteiligung nach. Kritik übte der Rathauschef am undemokratischen Verhalten einzelner Gemeinderäte, die mit ihren Aussagen dem Ansehen der Stadt schaden würden.
Boss-Logistik-Chef Schneider und OB Heirich informieren über die Nürtinger Pläne. Foto: jh