Autor Thema: Bauerntöchter erzählen  (Gelesen 10597 mal)

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Offline mary

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Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #15 am: 18.11.04, 06:21 »
Hallo Dody,
das Buch über Bauerntöchter kenne ich nicht, aber es gibt in unserem Raum auch viele Erzählungen und Autobiographien, das bekannteste und später verfilmte Buch "Herbstmilch" hat vielen auch nichtbäuerlichen Menschen Einblick in die bäuerliche Welt gegeben.
Ich habe letztes Jahr zu Weihnachten ein Buch bekommen, dass sich um Bauernkinder drehte-
es war ebenfalls sehr bedrückend. Von Jammern habe ich nichts geschrieben.
Es ist sicher in der Zeit begründet, dass sehr viele belastende und schwere Erlebnisse Menschen prägen, und das letzte und vorletzte Jahrhundert hatte ja genügend prägende Einflüsse.
Meine Großmütter starben vor meiner Geburt, meine Mutter musste mit 8 Jahren bereits die Mutter ersetzen, meine Schwiegermutter hat mir früher auch aus ihrem Leben erzählt, und eine Magd lebte bis zu ihrem Tod auf unserem Hof, die Kindheits- und Jugenderinnerungen zeigten auch wenig Raum, um sich zu freuen, da war auch schon so früh die Mutter gestorben, eine 2. Frau und dann wieder sehr viele KInder- Krieg, die Väter waren im Ersten Weltkrieg irgendwann als verwundete und gebrochene Männer wieder zurückgekehrt.
Und doch habe ich mich immer gefragt, es muss doch auch im Leben trotz aller schwerer Erlebnisse auch schöne Erfahrungen gegeben haben,
dass wir in einer Zeit des Überflusses aufwachsen durften- keinen Krieg bisher erleben mussten,
dafür bin ich dankbar.
Ich möchte meinen Kindern auch so eine Art Buch hinterlassen, es stehen nicht nur lustige Sachen drinnen, mein Buch ist ein Tagebuch, in dem jeden Tag eine Meldung aus der Zeitung drinnen steht,
ein bisschen was zum Tag, ein schöner Spruch und jeden Tag eine kleine nette, lustige oder nachdenkliche Begebenheit.
Ich hatte bisher Glück,  all die Erfahrungen, die ich machen durfte oder musste- haben sich irgendwie immer dann doch zu einem für mich guten Weg entwickelt.Diese Botschaft möchte ich einfach an meine Kinder weitergeben. Auch wenn vieles nicht so ist, wie wir es gerne hätten,
das ist nicht zu ändern, aber einfach der Versuch, in seiner kleinen Welt trotz allem Bedrückenden, Negativen das Schöne zu sehen-
so ein Buch suche ich als Weihnachtsgeschenk.
Die negativen, traurigen und schweren Erfahrungen, die viele Bauerntöchter machen mussten will ich keinesfalls kleinreden oder wegwischen- ich bin voller Hochachtung für die Leistung meiner Vorgängerinnen, Frauen haben immer die grössere Last getragen, leider ist davon in der Geschichtsschreibung sehr wenig beschrieben.
Dass die Geschichte voller Kriege, Katastrophen und wirklich niederdrückenden Daten besteht-
ich empfinde es heute, im Jahr 2oo4 einfach als eine Tragödie, dass wir bisher noch nicht gelernt haben, unsere Meinungsverschiedenheiten ohne Kriege auszumachen.

Und doch würde ich, wenn ich könnte, gerne eine Geschichte der Menschheit schreiben, die von dem Erleben und Erinnern der Frauen in der Vergangenheit handelt-
statt der aufgeschriebenen Chronologie der Männer-
wenn man heute die Zeitung aufschlägt, die Nachrichten hört, nur negative Meldungen-
aber ich bin mir sicher, es gibt jeden Tag, hunderte Meldungen, die Gutes zu berichten hätten, aber das scheint die Medienmacher nicht zu interessieren.
Und auch in der Landwirtschaft gibt es jeden Tag trotz allem schlimmen- so viel schönes zu sehen.
Es gibt überhaupt wenig Bücher, die diese Botschaft rüberbringen-
Herzliche Grüsse von einer Bauerntochter
maria

Offline Mirjam

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Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #16 am: 18.11.04, 08:39 »


Hallo,

"Nach mir kräht kein Schwein" fand ich nicht so doll.

Spätestens dann, als immer wieder der Neid auf die anderen Höfe/Wachstumsbetriebe durchblickte und über mehrere Seiten ein Stadtausflug Eisessen mit Freundin als was gaaaanz Besonderes (Interessantes?!) dargestellt wurde, hab ich das Buch schnell fertig überflogen und weggelegt.

Wirklich netter finde ich da die uralte Buchreihe "Pfarrer Kinder - Müllers Vieh" von einer Städterin, die mit ihrem Pfarrersmann auf richtige, richtige schwäbische Dorf gezogen ist und so ihre Mühe hatte mit den Dorfleuten, den Gewohnheiten und das so humorvoll, zuversichtlich geschrieben hat, dass es mir bereits als junges Mädchen Spaß gemacht hat drin zu lessen.

viele Grüsse

Mirjam
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Offline frankenpower41

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Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #17 am: 18.11.04, 11:18 »
Hallo

Als mir hat nach mir kräht kein Schwein gefallen. Ich denke manche Ansicht hängt damit zusammen  welche Betriebsgröße man selbst hat. Ich jedenfalls konnte mich schon selbst wieder finden.

Ich glaube auch, dass Marina recht hat, dass zu unserer Kinderzeit ( geb. 1962) nicht nur Bauernkinder mehr arbeiten mussten als es die Kinder heute tun.  Viele Lebenserfahrungen und Meinungen im Rückblick hängen auch von den jeweiligen Lebensumständen ab. Zum Beispiel fragte mich unser Großer schon öfters ( 16 Jahre), warum die Erziehungsansichten seiner beiden Großelternteile so unterschiedlich sind.
Meine SM (Jahrgang 1929) kam als einziges Kind von relativ großen Bauern zur Welt.Dienstboten, Klavierunterricht, 1947 in der Landwirtsschaftsschule die Einzige mit Auto. Eine Frau kam zum Hausaufgabenmachen und Lesenüben. (Ich fragt mal "Was hat eigentlich deine Mutter getan") Sie schwärmt von ihrer schönen Kindheit und kann nicht verstehen, wenn ich der Ansicht bin etwas Mithilfe schadet den Kindern nicht. 
Bei meinen Eltern war es anders. Z. B. Vater (Jahrgang 1938) war der mittlere von 7 Kindern. Der Hof war klein. Die Großen waren für die Kleinen verantwortlich, da die Mutter meist draußen war. Da war die Kindheit nicht so behütet und mit materiellen Reichtümern gesegnet.
Gebracht haben sie es alle zu was, auch ohne große finanzielle Unterstützung der Eltern. SM ist der Ansicht, man muss jedem Kind möglichst gute Grundlagen schaffen. Das schafft man natürlich mit nur einem Kind leichter, als mit Vielen. Über dieses Thema rede ich mit ihr schon seit Jahren nicht mehr. Sie erzählte öfter, wie sehr sich sich geärgert hat, als sie zum 3. mal schwanger war. Unser Drittes Kind war geplant und von ihr entsprechend kommentiert.
Bei den Geschwistern meines Vaters ist heute noch ein großer Zusammenhalt da, und auch das Verhältnis zu den Eltern war immer recht gut. Sie hat ja niemanden. Überhaupt sind unsere Ansichten recht unterschiedlich.

Ich will hier weder werten, noch kritisieren, sondern denke nur darüber nach,  dass manche Ansichten einfach auch etwas von den jeweiligen Lebensumständen abhängen.

Marianne

Offline Marina

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Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #18 am: 18.11.04, 19:37 »
Hallo,

Maria, du sprichst mir aus dem Herzen: ich hätte es viel schöner gefunden, wenn viel mehr beglückende Erlebnisse in dem Buch vorgekommen wären. Die Mischung machts halt. Aber die "unglückliche Kinderheit" zog sich -für mich- wie ein roter Faden durch das ganze Buch.

Dody: ich habe "jammern" geschrieben. Aber das ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ich wollte auch keiner der Schreiberinnen irgendwie zu nahe treten. Ich glaube, dass es schon eine Überwindung kostet, quasi der Öffentlichkeit Einblicke in sein Leben zu gewähren.
Und ich denke, so im Rückblick sieht man sowieso zuerst mal die negativen Erlebnisse: bei der Geburt erinnert man sich zuerst an die Schmerzen, dann erst an den beglückenden Augenblick, wenn man das Kind zum ersten Mal im Arm hält. Wenn ich an meine Schulzeit denke, fällt mir zuerst ein Lehrer ein, der brüllen konnte, dass die Fenster gescheppert haben. Dann erst denke ich an die liebe Lehrerin aus der 1. Klasse, usw.

Ich finde es halt auch schade, dass das Buch einen so negativen Eindruck über die Kindheit als Bauerntochter hinterläßt. Vielleicht war es den Erzählerinnen gar nicht bewußt, dass es so rüberkommt?

Gruß
Marina

Offline reserlTopic starter

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Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #19 am: 26.01.05, 00:35 »

Hat eine von euch schon das Buch
"Gespielt wird erst nach Feierabend" gelesen?

Das ist der zweite Teil, in dem vor allem Bäuerinnen aus Norddeutschland zur Sprache kommen.

lieben Gruß
Reserl



Manchmal ist es ein großes Glück,
nicht zu bekommen, was man haben will.

Offline Maja

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Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #20 am: 25.04.05, 23:48 »
Hallo zusammen!
Ich bin 1951 geboren,war die älteste von drei Mädchen.
Mein Vater war ein Heimatvertriebener aus dem Sudetenland.
Als Kind hörte ich nur immer dass mein Vater nicht als Schwiegersohn gewollt war,denn er brachte ja nichts mit in die Ehe.
Er stammte zwar aus der Landwirtschaft,aber kein Forstbetrieb,wie unser Hof und  das er zu Hause  schon ein Auto auf dem Hof hatte ....na das kann ja jeder erzählen!!!!
Wir drei Mädels lebten sozusagen eine Aussenseiterrolle in unserem Dorf.
Kinder aus großen Bauernhöfen durften mit uns nicht spielen den sogenannten " Flüchtlingskindern.
Es hat mich immer am meisten bedrückt dass mein Großvater nichts von meinem Vater hielt,obwohl der immer so fleißig gearbeitet hat.
Natürlich mussten wir als Kinder auf unserem Bauernhof mit Forst und Mühlenbetrieb auch schon sehr früh mitarbeiten.
Ich kann mich noch erinnern dass ich als zweijährige schon an jeden Ofen der im Haus stand das Holz zum Heizen getragen habe.Immer zwei Stück so war das Kind beschäftigt.
Als meine zweite Schwester kam war keine Zeit mehr für mich,also habe ich mich nützlich gemacht und getan was ich konnte.Dafür hat man mich gelobt und fünf Minuten mit mir geredet...und so war das Kind wieder glücklich.Meine jüngste Schwester war dann sehr zierlich und kränklich als sie auf die Welt kam,da konnte man kein großes Mädchen brauchen das Ansprüche stellte sondern "eine große Schwester die man gut gebrauchen "konnte.
Gerne wäre ich zur Realschule gegangen,da konnte ich dann den Satz hören "Das brauchst Du nicht du übernimmst mal den Hof".
Habe dann die Ausbildung zur ländlichen Hauswirtschafterin gemacht und das Winterhalbjahr in der Hauswirtschaftsschule.
Mein Vater sagt heute noch " mit meinen Mädels konnte ich mehr bewerkstelligen als manch anderer mit drei Söhnen".
Den Führerschein durfte ich früh machen,aber Traktorfahren war nicht meine Welt und Maschinen machen mir Angst.
Als junges MÄdchen war ich immer sehr unglücklich und unzufrieden,weil immer über mich bestimmt wurde und ich nicht selbst entscheiden durfte welcher Beruf mir Spass machte.
Doch eines Tages fiel mir auf ,dass alldas was ich gerne tue und was mir Freude macht ,täglich auf dem Hof zu verwirklichen  ist.
Kochen ,Backen, Garten ,Blumen am Haus und Hof,Gäste auf dem Hof betreuen,der Umgang mit Tieren.
Leben auf dem Land.
Als schöne Erinnerung an meine Kindheit muss ich sagen ,es war immer jemand am Hof und man war nie alleine,wie es heutzutage viele Kinder sind wenn sie aus der Schule kommen.
In der Großfamilie waren Opa oder Oma da,oder auch Großtanten oder ander Helfer auf dem Hof und ausserdem haben unsre ELtern mit uns Kindern am Sonntag ,wenn nicht gerade Erntezeit war Ausflüge in die nähere Umgebung gemacht.Gesungen wurde viel und auch Dame und Mühle gespielt. Schwimmen hat mir mein Vater im Schwimmbad vom Nachbarort gelernt.ABer natürlich durften wir nicht so oft vom Hof fort und schon gar nicht alleine.
Was mir noch ganz besonders in Erinnerung ist: Meine Mutter sagte immer : " Mädchenhände dürfen nicht ruhen und nie ohne Arbeit sein"
Wenn also nichts draußen zu arbeiten war so gab es Handarbeiten zu machen wie Sticken oder Strümpfe stricken oder der Großmutter beim Wolle wickeln helfen. Im Winter Bohnen auspulen die am Dachboden getrocknet wurden,oder Apelfscheiben schneiden und zumTrocknen auffädeln-
Sicher ging es vielen genauso. Aber es hat mir gerade mal gutgetan,das alles aufzuschreiben .

Das BUch Herbstmilch habe ich gelesen ,es hat mir gefallen auch wenn es schwere Tage einer Bäuerin waren.ICh war froh ,dass die Zeit für uns andere ist.

clem

  • Gast
Re: Bauerntöchter erzählen
« Antwort #21 am: 08.08.05, 16:17 »
Hallo,

Der Landwirtschaftsverlag in Münster hat jetzt wieder ein Buch mit Lebensgeschichten von Frauen vom Bauernhof veröffentlicht. Diesmal erzählen 11 Frauen ,die ihre Kindheit und Jugend in den sechziger und siebziger Jahren in der DDR verbracht haben. Der zweite Teil des Buches ist dann den Erinnerungen von 7 Frauen aus Westdeutschland gewidmet.
Der Titel lautet:
      Wie leicht hätte es anders kommen können


ISBN 3-7843-3348-6

Gruß   Clem