Hallo Reserl und Luna!
Da will ich mal... obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob ich es eventuell spätestens heute abend wieder lösche.
So greife ich mal tief in mein Nähkästchen und erzähle die Geschichte meiner Mutter Jahrgang 1911. Ich selbst gehöre ja auch schon zu den Oldies Jhrg. 43.
Der Grunstein für den weiteren Lebensweg meiner Mutter wurde an dem Tag gelegt, als ihr Vater, -mein Grossvater- im ersten Weltkrieg in Frankreich gefallen ist. Er hatte den ach so heroischen "Heldentod fürs Vaterland" erlitten!
Sie bekam als einzigstes Kind einen Vormund und zwar gleich zwei davon, die nun über ihren künftigen Lebensweg zu wachen hatten. Sicher im guten Glauben das Beste für sie zu wollen und natürlich ihr Erbe, den Hof für sie zu erhalten. Nur sie wollte um nichts in der Welt Bäuerin werden, ihr Wunschtraum war Medizin zu studieren. Kurz gesagt, sie musste ihr Erbe antreten, was sie ihr Leben lang als "Klotz am Bein" bezeichnet hat.
1940 heiratete sie dann meinen Vater, der wurde anschließend sofort 'eingezogen'! Da musste sie nun sehen, wie sie fertig wurde, keine adiquaten Arbeitskräfte, weil der Sv. -lebte ja nicht auf dem Hof- sich öffentlich gegen das Hitlerregime ausgesprochen hatte. So etwas musste ja bestraft werden, indem man ihn fast in ein Konzentationslager gesteckt hätte, aber auf alle Fälle wurde mein Vater nicht reklamiert, wie man das nannte, er wurde eher an vorderste Front gestellt und hatte nach einer Verwundung auch mal Heimaturlaub (na, sonst wäre ich nicht zugegen
) danach weiter für's Vaterland in Russland kämpfen. In den letzten Monaten des Krieges kam er dann in russische Gefangenschaft und in all den Jahren hat meine Mutter überhaupt kein einziges Lebenszeichen von meinem Vater erhalten können. Oft die Hoffnung aufgegeben, ihn überhaupt wiederzusehen.
Wie gesagt, mit Arbeitskräften, die zugeteilt wurden und nicht eingesetzt werden konnten, wie Leute aus dem Zirkus u.s.w.
Eines Tages, Ende 49 summte die Dreschmaschine in der Scheune, alle waren schwer beschäftigt, meine Mutter und meine Tante waren mit Kühemelken beschäftigt und plötzlich ein Geschrei auf der Diele und die zwei Frauen hingen an einem furchterregd aussehenden Mann und weinten. Da stand er nun mit herunterhängenden Armen, mit total ausdruckslosem Blick in einem alten Greisengesicht (er war 39 J.)
Ich wurde hochgehoben: "Das ist dein Vater!" Das sollte mein Vater sein? Ich hatte erst einmal nur Angst vor dieser Schreckensgestallt! Und das blieb eine ganze Weile und auch sein Gesichtsausdruck. Er sprach fast ein halbes Jahr kaum, hat viel zu viel in seinen ausgemergelten Körper an Nahrung hineingestopft. Aber erkläre mal einem bis zum Skelett abgemagertem Menschen, das er Schonkost gebraucht. So ganz langsam nahm er am Leben etwas mehr Anteil und interessierte sich auch wieder für das Leben auf dem Hof. Aber über seine Erlebnisse in der Gefangenschaft, hat er nie gesprochen! Und als die Ärtze meinten, er habe es nun wohl geschafft, ereilte ihn nach 2,5 Jahren den typischen "Heimkehrertod" Herzschlag, wie man es damals nannte.
Meine Mutter kam mit diesem Schicksalschlag überhaupt nicht zurecht. Gesundheitlich angeschlagen von den harten Kriegsjahren allein auf dem Hof, klappte sie nun total zusammen. Der Hof wurde verpachtet, an einen von Verwandten schön gelobten Banausen von Pächter, die überall dafür bekannt waren. Nur wir kannten sie nicht. Es folgten einige Jahre mit Schrecken und Ängsten vor diesen Leuten unter einem Dach.
Meine Mutter hat sieben Jahre später noch einmal geheiratet und wir haben den Hof verlassen. Ich bekam einen lieben (Stief)Vater wieder, auf dessen Hof wir heute leben.