Autor Thema: Landlust-Landfrust  (Gelesen 5489 mal)

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Offline IrisTopic starter

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Landlust-Landfrust
« am: 10.01.16, 14:24 »
In der 3sat-Mediathek habe ich mir die Reportage
"Landlust - Landfrust" angeschaut, die bereits gestern im TV gesendet wurde.

Bauerntöchter aus Österreich berichten über ihr Leben und Arbeiten.
Auch die Buchautorin Ulrike Siegel wird bei ihren Recherchen in der BRD begleitet und berichtet über ihre Erfahrungen und Beobachtungen der letzten 10 Jahre.

Wenn ihr den Film anschauen wollt ist das bis 16.01.16 (bis 6.00 Uhr) dort möglich.


Idyllische Bilder, inbrünstige Aussagen der Bäuerinnen zur Landlust, aber leider bei allen Frauen pessimistische Zukunftsvisionen und demzufolge Landfrust.
Der Film macht mich traurig und deprimiert.
Es grüßt euch die Iris

Wer will findet einen Weg, wer nicht will findet Gründe.

Offline muellerin

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #1 am: 10.01.16, 15:46 »
Ich habe den Film auch schon im TV gesehen.
Mir hat die ganze Aufmachung nicht gefallen.
Schon das Herangehen und die Auswahl der Protagonistinnen, aber auch die Regie, die Musik etc. trugen zu dieser Atmosphäre bei.
Ist es nicht auch der ganz normale Lauf der Dinge, den wir als Bäuerinnen erleben?
Wachsen oder Weichen, das passiert überall und seit Generationen in allen Bereichen.
Das ist nicht nur negativ.
Hier im Osten ist das vielleicht auch nicht so negativ besetzt, weil man auch die Vorteile der großen Betriebe vor Augen hat.
Die Selbstausbeutung der Familienbetriebe, gepaart mit dem im Moment sehr niedrigen Einkommen in der Veredlung und dem von zahlreichen Organisationen und Parteien geschürten schlechten Image, all das führt dazu, dass unsere Kids sich zunehmend verweigern.
Die eigenen eingeschlossen.
Die Welt wird sich trotzdem weiterdrehen und wir gehören trotz allem zu den privilegierten 10 % auf diesem Planeten.

LG
Müllerin

Offline frankenpower41

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #2 am: 10.01.16, 20:20 »


ich fand den Beitrag gut gemacht. (der kam ja schon vor ein paar Wochen mal abends)

Bei mir herrscht z.Zt. mal wieder eher "Landfrust" und das schon länger.
Wenn ich dann höre, was die neue Düngeverordnung bringen soll, die in den nächsten Tagen verabschiedet wird, dann frage ich mich wie das alles noch werden soll. Denn kaum ist das umgesetzt, dann fällt den Beamten schon wieder was neues ein.
Unser Sohn (z.Zt. Landwirtschaftsschule) wird auch zunehmend nachdenklicher und einige seiner Klassenkameraden auch. Ich bin sehr froh, dass wir, wenn es noch länger so weiter geht die Möglichkeit haben sofort aus der Landwirtschaft auszusteigen.
Dann habe ich mich heute mal wieder über unseren Landwirtschaftsminister geärgert. Was ich von dem halte, habe ich ja schon öfters gepostet.  Gestern war er beim Neujahrsempfang (er stammt ja aus unserem Landkreis).  Freundin von Sohn war auch dort. Also auf der Seite der modernen Landwirtschaft steht er anscheinend nicht. Ich habe ja schon immer den Eindruck, dass er den Posten gar nicht gewollt hat.

Marianne

Offline gammi

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #3 am: 10.01.16, 22:40 »
Ich fand den Beitrag eigentlich auch ganz gut gemacht. Nach der Vorschau war ich auch erst skeptisch, dann aber doch positiv überrascht.

Mir geht es wie Marianne.................momentan ziemlicher Landfrust.
Enjoy the little things

Offline IrisTopic starter

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #4 am: 11.01.16, 11:43 »
@Müllerin   Das mit dem Wachsen und Weichen hat es wirklich schon immer, in allen Generationen, gegeben.
In den siebziger Jahren sind in unseren Dörfern bereits die familiengeführten Handwerksbetriebe verschwunden.
Bis auf die, die gewachsen sind....
Meine Freundin sagte mir mal, das damals, als ihr Vater seine Stellmacherwerkstatt aufgeben und in einer Fabrik ans Fließband "gehen musste",
die Bauern im Ort sehr selbstsicher aufgetreten wären und keinerlei "Mitleid" gezeigt hätten.....
Vor 30 /40 Jahren undenkbar, dass einige diese damals "großen"  Höfe inzwischen ihre Ställe leer stehen haben und andere noch folgen werden.   

Mich frustriert auch zunehmend die Politik. Bei all den Auflagen, die in der Umsetzung viel Geld kosten, aber NULL Mehrverdienst bringen, werden viele  Betriebe zur Aufgabe gezwungen werden.
Zudem verärgert mich das Verbraucher-Einkaufsverhalten, was ja eindeutig zeigt, dass zwischen Reden und Tun große Diskrepanzen aufzeigt.
Nicht den Landwirten müssen Umwelt- und Tierschützer auf die Finger gucken, dem Verbraucher!
Wie können Leute Hähnchenschenkel das Kg für 1,90 € kaufen??
Wer nur ein bisschen nachdenkt, bei dem müssen doch die Alarmglocken schallen, dass dieser Preis zulasten von Tieren, Umwelt und auch Menschen geht.
Nicht nur dem Landwirt, auch dem Schlachter und der Verkäuferin im Laden.
Es grüßt euch die Iris

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Offline Lexie

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #5 am: 11.01.16, 13:27 »

das hast du gut geschrieben.
LG Lexie


Offline annelie

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #6 am: 11.01.16, 13:33 »
Doris, ich glaub das war nicht auf uns Landwirte gemünzt, wir leben hier in D priviligiert, Bildung ist billig, auch wenn viele von uns jammern, unsere Kinder müssen nicht für einen Hungerlohn arbeiten um die Familie zu ernähren, wir haben Nahrung und Wasser im Überfluss, Wohnung, Kleidung, Wärme, Strom, Mobilität, I-net für viele von uns kein Luxus. Ein Gro der Menschheit lebt viel eingeschränkter als wir.

Pirvilegien haben wir schon noch, gerade was das Bauen im Außenbereich betrifft.
Vergangenheit ist Geschichte,
Zukunft ist ein Geheimnis
und jeder Augenblick ist ein Geschenk.

Liebe Grüße
Annelie

Offline frankenpower41

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #7 am: 11.01.16, 14:18 »
Hallo Doris

Da Dein Posting ja im öffentlichen Bereich steht zeige ich es meinem Sohn (der kommt grad zur Tür rein).
Vielleicht druckt er es aus und zeigt es mal in der Schule.

Ich unterschreibe voll bei Dir.

Marianne

Offline apis

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #8 am: 11.01.16, 14:41 »
Doris, ich bin ganz bei dir, danke.

Mich regt auch auf, dass selbst ein Lehrer aus einer Großstadt, der hat noch nie eine Kuh von Nahem gesehen hat, genau weis was wir Landwirte alles falsch machen.

LG apis

Offline Joba

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #9 am: 11.01.16, 22:08 »
Hallo
bei uns im bay. Wochenblatt ist vor einiger Zeit einmal ein Satz gestanden
"98 % der Bevölkerung verstehen etwas von der Sandwirtschaft - 2 % sind Landwirte "
aber die neue rentenregelung ist auch ein " Segen " und ein " Fluch "
wir stehen kurz vor der Rente, und ich wollt eingentlich mit meinem Mann aufhören
und jetzt kann ich noch 5 jahre länger arbeiten, welch eine Freude
gruß Bärbel

Offline ayla

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Re: Landlust-Landfrust
« Antwort #10 am: 16.12.16, 18:25 »
Wir wohnen am Dorfrand, mitten durch unseren Hof führt die Zufahrtstrasse zu unserem Nachbarn, die Strasse ist Privat und gehört dem Nachbarn und uns. Da es einen Rundweg gibt, welcher zurück ins Dorf führt, ist dieser Weg stark von Fussgängern frequentiert.
Was wir immer mehr feststellen: Der Respekt vor fremdem Eigentum nimmt ab, die Leute nehmen sich heute teilweise viel heraus, sind oft sehr unwissend, was die Landwirtschaft anbelangt, meinen aber, alles besserzuwissen, und der Anstandspegel ist sehr gesunken.

Beispiele:
-Im Herbst ist bei uns alles eingezäunt und die Tiere sind auf der Weide. Für die Wegdurchgänge montiert Göga überall Spangen, welche man lösen und nach dem Durchmarschieren wieder schliessen kann. In letzter Zeit werden die Spangen oft auf dem Boden liegengelassen, und wir mussten entweder den Rindern hinterherjagen oder mehr Kontrollen machen. Diesen Herbst meinte eine Spaziergängerin, diese Zäunerei sei eine Schweinerei und nicht Fussgängerfreundlich. Göga erklärte ihr dann, dass dies Landwirtschaftsgebiet und ein privater Bewirtschaftungsweg ist, dass er ja extra Spangen anbringt, und dass er eigentlich auch komplett zu machen könnte, dann könnte hier niemand mehr durchlaufen. (Dieses «Schweinerei» hat Göga empfindliche getroffen…hat es noch immer nicht verdaut).  :-\

-Die ausgemästeten Schweine für den Schlachthof verladen wir in der Regel nachts, selten morgens. Vor kurzem haben wir so um acht Uhr früh geladen, und schon sind Fussgänger unterwegs. Da kommt während des Ladens eine Frau, welche dort oft spaziert, zu mir und sagt mit ganz missbilligendem Blick: Also wissen Sie, ich esse nie wieder Schweinefleisch….(Ich weiss nicht, was die sich bis anhin gedacht hat, woher denn das Schweinfleisch kommt…!?  ::)
-Kürzlich musste der Kantonstierarzt bei uns antraben, weil ein Spaziergänger gemeldet habe, unsere Schweine liegen im Dreck -->Misshandlung. Wir misten zweimal täglich, morgens und abends. Wenn jemand um drei Uhr vorbeiläuft, ist der Auslauf logischerweise schmutziger als am morgen früh. Der Tierarzt kennt uns, entschuldigt sich sogar, dass er das Überprüfen müsse...er wisse, dass wir den Tieren gut schauen, und Lösungsvorschlag hatte er auch keinen. Er wisse Betriebe, welche nur einmal täglich ausmisten...
Wir haben jetzt so Infotafeln bei Kühen, Schweinen etc., um die Leute etwas aufzuklären...

-Fast jeder hat heute einen Hund (oder mehrere). Man lässt sie gerade dort hinsch….en oder p…en, wo es fällig ist, und wenn das denn auch meine Gartenrabatte oder eine Ecke eines Hofgebäudes ist.  >:(

-Wirtschaftsgebäude werden aus Gwunder einfach betreten, auch wenn Türen zu sind.

Ich könnte da noch ganz viele Beispiele schreiben…aber ich muss auch sagen, dass sich mit vielen Leuten auch ganz gute Gespräche ergeben. Das braucht zwar viel Zeit, und mit der Arbeit rückt es dann auch nicht, wie man es gernhätte, aber das buchen wir ab unter Öffentlichkeitsarbeit. Dafür machen wir in keinem Programm mit wie «Stallvisite» oder so.  ;)
Wir schauen, dass auf dem Betrieb Ordnung ist und die Leute einen guten Eindruck bekommen. Auf Anfrage dürfen sie in den Stall schauen, und im Sommer sind die Tore sowieso offen. Schweine, Kälber und Kühe können täglich im Auslauf bestaunt werden.

Sicher ist man auch nicht immer super drauf und erträgt Kritik nicht immer gleichgut, nur, manchmal wünschen wir uns dorthin, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagt und einem nicht jedermann "über den Zaun" guckt.
Mas macht ihr für Erfahrungen, gerade eben solche in Dorf-/Stadtnähe…? Darf gern auch positives sein.  :)
Liebe Grüsse
ayla