Hallo zusammen,
kennt Ihr das auch: Ihr erinnert Euch gerne an Eure Schulzeit zurück, ok, Hausi gab's auch und Klassenarbeiten, aber vor allem draußen spielen mit den Freunden. Nach der Schule habe ich dann einen Beruf gelernt, und zwar bewusst NICHT den des Lehrers.
Nun sitze ich da, und sämtliche Nachmittage der Woche sind vom Mittagessen bis zur Stallzeit voll mit Hausaufgaben von zwei Grundschulkindern. Ich soll erklären, Lern- und Arbeitsstrategien vermitteln, Inhalte aufbereiten, viele verschiedenen Rechentechniken vermitteln (für das immer gleiche Problem muss ja JEDES Kind JEDE Rechenstrategie anwenden können), ich überlege mir didaktische Ansätze zur Vermittlung nicht verstandenen Lehrstoffs - bin also neben meinem Vollzeitjob am Hof, dem eigentlich-auch-Vollzeitjob Fünfpersonenhaushalt auch noch: Lehrer. Was ich nie sein wollte, weil ich darin schlicht nicht gut bin. Und von Entwicklungspsychologie und Didaktik echt keine Ahnung habe.
Eine junge Lehrerin bei uns an der Schule hat erklärt, es täte ihr leid, aber sie könne die Themen nur noch anreißen in der Schule, den Rest müssten die Eltern machen.
Hä?!?!
Ich bemühe mich nach Kräften, jedes Kind jeden Abend zu erinnern, dass es alles eingepackt hat. Inmitten von Hofchaos und Stallbauhektik versuche ich, einen einigermaßen geregelten Familienablauf hinzukriegen mit drei kleinen Kindern - allein, ohne Verwandte, als Zugezogene ohne großen Freundeskreis o.ä., mit einem massiven Generationenkonflikt im Hintergrund. Ich lasse meine Kinder auf ADS testen und gehe mit ihnen - gegen meine Überzeugung - zum Psychologen und zur Ergotherapie. Die Lehrer wissen über all das Bescheid. Aber es interessiert sie: null.
Ich kriege es schlicht nicht hin, an jeden der vielen auszufüllenden Zettel, mitzugebenden Geldbeträge (bitte passend!), weißen T-Shirts an Datum XY, gesundes Frühstück im Kindergarten, Turniertermine, hier ein GEdicht lernen und dort zum Schulfest gehen (grundsätzlich um 17:00 Uhr!) zu denken, ständig mal eben für morgen (!) eine leere SChachtel SChaumküsse oder ein stück stoff, bitte blau und bitte im Format XY und ein Heft der Lineatur 28a aber bitte mit grünlila Einband zu besorgen. Dazwischen muss ich mir noch überlegen wie ich reagiere wenn ein Kind sagt, es findet sein Leben schrecklich und wäre am liebsten tot. Nicht zu vergessen Kühe, Bauarbeiter, Vertreter, Besamer, Tierarzt, silieren einschließlich Verpflegung, ausfallende Melkmaschinen, kälbernde Kühe, Arzttermine, einkaufen, kochen etc. etc. und - jeden morgen die verzweifelte Suche nach drei Paar zusammenpassenden Socken
Ich schaff es nicht!! Schaffen es die anderen? Muss ja wohl so sein, wenn wegen jedem vergessenen Zettel der Lehrer um ein Gespräch bittet oder ich aufgefordert werde, doch bitte JEDEN Abend meine Kinder zu erinnern, dass sie alle Sachen eingepackt haben. Unter Aufbietung aller Kräfte schaffe ich es, den Betrieb irgendwie am Laufen zu halten - stets am Rande des Chaos. Meine Kinder haben (meistens) was sauberes an, auch wenn die Socken nicht zusammenpassen. Die Kinder und die Kühe werden regelmäßig und mit angemessener Nahrung gefüttert
Die Hausaufgaben sind meistens gemacht und die Zettel meistens ausgefüllt. Aber das reicht anscheinend alles nicht aus. Und ich frage mich: gibt'S da draußen so viele Leute die besser sind? So viele Kinder, die zügig und allein ihre Hausaufgaben machen, ohne Psychodrama? so viele gut organisierte Mütter, die abends noch die zusammenpassenden Socken zusammen mit den Kindern zurechtlegen, bevor sie um sieben Uhr noch ein gemeinsames Nachtgebet sprechen und dann schlafen die lieben kleinen??? So viele Kinder, die einfach "funktionieren"??
Und wie ist das an anderen Schulen? Ich habe schon den Eindruck, dass unsere Lehrer besonders weltfremd sind, aber wer weiß...?
Was meint Ihr?
hika