Vielen Dank für die mitfühlenden Worte, auch per km. Hier kommt vieles zur Sprache, wo ich die letzten zwei Wochen auch drüber nachgedacht habe. Ich will kurz erzählen, wie ich diese ganze Geschichte empfunden habe und empfinde.
Ich konnte Hermann’s Tod sofort annehmen. Bislang habe ich noch nicht einmal gefragt Warum?. Bei der Trauerfeier haben wir auf meinen Wunsch hin gesungen: Was Gott tut, das ist wohlgetan. So habe ich empfunden und dieses Lied auch gleich in der ersten schlaflosen Nacht herausgesucht. Ich hatte das Gefühl, das zwischen uns keine Fragen mehr offen waren. Die letzten Wochen, besonders die letzte Woche und auch der letzte Tag waren wir inniger und verbundener miteinander wie in den ganzen 19 Jahren zuvor. Das verdanken wir auch dem bt. Unter Schwiegertochterprobleme beschreibt LunaR auf Seite 5 welche Wünsche sie an ihren Mann hat. Bei uns war die Lage anders herum, Hermann arbeitete mit mir und meinen Eltern zusammen. Also könnte er ähnlich empfinden. In meinem Posting vom 29.08.2005 auch unter Schwiegertochterprobleme beschreibe ich einen Streit mit meinen Eltern. In dem darin angeführtem Gespräch stellte ich mich voll hinter Hermann. Ihm tat das sehr gut. Meine Mutter hatte daran sehr zu knabbern. Kurz danach hatte mein Vater einen leichten Schlaganfall. Danach zog er sich aus dem Betrieb zurück. In diese Lücke sprang ich ein. Wir haben in dieser letzten Zeit fast alles gemeinsam gemacht. Der Streit manifestierte sich zwischen Mama und mir, worunter besonders meine Schwester litt. Sie sagte bei ihren Vermittlungsversuchen: ihr gebraucht dieselben Worte und keiner will den ersten Schritt tun. Ich habe damals gemeint, das ich nicht auf sie zugehen könnte, warum Gott das nicht zulassen würde, wüsste ich nicht. Mit Hermann’s Tod wusste ich es, hätte ich mich wieder mehr auf meine Mutter zubewegt, hätte das die Bindung zu Hermann wieder gelöst. Und das war für uns nicht geplant.
Ich konnte Hermann’s Tod sofort annehmen, weil wir über alles gesprochen hatten. Von der Reha nach seinem ersten Herzinfarkt kam er verändert wieder. Vorher stand der Betrieb an erster Stelle, jetzt seine Gesundheit. Er hatte viele depressive Phasen, wo er keinen Sinn mehr in der Landwirtschaft sah. Wir haben viele intensive Gespräche geführt in den letzten anderthalb Jahren. In den letzten Wochen hatten wir auch darüber gesprochen, welche Kleidung er im Grab anhaben wollte. Ich bin dankbar dafür, das ich dieses Gespräch führen konnte und es nicht abgeblockt habe nach dem Motto darüber brauchen wir uns jetzt noch nicht zu unterhalten, das hat noch lange Zeit. Das machte mich im Ernstfall unheimlich ruhig.
Ich konnte Hermann’s Tod sofort annehmen, weil die Art und Weise, wie er gestorben ist, wünsche ich mir auch für mich. Mitten aus dem Leben, auf schnelle, angenehme Weise. Kein Siechtum, kein Angewiesensein auf Andere. Einfach perfekt. In der Seitensprung-Box hier im bt wird berichtet, das es angeblich ein Wunsch der Männer in den Armen der Geliebten zu sterben. Er ist zwar nicht in meinen Armen gestorben, aber wir hatten an seinem Todestag noch wunderschön miteinander geschlafen. Auch das war mir ein Trost.
Mechthild, ich finde es sehr schön, das dein Mann auch heute noch in eurer Familie präsent ist. Wird bei uns mit Sicherheit auch so sein. Im Gegensatz zu Dir fühle ich mich nicht geteilt, eher so, als ob seine Stärke auf mich übergegangen wäre. Du hast Recht, das es sehr tröstlich ist noch viele Dinge regeln zu müssen. Am meisten Angst habe ich auch vor der Zeit, wenn hier betrieblich alles geregelt ist, und meine neue Zukunft eventuell noch nicht klar vor mir liegt. Habe Angst dann in das berühmte Loch zu fallen. Wenn das so sein sollte, wird das auch seinen Sinn haben. Und irgendwann scheint dann auch wieder die Sonne.
Wir haben zwei Kinder. Eine Tochter (18) und einen Sohn (17). Unsere Tochter besucht zur Zeit den Abiturjahrgang und will im nächsten Jahr in Hohenheim Agrarbiologie studieren. Unser Sohn lernt im zweiten Lehrjahr Chemikant bei einer Paraffin verarbeitenden Firma in Hamburg. Beide Kinder wollten am offenen Sarg Abschied von ihrem Vater nehmen. Mein Sohn sagte: Mama, du hast gesagt, das er tot ist, aber ich habe ihn nicht gesehen. Wir drei haben einen Tag vor der Beerdigung Abschied genommen. Es war gut. Unsere Tochter hat auch Bilder von ihrem toten Vater gemacht. Die sind jetzt hier auf dem Computer gespeichert und es tut gut sie anzusehen. Unsere Tochter geht ebenso wie ich offensiv mit dem Thema um. Am Schlimmsten fand sie die mitleidigen Blicke ihrer Mitschüler, die sprachlos waren und nicht wussten wie sie mit ihr umgehen sollten. Sie hat in ihrer Tutorengruppe das Thema dann offensiv angesprochen nach dem Motto das und das ist passiert. Es ist nicht mehr zu ändern, aber ihr könnt mit mir normal umgehen. Das hat ihren Mitschülern und ihr sehr geholfen. Unser Sohn spricht nicht gerne darüber. Beiden denke ich hat es geholfen, das ich so ruhig und selbstverständlich mit Hermann’s Tod umgehen konnte. Beide sind im Moment sehr anhänglich und haben Angst mich auch noch zu verlieren, nicht weil ich depressiv wäre, sondern normale Unglücksfälle. Unsere Tochter hat sich ein Stück dieser Birke ins Zimmer geholt.
Seit Hermann’s Tod habe ich sehr viele Gespräche geführt. Jedes Gespräch hat mir gut getan. In der Zukunft habe ich, glaube ich nicht mehr soviel Angst auf Trauernde zuzugehen.
Ich schaue mit heiterer Zuversicht in die Zukunft.
Warum ich dies alles erzähle? Erstens tut es mir gut. Zweitens hoffe ich, das alle die ihren Partner noch haben durch meine Geschichte neben dem Alltag auch ihren Partner wieder bewusster erleben, und wenn es nur in einem Fall der Fall ist hat sich das Erzählen schon gelohnt, so wie mir der oben zitierte Beitrag von LunaR viel gegeben hat. Der BT ist eine tolle Gemeinschaft. Ich freue mich hierher gefunden zu haben.