Autor Thema: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?  (Gelesen 8072 mal)

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Offline MirjamTopic starter

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Jeden Morgen, jeden Abend - nach Jahren in dem man um jeden Liter kämpft um ein hochwertigstes Lebensmittel zu erzeugen:

Wie gehts euch beim Milchwegschütten? Welche Gedanken gehen euch durch den Kopf - wie geht ihr und eure Familie damit um....?

Vielleicht hilft der Austausch mit den Emotionen, dem Frust klarzukommen...

viele Grüsse

Mirjam
Der Kopf ist rund - damit die Gedanken auch mal die Richtung ändern können!

dagmar

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #1 am: 01.06.08, 10:30 »
Hallo Miriam,
mir geht es schlecht dabei. Bin froh das mein Mann und ich uns so gut verstehen, soll heißen, dass wir öfter nicht einer Meinung sind, lange diskutieren, den endlich gemachten Entschluß aber immer gemeinsam tragen.
Vorallem habe ich mir persönlich mehr Reaktionen aus der Öffentlichkeit erwartet, aber den meisten Leute ist es egal, ob wir unsere Milch liefern oder nicht. Komme mir vor wie auf einer Insel, der Rest schaut zu was wir so machen. Das Wort hochwertige Lebensmittel kann ich schon bald nicht mehr hören. Hochwertig in dem Sinn das es eine ausgezeichnete Qualität hat, dass aber dem Großteil der Menschen sowieso selbstverständlich ist, weil es ja mehr als genug gibt.

Wir wohnen in einem kleinen Dorf, aber außer der Frage, ob wir auch streiken und jetzt in der Milch baden,kamen keine Reaktionen, das macht mich sehr nachdenklich, produziere ich was was niemanden eigentlich etwas wert ist. Wir haben die letzten zwei Jahre Stall gebaut für  60 Kühe, wenn man dann liest das nur noch Milchfabriken überleben, brauchen wir uns um die Hofnachfolge keine Gedanken mehr machen.

Jetzt gehe ich in meine Küche und bereite zum Grillen vor und hoffe das ich die Kraft wie Freya habe und erst heute Abend oder morgen wieder in BT gehe.

Gruß Dagmar

Offline creimer

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #2 am: 03.06.08, 10:16 »
Hallo Dagmar, Hallo Mirjam,

das Milchwegschütten ist glaub ich, für jeden nicht gerade leicht. Aber man hat uns doch von MIV und LEH ebene gar keine andere Alternative gelassen.
Aber bei uns ist der Tenor der Bevölkerung sehr positiv für die Bauern. Die ermuntern uns alle durchzuhalten. Es wäre aller höchste Zeit, das wir Bauern uns auch mal wehren, gegen alles was man uns aufbürdet bzw. an Milchpreis vorschreibt.

Gruß aus dem Hunsrück

Claudia

Offline Wiebke

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #3 am: 03.06.08, 11:14 »
Hallo Mirjam,
mir gehts mittlerweile nicht mehr schlecht dabei:
Stand ich während der ersten Melkzeiten in denen ich die Milch in die Gülle laufen ließ noch heulend im Melkstand , habe ich jetzt verinnerlicht das es keinen anderen Weg mehr gibt.

LG Wiebke
Jedes Ding hat drei Seiten: Eine, die du siehst, eine, die ich sehe und eine, die wir beide nicht sehen.

Offline Freya

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #4 am: 03.06.08, 11:24 »
ich sehe die Milch nicht mehr. Der Schlauch steckt direkt im Abfluss. Das ist besser. Denn der Tank läuft und läuft und läuft und es scheint gar keine Ende zu nehmen, wenn man den Hahn erst nach Melkende aufmacht.
Milch für den Eigenbedarf und die Kälber melken wir in die Kanne.
Wer heilt, hat Recht.
Hippokrates

liebe Grüße
Freya

Offline Jacky

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #5 am: 03.06.08, 11:47 »
Bei uns ists auch so, dass ich den Schlauch nur in den Abfluss zu stecken brauche (führt in die Güllegrube).
Hatte mir vor dem Streik fest vorgenommen Butter zu machen, doch in den ersten Tagen war ich froh, von der entsorgten Milch nichts mehr zu sehen.
Heute morgen hatte ich nach einen Probelauf von gestern die Zentrifuge angeworfen und was war, es schmeisst mir heute ständig die Sicherung >:(

Hab nicht vor mich von dem Ding ärgern zu lassen...also dann eben keine Butter  ;)
Liebe Grüße  Sabine

Wer lächelt statt zu toben, ist immer der Stärkere

Offline marikat

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #6 am: 03.06.08, 12:37 »
Hallo,
ich habe große moralische Bedenken beim Wegschütten und wir sind trotzdem seit dem ersten Tag dabei.
Denn wenn ich nur einen einzigen Hungernden retten könnte wäre das was anderes. Aber wenn wir jetzt nicht die Strukturen aufbrechen die es ermöglichen dass hier Überfluss herrscht und dieser woanders hingekarrt wird um dort die Existenz der dort arbeitenden Bauern zu ruinieren hat unsere Generation versagt.
Ich sehe diese Aktion als Chance.
Marikat
« Letzte Änderung: 03.06.08, 13:32 von marikat »

Offline mary

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #7 am: 03.06.08, 12:41 »
Macht ihr euch wegen der Gülle keine Gedanken?
Wir mussten wegen eines Unglückes im Stall schon mal eine Woche die Milch wegschütten, damals wusste ich mir auch keinen anderen Rat. So etwas wollte ich nicht mehr erleben. Unsere Güllebakterien hatten uns das damals ziemlich übel genommen. All die ganzen Jahre hab ich mich um unsere Gülle gemüht und deswegen gäbs wirklichen Krieg mit mir, wenn die jemand in die Gülle kippt.
Wieviele Jahre bin ich rumgerannt und hab für die hohe Qualität der Milch Werbung gemacht, wir haben Milchdiskos und Aufklärungsaktionen gemacht-
ich könnte es jetzt nicht mehr.
Eigentlich müsste ich heute Kraftfutter bestellen, irgendwie hab ich keine Lust, nur damit der Tank noch voller ist.
Jede Kuh, die nicht so scharf aufs Milchliefern ist, ist mir momentan um einiges lieber.
Und die Kühe, die wir trockenstellen können, sind mir momentan am Allerliebsten.
Was ich mich die ganze Zeit frage, war es denn überhaupt nicht vorhersehbar, dass wir solche Überschüsse zusammenbekommen?
Ich kann das ganze noch so durchdenken und alle möglichen sachlichen Gründe dafür finden- mein Gefühl sagt mir ganz was anderes.
Und was im zwischenmenschlichen Bereich jetzt alles in Scherben liegt- das ist auch nicht ganz wenig.
Supermärkte werde ich lange nicht mehr von innen anschauen können.
Muss mir einen Weg finden, wo ich in Zukunft einkaufe.

 


Offline Andreas

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #8 am: 03.06.08, 13:03 »
Leserbrief im PNP:

Mitschuld am Hunger
Zu den Berichten über den Lieferboykott der Milchbauern:

„Liebe Bauern, ich bin zwar nur eine alte Austragsbäuerin, aber ich glaube, ich muss euch trotzdem einmal etwas sagen, weil das anscheinend sonst keiner tut. Wir Bauern machen uns nicht dadurch schuldig, dass wir jetzt unsere Milch wegschütten und einen wirtschaftlich tragbaren Preis verlangen. Wenn wir aber in den Entwicklungsländern Nahrungsmittel wie Soja usw., die von der Bevölkerung dringend gebraucht werden, für gutes Geld (wir können uns das ja leisten) aufkaufen, um damit unseren Kühen Höchstleistungen zu entlocken (was denen auch nicht gut tut), so ist das nicht zu verantworten. Zudem machen wir uns damit unseren eigenen Milchmarkt und den Milchpreis kaputt. Wenn wir so weitermachen, hat der ganze Streik keinen Sinn und wir machen uns mitschuldig an einem Teil des Hungers dieser Welt.“

Notburga Hochreiter

Offline annama

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #9 am: 03.06.08, 13:23 »

Ja Mary ,

als eine Vollblutbäuerin im ( Unruhestand ) tut es mir in der Seele weh,  :'(

es ist eine Schande was da abgeht und noch kein Licht am Ende des Tunnels ist zusehen.

Wenn ich bedenke sind viele Landwirte an dieser Misere selbst schuld wegen immenser Überlieferung der letzten Monate.
Würde jeder sein Kontingent einhalten hätten wir den ganzen Salat nicht.

Kenne einige Kollegen die mit ihrer Überlieferung noch öffentlich geprahlt haben .
z.B. Quote 1 000 000 ltr

Überliefert 150000 ltr 

Ist meiner Meinung nicht in Ordnung ....Oder ???
Jede Hochleistungskuh musste noch mehr Milch hergeben , 100000 ltr Kühe werden samt Familien in den Bauernzeitungen hochgelobt.

Meine alte Mutter hat immer gesagt :" Alles rächt sich auf Erden "

Traurige Grüsse


« Letzte Änderung: 03.06.08, 17:17 von Freya »
Gerade wenn eine Frau meint ihre Arbeit sei getan
wird sie Grossmutter

Liebe Grüsse annama

Offline michlbeirin

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #10 am: 03.06.08, 13:32 »
Hallo!


mir macht das keine Probleme mehr, nachdem die Kühe nichts wollten, gibts ja nicht viel andere Möglichkeiten, die für uns in Frage kommen würden, ohne großen Mehraufwand zu haben.
Ich hätte da eher ein Problem damit, wenn ich nicht streiken würde, und ich dann Nutznießer wäre, falls es zur Milchpreiserhöhung kommt. (Ich glaub sowieso, wenn es zur Preiserhöhung kommt, das es sich die Lieferer noch lange nachsagen lassen müssen, das sie nichts dafür getan haben).

michlbeirin

Offline marikat

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #11 am: 03.06.08, 13:36 »
Hallo,
diese Komentare dass ich selbst Schuld bin, die brauche ich jetzt gerade.
           
                        V o l l e    B r e i t s e i t e

bei uns sind konventionelle und biobetriebe mit bei der Demo      TOLL
                 

Offline iMichi

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #12 am: 03.06.08, 13:40 »
in zeven waren auch bio betriebe zumindest als solidarische besucher vor ort.

Offline mary

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #13 am: 03.06.08, 14:04 »
Hallo Andreas,
ich hab Burgis Leserbrief heute auch gelesen. Es muss jeder für sich seine Schlüsse ziehen. Bis jetzt haben wir GVO-freies Futter gefüttert, werden wir auch in Zukunft machen, aber unsere Damen werden jetzt eine Weile drauf verzichten müssen, momentan gibts nur ein hofeigenes Sparmenü.
Aber dass wir in einer Zeit, in der es Internet gibt, in der fast jeder Betrieb einen PC hat- nicht annähernd ein wenig abschätzen können, wie die Marktlage und die Milch sich entwickelt- nehm ich mir selbst auch übel. Für was haben wir die Quote, wenn sie so gehandhabt wird?
Wie es dann in der quotenlosen Zeit werden wird-
das kann man jetzt annähernd absehen.
Dein Bonus- Malus-system wäre jetzt mal dran, um es intensiver zu diskutieren.- .Nach diesem Milchstop muss es irgendwie weitergehen- die Frage ist nur wie?
Aber jetzt- steht für mich sehr viel in Frage- was hier an Energie (Arbeit, Kapital, Futter, usw.) wertlos geworden ist- das geht mir tief in die Seele.
Ich bin auch für einen fairen Milchpreis- aber wenn das jetzt der Preis dafür sein wird- dann gehts mir nicht gut dabei.
@Annama, mir hat meine Arbeit als Bäuerin in der Regel sehr viel Freude gemacht- momentan wäre ich gerne im Urlaub, wo es keine Kühe, keine Milch gäbe ;) .
Wir haben uns von der Hochleistungschiene schon eine Weile verabschiedet, aber das stimmt schon, mit weniger Leistung ist man natürlich kein Vorzeigebetrieb.
Wenn ich mir vorstelle, dass es inzwischen schon Fälle gab, wo andere Berufskollegen den Milchhahn aufgedreht haben, dann kann ich das Wort von der Solidarität nicht mehr nachvollziehen.
Was da jetzt an Gemeinschaft kaputt gegangen ist, das wird eine Weile dauern, bis es wieder einigemaßen heilen kann.

Herzl. Grüsse
maria


Offline Antonia

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Re: Wie geht´s euch beim Milchwegschütten....?
« Antwort #14 am: 03.06.08, 19:14 »
Hallo,
 
also ehrlich, was soll diese provokante Nachfrage "wie es uns beim wegschütten ergehe"  >:(
Gegenfrage was ist denn als Antwort erwünscht?

Was denken Leser die nicht aus der Agrarbranche kommen über unsere Kommentare?
Wie einige schreiben, geht es manchen Leuten eh am A.... vorbei ob wir liefern oder nicht und warum sollen die dann an unserem "Feeling" Anteilnahme nehmen?
Ich finde, wir brauchen nicht unnötig "Pressefutter" streuen nach dem Motto "wer den Schaden hat braucht für den Spott nicht sorgen"
Nur wer Milchvieh hat, kann sich da rein versetzen wie das sich anfühlt, 2x am Tag zu arbeiten um anschließend die Milch  entsorgen zu müssen weil es keine andere Möglichkeit mehr gibt auf Mißstände aufmerksam zu machen, die nicht mehr länger haltbar und hin(an)-nehmbar sind.
herzliche Grüße aus dem Süden
Antonia