Autor Thema: Fassade und Realität - mehr Schein als Sein auf den Höfen?  (Gelesen 9313 mal)

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Offline mary

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Hallo Michi,
ich weiß nicht, Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Ob damit etwas erreicht wird?
Wir machen einen vermutlich viel mühsameren Weg, Versuch, wieder in Kreisläufen zu denken,
regionale Wirtschaftskreisläufe ins Bewusstsein zu bringen und am Leben zu halten.
Veränderungen kommen bestimmt nicht von der Politik, dort ist ausser Lippenbekenntnissen nicht viel zu erwarten.
Aber es gibt doch einen afrikanischen Spruch:
Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, dann können sie die Welt verändern.
Ich halte nichs davon, zu warten, dass eine Handvoll der "Besten" übrig bleibt, denn auch sie werden irgendwann von noch "Besseren" verdrängt.
Es ist für mich interessant, wieviele Bereiche es z.B. in der Landwirtschaft gibt, die uns etwas verkaufen wollen, sie leben alle von uns- und wir leben wieder von anderen Bereichen.
Wir haben im ländlichen Raum nur eine Chance, wenn wir sehen, dass wir alle in einem Boot sitzen. Als Produzierende und als Konsumierende.
Solange nur auf den Preis geschaut wird- und nicht das ganze Bild - wird es so weitergehen.
Es hängt irgendwie doch alles zusammen, Globalisierung ohne Verantwortung macht die ganze Welt kaputt.
Und da hängt nicht nur die Landwirtschaft drinnen, sondern viele andere Bereiche,
z.B. die Steinmetze haben eine Aktion gestartet, keine Grabsteine mehr aus Indien zu vertreiben, weil die dort von 12 jährigen Kindern ohne Gehörschutz mit dem Presslufthammer herausgearbeitet werden.
Bei Bekleidung, Schuhen, Ernährung wissen wir ja schon längst, unter welchen Bedingungen teilweise diese Erzeugnisse hergestellt worden sind.
Irgendwann fällt das auf uns zurück, irgendwann müssen wir zu ähnlichen Bedingungen arbeiten, ohne Rechte, ohne Würde- mit sehr wenig Lohn.
Wollen wir irgendwann als Gastarbeiter so arbeiten, wie es weltweit gängige Praxis ist?
Da sind wir dann aber nicht mehr die grossen Deutschen.
Es werden noch sehr viele Arbeitsplätze ins Ausland verlagert und die mittleren und kleineren Betriebe bei uns auf dem Land kaputt gemacht.
Ohne Arbeitsplätze ist der ländliche Raum verloren, da helfen auch die momentanen Lippenbekenntnisse über die Wichtigkeit der Landwirtschaft aus der Politk nichts mehr.
Weil wir ohne Infrastrutkur keine guten Karten haben und der Strukturwandel in der Landwirtschaft ja unverändert weitergeht.
Wo sollen die Menschen denn hin, die paar Bauern die noch übrig bleiben- können den ländl. Raum nicht am Leben erhalten.
herzl. Grüsse
maria


SHierling

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Hallo,
Vielleicht sollte man ab und zu einfach mal die Verhältnisse bedenken. Selbst wenn ALLE Bauern irgendwo demonstrieren würden, wäre das lächerlich wenig im Vergleich zum Anteil der Bevölkerung, der immer noch billige Lebensmittel haben will. Und
Zitat
Ohne Arbeitsplätze ist der ländliche Raum verloren, da helfen auch die momentanen Lippenbekenntnisse über die Wichtigkeit der Landwirtschaft aus der Politk nichts mehr.
Im Moment ernährt ein Bauer, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ca 180 Arbeiter. Wenn die alle Arbeit haben, Steuern und Sozialbeiträge zahlen, dann ist das bißchen Geld für die paar arbeitslosen Landwirte lässig über. Die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sind doch schon lange vor denen in der Industrie abgeschafft worden, nannte sich damals Mechanisierung. Melkmaschine, Rübenhacke & Spritze statt Melker und Landarbeiter, das waren über 90% aller Stellen bis schließlich "jeder nur noch für sich selber" arbeitete. In der Industrie passiert das ganze halt nur etwas später, aber ausgerechnet von der Landwirtschaft aus zu meinen, man müsse die selbe kostensparende Mechanisierung in den Industrie- und Handwerksbetrieben nun anfeinden, finde ich schon sehr inkonsequent.

Abgesehen davon gibt es in den allermeisten landwirtschaftlich genutzten Gebieten weder Rohstoffe noch nennenswert Arbeitskräfte (je km¹ dünn besiedelte Gebiete) , wer soll denn da Arbeitsplätze schaffen und vor allem wovon?

Wenn man mit Erfolg demonstrieren will, dann ist das erste und wichtigste, meiner Meinung nach, das man den Leuten vermittelt, worum es geht - nur dann hat man Chancen. Und das geht nicht (nur) mit Krakehlen, sondern mit Berichten, Zeitungen, Kursen, Seminaren, Information auf den Verpackungen, Schildern in den Feldern, all solche Sachen. Ich seh's schon vor mir, so eine "richtige Bauerndemo" - *achtung satire* mit dem Hintern auf einem Schlepper für zwei Arbeiter-Jahresgehälter sitzend, für einen Monat ALG II Klamotten am Leib, und dann Verständnis beim Verbraucher erwarten ... *satire aus*

Grüße
Brigitta
PS: und ich weiß schon, das die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft "nun mal kapitalintensiv" sind. Darum gehts nicht. Es geht darum, dem Verbraucher/Staat/Wähler begreiflich zu machen, warum er diese kapitalintensiven Privatbetriebe im Vergleich zu "billigen Industriearbeitsplätzen" bevorzugt behandeln soll.
« Letzte Änderung: 30.03.06, 08:43 von SHierling »

Offline mary

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Hallo Michi,
ein Politker hat einmal gesagt, Veränderungen gehen immer von Minderheiten aus, nie von Mehrheiten. ;D
Aber es braucht schon oft einiges an Mut, Rückgrat und Ausdauer, um für wichtige Dinge einzutreten.
Wird sicher nicht nur meine Erfahrung sein, vermutlich seit Beginn der Menschheit.
Entscheidend ist, bei sich selbst anzufangen.
Und beim Einkauf habe ich wirklich selbst in der Hand zu entscheiden.
Herzl. Grüsse
maria