Liebe Mucki,
ich drück Dich ganz fest und möchte Dir mein tiefempfundenes Beileid aussprechen.
Einen geliebten Menschen zu verlieren und noch dazu so plötzlich, ist eine der schmerzvollsten Erfahrungen, die man im Leben machen muss.
Und sie verändert das Leben. Zumindest für eine Zeitlang.
Wenn Du irgendwann einmal ein bisschen mit dem Schmerz umgehen kannst, dann versuch, Dich damit zu trösten, dass er einen so schnellen Tod sterben durfte. Das ist eigentlich der Wunsch aller Menschen. Ich habe im Krankenhaus und Altenheim gearbeitet und viele Leidende flehen darum, endlich sterben zu können.
Mucki, mein Vater ist vor fast 5 Jahren elend an Krebs gestorben. Als er im Krankenhaus war, kamen wir ihn einmal erst am Spätnachmittag besuchen. Wir waren zuvor auf einer Beerdigung eines Mannes, der plötzlich mit 46 an Herzstillstand gestorben war. Wir erzählten meinem Vater davon und ich erhoffte mir, dass es ihn irgendwie trösten würde, weil der Mann mit 46 auch sterben musste, obwohl er noch viel jünger war, als er.
Weißt Du, was seine einzige Antwort darauf war: der ist Erster Klasse gestorben! Dass der Mann noch relativ jung war, spielte für ihn überhaupt keine Rolle.
Mein Vater wusste um seine Erkrankung und sein Schicksal Bescheid und hatte wohl schreckliche Angst davor.
Kein Mensch kann ermessen, was das für den Betroffenen und die Angehörigen bedeutet, den Tod vor Augen zu haben....
Nichts in meinem Leben war bisher schlimmer für mich und nirgends habe ich so mitgelitten, wie das langsame Sterben meines Vaters. Ich saß an seinem Sterbebett, hielt seine Hand und werde es nie vergessen, wie schlimm das war und den Moment, als er seinen letzten Atemzug tat. Es quält mich bis heute, weil er so leiden musste. Ich beneide meine Brüder bis heute darum, dass ihnen das erspart blieb. Sie waren nicht dabei, als er starb.
Der Vater einer Freundin starb Monate später ganz plötzlich an einer Gehirnblutung. Sie sagte zu mir, als ich sie trösten wollte: "Ihr habt Euch wenigstens von euerem Vater verabschieden können, weil ihr wusstet, dass er sterben muss."
Ich sagte darauf, dass wir uns leider nicht verabschieden konnten, weil er bis zuletzt glaubte und hoffte, wieder gesund zu werden. Wie soll man da Dinge sagen, die auf Dankbarkeit und Abschied hindeuten. Wir mussten sein langsames Sterben mitansehen, ohne uns zu verabschieden; machten ihm immer wieder was vor: das wird schon wieder.....Lachend war ich bei ihm und wollte ihn ermuntern und wenn ich die Zimmertür hinter mir schloss, weinte ich mir die Augen aus.
Mucki, versuch Dich damit zu trösten, dass ihm und Euch das erspart blieb. Mehr hätte sich Dein Vater nicht gewünscht.
Wirst sehen, er ist immer bei Dir: in Deinen Gedanken und in Deinem Herzen.
Ich wünsche Dir für die kommende Zeit viel Kraft und vor allem auch, dass Deine Familie fest zusammenhält (soweit Du auch Geschwister hast).
Das war bei uns leider nicht der Fall. Nach Vaters Tod ist der Kontakt mit den Geschwistern nahezu abgebrochen. Ohne Streit. Ich weiss bis heute nicht, warum. Das tut mir oft genauso weh, wie Vaters Tod.
Was mir viel geholfen hat: ich habe mit inniger Liebe sein Grab mit Blumen, Gestecken und Sträußen geschmückt; einen Engel daraufgesetzt, oft ganz sporadisch, ohne Gedenktag.
Und das ewige Licht in Form von Kerzen habe ich in ein großes Windlicht zuhaus gehabt. Das gab mir das Gefühl, dass er da ist.
Liebe Grüße und viel Kraft
Johanna