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INFORMELLES TREFFEN DER FÜR DIE RAUMORDNUNG ZUSTÄNDIGEN MINISTER DER EUROPÄISCHEN UNION (NOORDWIJK, 9. und 10. JUNI 1997)

EUROPÄISCHES
RAUMENTWICKLUNGSKONZEPT
(EUREK)

ERSTER OFFIZIELLER ENTWURF

Inhalt (Teil II)

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I. RAUMENTWICKLUNGSPOLITIK AUF EUROPÄISCHER EBENE 
II. RAUMWIRKSAME ENTWICKLUNGEN: DIE EUROPÄISCHE DIMENSION
II.A.

EINFÜHRUNG

II.B.

GRUNDLEGENDE AUSGANGSPUNKTE FÜR DIE RAUMENTWICKLUNG

II.B.1.

Grundlegende geographische Merkmale Europas

II.B.2.

Wichtige Trends

II.C.

RAUMWIRKSAME ENTWICKLUNGEN VON EUROPÄISCHER BEDEUTUNG

II.C.1.

Veränderungen der Städtestruktur

II.C.2.

Die sich ändernden Funktionen ländlicher Gebiete

II.C.3.

Wandel bei der Verkehrs-, Kommunikations- und Bildungsinfrastruktur

II.C.4.

Anhaltender Druck auf Europas Natur- und Kulturerbe

II.D.

DIE AUSWIRKUNGEN DER GEMEINSCHAFTSPOLITIKEN AUF DEN EUROPÄISCHEN RAUM

II.D.1.

Die Gemeinschaftliche Agrarpolitik

II.D.2.

Die Strukturfonds und der Kohäsionsfonds

II.D.3.

Die Transeuropäische Netze

II.D.4.

Die Umweltpolitik der Europäischen Union

II.D.5.

Vorläufige Schlußfolgerungen

II.E.

WEITERGEHENDE RAUMANALYSEN

II.E.1.

Entwicklung von räumlichen Kriterien und Indikatoren

II.E.2.

Forschung zur Typologie von Gebieten

II.E.3.

Entwicklung langfristiger Szenarien

III. POLITISCHE ZIELE UND OPTIONEN FÜR DEN EUROPÄISCHEN RAUM
IV. UMSETZUNG DES EUROPÄISCHEN RAUMENTWICKLUNGS- KONZEPTS

TEIL II

II. Raumwirksame Entwicklungen: Die europäische Dimension  

II.A. Einführung

Eine der zentralen Aussagen des Teil I ergibt sich daraus, daß die räumliche Wirtschaftsstruktur und die Flächennutzung in den Mitgliedstaaten in steigendem Maße von externen Entwicklungen beeinflußt werden, denen zum einen wirtschaftliche, soziale, physikalische und andere Faktoren zugrunde liegen, oder die zum anderen das Ergebnis der Gemeinschaftspolitik sind. Die Mitgliedstaaten und Regionen, die ihren Raum entsprechend ihrer eigenen politischen Vorstellungen organisieren, müssen diese raumwirksamen Entwicklungen, die über nationale Grenzen hinausgehen und daher europäische Bedeutung haben, erkennen, verstehen und in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Teil II soll daher einen Überblick über diese europaweiten Entwicklungen geben.

Drei Aspekte sind in diesem Überblick von größter Bedeutung:

Erstens treten die europäischen Raumentwicklungstendenzen zwar vor allem, aber nicht nur auf kontinentaler und transnationaler Ebene auf. Sie bestehen auch auf regionaler oder lokaler Ebene, dies aber an vielen verschiedenen Orten in der Europäischen Union. Das gemeinsame Interesse gilt jedoch der europäischen Dimension. Die Anerkennung dieser europäischen Dimension allein ändert jedoch nichts an der Verteilung der bestehenden Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der institutionellen Partner.

Zweitens betreffen die Entwicklungen nicht nur Probleme und Hindernisse aufgrund bestimmter Schwächen, sondern auch Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund bestimmter Stärken der Gebiete.

Drittens ist der raumordnungspolitische Ansatz im wesentlichen ein dynamischer, in die Zukunft gerichteter Ansatz. Die hier behandelten Themen ergeben sich daher hauptsächlich aus sich entwickelnden Trends und nicht nur aus der gegenwärtigen Situation.

Die wichtigsten Quellen für die folgende Untersuchung sind die zahlreichen Studien und Analysen, die von europäischen, nationalen oder anderen Institutionen seit 1990 im Rahmen des "Europa 2000+"-Programms durchgeführt wurden. Daneben wurde auf die Dokumente zurückgegriffen, die während der verschiedenen Präsidentschaften erstellt worden sind.

II.B. Grundlegende Ausgangspunkte für DIE Raumentwicklung  

Um ein Verständnis für die wesentlichen räumlichen Probleme in Europa zu entwickeln, müssen zahlreiche geographische Merkmale des europäischen Raumes und die wichtigsten Trends erfaßt werden.

II.B.1. Grundlegende geographische Merkmale Europas  

Abbildung II.1. zeigt einige Aspekte der ungleichmäßigen Struktur der grundlegenden physischen und gesellschaftlichen Raumstruktur der Europäischen Union. Allein der fragmentarische Charakter der Umrisse aufgrund der Gebirge, Halbinseln und Inseln bewirkt eine Dichotomie zwischen Zentrum und Peripherie. Im Verhältnis zu seiner Gesamtfläche weist das Territorium der Europäischen Union eine sehr lange Außenlinie und vergleichsweise große abgelegene Gebiete auf. Die weiten Entfernungen zwischen den größeren äußeren Auskragungen des Gebiets der Europäischen Union werden durch physikalische Barrieren in Form von Gebirgen und Seezungen zusätzlich vergrößert. Diese Unausgewogenheit wird gleichzeitig durch die räumliche Verteilung von Bevölkerung und wirtschaftlichen Aktivitäten weiter verstärkt.

Abb. II.1: Die Raumstruktur des Europas

Diese Raumstruktur hat zur Folge, daß 75% des EU-Gebietes als Küstenregion klassifiziert werden können. Die rein kontinentalen Teile der EU sind relativ klein, was im großen Gegensatz zu dem geographisch, ökonomisch und sozial wesentlich verschieden strukturierten östlichen Teil des Kontinents steht, mit dem die Europäische Union eine lange Grenze teilt. Die auffallenden klimatischen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden und die vergleichsweise große Vielfalt der Landschaften und der natürlichen Vegetation vervollständigen das räumliche Bild Europas. Eine Raumentwicklungspolitik auf europäischer Ebene muß diese räumlichen Gegebenheiten unseres Kontinents berücksichtigen.

II.B.2. Wichtige Trends  

Die zukünftigen Entwicklungen der europäischen Raumentwicklung werden durch drei Arten von Trends bestimmt:

· wichtige demographische Trends und die Entwicklung der Städte,

· typische Merkmale und Trends der europäischen Wirtschaft,

· langfristige Umwelttrends.

II.B.2.a) Demographische Trends

In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden in der Europäischen Union drei demographische Trends vorherrschen.

Der erste Trend ist das relativ niedrige Bevölkerungswachstum von jährlich unter 0,5%. In den südlichen Ländern Europas ist das Bevölkerungswachstum heute tendenziell niedriger als in den nördlichen Ländern, vor allem aufgrund der niedrigeren Fertilitätsrate. Insgesamt könnte der Umschwung vom Bevölkerungswachstum zum Bevölkerungsrückgang in Europa etwa 2008 stattfinden und wird den Großteil der Mitgliedstaaten zwischen 2025 und 2035 treffen. Im allgemeinen ist das Bevölkerungswachstum in Regionen mit vergleichsweise hohem BIP je Einwohner und niedriger Arbeitslosigkeit höher, was die Tendenz zum Ungleichgewicht verstärkt. Dabei gibt es jedoch Ausnahmen, wie z. B. das Land Italien, für welches das Gegenteil gilt. Der Bevölkerungsrückgang in Europa wird neue Herausforderungen mit sich bringen, wie die Aufrechterhaltung einer ausreichenden und angemessenen Versorgung mit Dienstleistungen in den Regionen und Städten. Im Gegensatz dazu werden sich daraus aber auch neue Entwicklungsmöglichkeiten ergeben: In stark verdichteten Regionen kann der Bevölkerungsrückgang beispielsweise dazu beitragen, die Lebensqualität zu erhöhen und die Belastungen der Umwelt zu mindern.

Der zweite damit verbundene Entwicklungstrend ist der Anstieg des Durchschnittsalters und der Rückgang der Zahl der Jugendlichen. Die Alterung und der Rückgang der Zahl der Jugendlichen zusammen mit sozialen Trends wie steigenden Scheidungsraten und die Tendenz bei Jugendlichen, in jüngerem Alter allein zu leben, hat trotz des niedrigen Bevölkerungswachstum in vielen Mitgliedstaaten zu einem Anstieg und einer Veränderung der Nachfrage nach Wohnungen geführt, so daß sich die Tendenz zur Verstädterung noch verstärkt.

Der dritte Entwicklungstrend besteht in der wachsenden Bedeutung der Migration für Bevölkerungswachstum und -verteilung. Aufgrund des nahezu Nullwachstums bei der natürlichen Bevölkerungsentwicklung ist die internationale und regionale Migration zu einem wichtigen Faktor für das Bevölkerungswachstum geworden. Im Jahre 1995 lag der

Abb. II.2: Bevölkerungsdichte und -wachstum 1995 bis 2025

 

Quelle: Eurostat 1997

Anteil der internationalen Migration am Bevölkerungswachstum der Europäischen Union bei fast 75%. Prozentual gesehen entspricht dies nur einem Anteil von 0,3% der Gesamtbevölkerung, dennoch wird dies den Beginn des Bevölkerungsrückgangs in den meisten Ländern um etwa 10 bis 20 Jahre verzögern. Der Haupteffekt besteht jedoch in einer Steigerung des Bevölkerungswachstums in den städtischen Regionen, in denen Einwanderer sich überwiegend niederlassen. Dies wird durch die bestehende Tendenz bei der regionalen Migration, von dünner besiedelten Regionen in urbanisiertere Regionen zu wandern, verstärkt.

Diese Trends verstärken im Ergebnis die bereits bestehende Verstädterung in der nahen Zukunft. Viele hochverdichtete Regionen vor allem in Nordwesteuropa werden ein höheres Bevölkerungswachstum mit der Folge einer größeren regionalen Bevölkerungsdichte erfahren. Auf der anderen Seite wird die Bevölkerung in vielen Regionen mit sehr geringer Bevölkerungsdichte, vor allem auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich, Ostdeutschland und in weiten Teilen der skandinavischen Länder, in der nahen Zukunft weiterhin abnehmen. Bestehende Ballungsräume werden ihren funktionalen und räumlichen Einflußbereich ausdehnen. Innerhalb dieser Ballungsräume findet in ganz Europa jedoch eine Wanderung aus den Stadtzentren in das Umland statt.

II.B.2.b) Wirtschaftliche Trends

Abbildung II.3. verdeutlicht, daß in der Europäischen Union weiterhin regionale Disparitäten im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung bestehen bleiben, was den Ausgangspunkt für die Regionalpolitik in der Gemeinschaft bildet. Es bestehen jedoch weitere wirtschaftliche Merkmale in der EU, welche die Organisation und Leistungskraft der Wirtschaft besser widerspiegeln und die neuen wirtschaftsgeographischen Strukturen ebenfalls formen werden. Die Faktoren, die im folgenden detaillierter dargestellt werden, lassen sich als besonders bedeutsam einstufen. Aber auch andere Faktoren können eine wichtige Rolle spielen: z. B. die Globalisierung, neue technologische Entwicklungen, die zunehmende Dienstleistungsorientierung sowie die Auswirkungen der Verträge im Rahmen der Welthandelsorganisation.

Die Verteilung der größeren, mittleren und kleineren Unternehmen ist der erste dieser Faktoren. In der Europäischen Union sind Wirtschaft und Beschäftigung in zunehmendem Maße von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) abhängig. Von den insgesamt 160 Millionen Erwerbspersonen in der Europäischen Union sind 101 Millionen in insgesamt 16 Millionen solcher Unternehmen beschäftigt (ohne Landwirtschaft). Die Zahl der Unternehmen ist in Italien, gefolgt von Deutschland, am größten. In Südeuropa dominieren sehr kleine Unternehmen (durchschnittlich 1,8 Arbeitnehmer in Griechenland, 4,7 in Spanien). In Europa sind 23% aller Beschäftigten in sehr kleinen Unternehmen (1-10 Arbeitnehmer) beschäftigt, im Gegensatz zu 12% in den USA und nur 7% in Japan. Forschungen haben ergeben, daß zwar die Gründungsrate von Unternehmen in den USA höher als in Europa ist, sich dieses Verhältnis jedoch im Hinblick auf die Persistenz der Unternehmen umkehrt. Der größte Vorteil der KMU gegenüber den großen Unternehmen besteht in ihrer Flexibilität, was auch die Standortflexibiltität betrifft (nachdem einmal ein Standort gewählt wurde, ist allerdings die Flexibilität für einen Standortwechsel nicht mehr so groß). Hier besteht ein guter Ansatzpunkt für Politiken, die auf größere räumliche Ausgewogenheit ausgerichtet sind. Großunternehmen sind vor allem in Regionen mit einem hohen Anteil am Verarbeitenden Gewerbe und in größeren Städten sowie in Hauptstädten Europas angesiedelt. Dies sind oft Regionen mit einer eher traditionellen Wirtschaftsstruktur und mit Null- oder negativem Wachstum der Beschäftigung. Obwohl diese Unternehmen für die regionale Wirtschaft von großer Bedeutung sind, wird man sich vermutlich nicht darauf verlassen können, daß sie in Zukunft neue Arbeitsplätze schaffen.

Die zweite sehr wichtige wirtschaftliche Triebkraft ist die Internationalisierung des Handels innerhalb Europas. Etwa 60% des Exports der Mitgliedstaaten findet innerhalb der Europäischen Union statt - zum Großteil zwischen Nachbarregionen. Aufgrund des gemeinsamen Binnenmarktes wächst das Handelsvolumen innerhalb der Europäischen Union stärker als der Handel mit anderen Teilen der Welt, wobei einige Regionen stärker davon profitieren als andere. Ein beträchtlicher Anteil dieses Warenaustausches beruht auf dem Handel zwischen Unternehmensbereichen. Dies ist auf die miteinander verbundenen Trends der Spezialisierung, Bildung von unternehmerischen Netzwerken, räumliche Arbeitsteilung und größerer räumlicher Ausdehnung der Märkte

Abb. II.3: BIP pro Kopf in den Regionen (in KKS) 1993

Quelle: Erster Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt 1996.

zurückzuführen. Neue und verflochtene Handelsstrukturen, Netzwerke, Kooperationen, logistische Konzepte und fallende Transportkosten je Produktionseinheit führen zu immer komplexeren, intensiveren und disperseren Transportstrukturen in Europa, wobei beim Frachtverkehr immer noch die Straße bevorzugt wird. Diese Entwicklungen sind für die zukünftige Struktur der europäischen Räume von grundlegender Bedeutung und müssen eingehend untersucht werden.

Drittens muß jede räumliche Analyse die potentiellen Wirkungen der Europäischen Währungsunion und den weiteren Prozeß der wirtschaftlichen Liberalisierung berücksichtigen. Einige Experten sind der Auffassung, daß die monetäre Harmonisierung den "politischen Wettbewerb" in der Europäischen Union verstärken wird. Dieser wird von dem Wunsch getrieben, neue komparative Vorteile zu schaffen, um Investitionen anzuziehen. Es besteht also die Gefahr einer weiteren Dualisierung im europäischen Raum und einer verstärkten Marginalisierung bestimmter Gebiete, die auf den verschärften Wettbewerb weniger gut vorbereitet sind.

Der vierte wirtschaftliche Entwicklungstrend mit großen räumlichen Auswirkungen betrifft die neuen Kommunikationstechnologien. Diese könnten die Konzentration auf Stadtregionen verstärken. Sie bieten allerdings auch Möglichkeiten, schlechter erreichbare Gebiete der Gemeinschaft zu unterstützen. Die neuen Kommunikationstechnologien eröffnen neue Standortkonzepte auf allen räumlichen Ebenen von der lokalen zur europäischen Ebene. Ihre räumlichen Auswirkungen könnten daher enorm sein, die empirischen Daten reichen aber bisher zur Einschätzung der Effekte nicht aus.

Die beschriebenen wirtschaftlichen Kräfte können zu größeren Ungleichgewichten im europäischen Raum führen. Für die Analyse der raumwirksamen Entwicklungen ist dies ein wichtiger Schwerpunkt, um die Trends besser zu verstehen und um die Möglichkeiten für den europäischen Raum besser ausnutzen zu können.

II.B.2.c) Umwelttrends

Die der dritten Gruppe der Raumentwicklung in der Europäischen Union zugrundeliegenden Trends beziehen sich auf die Umwelt. Die Politik beschäftigt sich seit längerem mit Umweltproblemen, sie konnte sie jedoch weder beseitigen noch ausreichend vermindern. Im folgenden seien einige bedeutende Umweltthemen genannt:

· Abfallverringerung und -management: Zusammen mit den anderen OECD-Ländern ist Europa für 70% der Industrieabfälle der Welt mit einem steigenden Anteil von Sonderabfällen verantwortlich. Müllkippen werden noch immer zur Ablagerung genutzt. Nur 10% des Hausmülls wird der Wiederverwertung zugeführt, wobei diese Anstrengungen jedoch durch gesteigerte Produktion wieder ausgeglichen werden. Die Aufbereitung der 200.000 ha verseuchter Gewerbeflächen in Europa wird Kosten in Höhe von 100 Milliarden ECU verursachen.

· Klimawandel: Europa ist immer noch für 25% des Ausstoßes an CO2 und an durch Menschen erzeugten Methans verantwortlich. Ohne weitere Reduktion wird sich die globale Erwärmung, der Anstieg des Meeresspiegels, die Zunahme der Zahl der Überschwemmungen, der Verlust von Ökosystemen und Naturräumen weiter fortsetzen.

· Verlust von Biodiversität: Die Zahl der natürlichen Lebensräume und der in ihnen beheimateten Pflanzenarten wird insbesondere in Sümpfen, Mooren, Marschen und anderen Feuchtgebieten weiterhin abnehmen.

· Übersäuerung und Pestizide: Europa ist für 25% der weltweiten Emissionen von Schwefeldioxid und Stickoxiden (Säureablagerungen) verantwortlich, und die Ammoniumemissionen der Landwirtschaft überschreiten in 60% des Gebietes der Europäischen Union noch immer die Grenzwerte. Über 1000 Arten von Pestiziden verschmutzen weiterhin Boden und Grundwasser, verringern die Biodiversität und gelangen in die Nahrungskette.

· Wasserversorgung: Der Wasserverbrauch für industrielle Zwecke hat sich stabilisiert, aber der Verbrauch von Landwirtschaft und Haushalten nimmt zu und führt zu Engpässen. Die Eutrophierung der Oberflächengewässer schreitet in der gesamten Europäischen Union weiter voran. Der Nitratgehalt des Trinkwassers steigt weiter vor allem im Grundwasser an, aus dem zwei Drittel der europäischen Bevölkerung ihr Trinkwasser beziehen. Die städtischen Trinkwasserversorgungen sind im allgemeinen immer noch nicht effizient.

Abb. II.4: Nachfrage nach Wasser in Europa 1950 bis 2000

Quelle: Dobris-Bericht 1995

· Wälder: Der Holzverbrauch übersteigt seit 1965 die Holzproduktion um 10%. Die Landfläche der Europäischen Union ist heute zu 33% mit Wäldern bedeckt. Ein Viertel des Baumbestandes wird jedoch von Pilzbefall, Unwettern, Insekten, Luftverschmutzung und Waldbränden in Mitleidenschaft gezogen.

Angesichts dieser Umweltprobleme besteht die grundlegende Frage darin, wie strukturpolitische Maßnahmen dahingehend entwickelt werden können, das Problem an der Wurzel zu packen. Wenn ein solches letztlich die einzige Lösung darstellt, dann sollte der langfristige, strukturelle Ansatz die weitere Entwicklung des europäischen Raums stark beeinflussen. Dann würden auch raumwirksame Politiken im Hinblick auf eine Implementation dieses Ansatzes eine zentrale Rolle übernehmen. Umweltgerechtere Kosten bei Verkehr, Wasserversorgung und Abfallbeseitigung würden auf allen räumlichen Ebenen neue räumliche Wirtschaftsstrukturen zur Folge haben.

II.C. Raumwirksame Entwicklungen von europäischer Bedeutung  

Eine Reihe spezifischer Entwicklungen von europäischer Bedeutung wird die räumliche Entwicklung unseres Kontinents bestimmen. Zukünftig muß jeder Versuch, diesen Entwicklungen eine positive Richtung zu verleihen, die europäische Dimension berücksichtigen.

II.C.1. Veränderungen der Städtestruktur  

Die Europäische Union ist Teil eines stark urbanisierten Kontinents. Das Zeitalter der Entstehung der Nationalstaaten hat eine ausgeprägte urbane Struktur hinterlassen. Weltstädte und eine relativ hohe Zahl an großen Städten sind über den Kontinent verteilt und mit einer Reihe größerer, mittlerer und kleinerer Städte verbunden, die im Vergleich zu anderen Kontinenten relativ nahe beieinander liegen.

Die Geschwindigkeit des Wandels der technologischen, politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen bringt eine Änderung der hierarchischen Funktionsbeziehungen dieses Städtesystems mit sich. Während diese Beziehungen bisher das Ergebnis der Entwicklung nationaler Räume waren, passen sie sich nunmehr an die neuen, intensiveren Wettbewerbsverhältnisse und Herausforderungen des europäischen Territoriums, die Öffnung von Mittel- und Osteuropa und die Globalisierung an. Barcelona beispielsweise war ein größeres regionales Zentrum in Spanien; nunmehr wächst es zu einer südeuropäischen Metropole heran. Lille war ein regionales Zentrum in der französischen Peripherie; heute wird es zu einem wichtigen Knotenpunkt im Entwicklungskorridor zwischen den britischen Inseln und dem kontinentalen Europa. London und Paris sind nicht mehr nur nationale Hauptstädte, sondern repräsentieren Europa als Weltstädte. Berlin wandelt sich von einer geteilten, isolierten Stadt zu einer großen Hauptstadt und zum Tor nach Mittel- und Osteuropa.

Die Städte aller Größenordnungen müssen sich an ihre neue relative Lage und ihre neue Stellung in der europäischen Städteordnung anpassen. Für einige Städte ist der Wandel radikaler als für andere; einige passen sich besser an als andere; einige sehen sich neuen Nachteilen gegenüber; andere neuen Möglichkeiten. Insgesamt stellt dies eine bedeutende räumliche Entwicklung dar, die sich in einer Reihe neuer Chancen und Hindernisse manifestiert.

II.C.1.a) Das Entstehen neue Städtenetze und Cluster

Neue funktionale Städtenetze sind im Entstehen begriffen, wobei die betreffenden Städte in geographischer Hinsicht sowohl nahe beieinander liegen als auch weiter voneinander entfernt sind.

In bestimmten, dicht besiedelten Regionen kooperieren die Städte stärker miteinander als in weniger dicht besiedelten Regionen. Dies geschieht beispielsweise dadurch, daß sie verschiedene spezielle Funktionen entwickeln. In Regionen mit einem ausgewogenen Städtesystem und einem starken räumlichen Zusammenhalt können kooperierende Cluster dieser Art Potentiale für eine solide Regionalentwicklung in der Zukunft bieten, indem sie das Angebot an Dienstleistungen und an Rahmenbedingungen für Unternehmen für die gesamte Region als Einheit verbreitern. In stärker polarisierten Regionen des "Pariser Typs" machen die Ungleichgewichte zwischen einer zentralen, großen Metropolregion und den ihn umgebenden Städten und Siedlungen die Umsetzung von Kooperationsnetzwerken wesentlich schwieriger. Weiter liegen in Grenzregionen mögliche Cluster, doch fehlt es dort am räumlichen Zusammenhalt. Trotz eines offensichtlichen Bedarfs und der Bereitschaft zur Kooperation sind die verwaltungstechnischen Bedingungen zur Entwicklung eines solchen geographisch enger gestrickten Netzwerks noch schwierig. Trotzdem zeigen Initiativen wie Saar-Lor-Lux (Saarbrücken, Luxemburg, Metz), daß dieser Ansatz möglich ist und Chancen zum Nutzen aller bringt.

In eher dünn besiedelten Regionen ist das Potential für die Entwicklung kooperativer regionaler Städtecluster aufgrund der größeren Entfernungen begrenzter. Dennoch könnten Kooperationsnetze dazu beitragen, daß diese Gebiete das Optimum an wirtschaftlicher Aktivität anziehen. Angesichts des globalen Wettbewerbs entstehen Netzwerke mittlerweile auch auf transnationaler und kontinentaler Ebene. Diese beschränken sich jedoch bisher zumeist noch auf den Austausch von Erfahrungen, ohne wirkliche regionale Raumentwicklungsstrategien zu verfolgen. Die Entwicklung einer solchen Strategie auf kontinentaler Ebene würde die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas verbessern helfen, und auf transnationaler Ebene würde das Entwicklungspotential der beteiligten Städte vergrößert werden.

II.C.1.b) Veränderung der Chancen für die Städte im Bereich der Wirtschaft

Der gemeinsame Binnenmarkt, die Öffnung von Mittel- und Osteuropa, die Bevölkerung und der politische Druck des Maghreb und des Balkans, die weitere Liberalisierung von Handel und Verkehr, die Globalisierung der Wirtschaft und der schnelle technologische Wandel sind die wichtigsten Faktoren bei der Schaffung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten für viele europäische Städte. Im folgenden wird ein allgemeiner Überblick auf der Basis einer Klassifikation der Städte nach drei Grundkategorien gegeben, wie dies im EUREK-Szenario von Straßburg vorgeschlagen wurde (die Realität ist natürlich komplizierter und weniger einheitlich):

Städtische Gebiete von internationaler Bedeutung werden internationale und andere Funktionen an sich ziehen, wettbewerbsfähig sein, aber mit Verdichtungsproblemen zu kämpfen haben:

· "Weltstädte" (London, Paris, möglicherweise Berlin und ein oder zwei andere Städte) werden weiterhin zentrale Funktionen wie die Verwaltung multinationaler Unternehmen, internationaler Finanzinstitutionen und andere wirtschaftliche Dienste anziehen.

· "Metropolregionen" (wie Randstad, der sogenannte "flämische Diamant" und die belgische Agglomeration im Zentrum des Landes, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Hamburg, West-Midlands im Vereinigten Königreich) werden ihre internationale Stellung ausbauen, indem sie in den verschiedenen Ballungszentren ergänzende Spezialisierungen entwickeln und darin investieren werden, um die Hemmnisse aus ihrer industriellen Vergangenheit zu beseitigen.

· "Hauptstädte" (besonders Hauptstädte wie Kopenhagen, Stockholm, Lissabon, Helsinki, Madrid und Rom) haben zumeist ein Potential, das auf der Stadt allein beruht; einige sehen sich speziellen Herausforderungen gegenüber, was ihre Funktion als Tor zu Europäischen Union betrifft (Wien, Helsinki).

Die Städte von nationaler Bedeutung bilden keine einheitliche Kategorie. Einige stehen auf relativ solider Grundlage, andere sehen sich Schwierigkeiten gegenüber:

· "Städte in Randlage mit schwach ausgebildeten städtischen Funktionen" könnten aufgrund großer Entfernungen, Abhängigkeiten von traditionellen Wirtschaftszweigen, abnehmender Bevölkerung, schwieriger klimatischer Bedingungen etc. dem Risiko weniger guter Entwicklungsmöglichkeiten gegenüberstehen. Diese Einschätzung ist nicht bindend, denn Städte wie Bari, Porto, Valencia, Rennes, Sevilla und Edinburgh haben innovative Entwicklungsstrategien erarbeitet und beweisen, daß die Auswirkungen struktureller Mängel begrenzt werden können.

· "Ältere Industriestädte" haben das Potential zur Entwicklung neuer Wirtschaftszweige, aber dieses Potential hängt in starkem Maße von der neuen geographischen Lage in Relation zu den wirtschaftlichen Zentren ab.

Die Wirtschaftskraft der Städte mit regionaler Bedeutung hängt weitgehend von ihrer geographischen Lage ab:

· "Städte mit regionaler Bedeutung in Zentralregionen" werden im allgemeinen besonders im Dienstleistungssektor über ein gutes Wachstumspotential verfügen.

· "Städte mit regionaler Bedeutung außerhalb der Zentralregionen" werden von ihrer geographischen Lage bestimmt. Einige Städte werden von ihrer Lage in einem Entwicklungskorridor oder in einem attraktiven Umland profitieren (Edinburgh, Toulouse, Grenoble, Salzburg).

· "Mittlere Städte in überwiegend ländlich strukturierten Regionen" sind von der geographischen Lage abhängig, sie können jedoch von der sie umgebenden natürlichen Landschaft profitieren, da sich die Erkenntnis des Nutzens einer qualitativ hochwertigen ländlichen Umgebung zunehmend durchsetzt.

 

Auch wenn diese Verallgemeinerungen nur ein grobes Bild über die sich wandelnden Chancen geben, so wird doch klar, daß fast jede Stadt ihre eigenen Möglichkeiten einschätzen und ihre Entwicklungsstrategie an die eigenen räumlichen Bedingungen anpassen muß. Die zentrale und grundsätzliche Erkenntnis besteht darin, daß die Rahmenbedingungen von allen Städten verlangen, eine neue Dynamik bei der Entwicklung ihres Potentials aufzubauen, da der Wettbewerb für mobiles Investitionskapital zwischen den Städten härter wird. Zudem ist erkannt worden, daß nicht für jede Stadt die neue Situation die gleichen Vorteile wie die vorherige bieten wird und daß der europäische Raum kein "Spielfeld" ist. Viele alte Industriestädte werden weiterhin einen langen Prozeß der Konversion und Diversifikation durchmachen; andere Städte werden weiterhin in zu großer Abhängigkeit von einem Aktivitätsbereich wie öffentliche Verwaltung, Tourismus oder einem Hafen stehen; viele Städte in ländlichen Regionen werden weiterhin Schwierigkeiten dabei haben, Wirtschaftsunternehmen in ausreichendem Maße anzuwerben. Dennoch gibt es in den eher peripheren Gebieten wirtschaftlich starke Städte, die ein ausreichendes Potential haben, genug mobiles Investitionskapital für sich und ihre Umfeld anzuziehen. Städte mit spezifischen Funktionen wie "Gateway-Städte" verfügen über grundlegend neue Möglichkeiten. Die Städte, die sich in einer neuen dynamischen Ausgangslage befinden, können diese Situation ausnutzen, um die Wettbewerbsposition Europas in der Welt zu verbessern.

II.C.1.c) Weitere Expansion der Städte

Die Europäer benötigen mehr Fläche. Der Flächenverbrauch pro Kopf steigt: weniger Einwohner pro Haus bedeutet mehr Häuser; mehr Mobilität bedeutet mehr Infrastruktur; größerer Wohlstand bedeutet mehr Eigentum. In städtischen Randlagen sind die Bodenpreise niedriger, das Wohnumfeld ist angenehmer und aus den Wohngebieten sind Städte über Straßen besser erreichbar. Die Dörfer und Städte dehnen sich daher oft relativ unkontrolliert weiter aus. Diese Expansion der Städte erhöht die Kosten für die städtische Infrastruktur, den Verkehr in den Stadtgebieten, den Energieverbrauch und hat negative Auswirkungen auf die Qualität der Landschaft und der Umwelt. Dies widerspricht vollständig dem Grundsatz einer nachhaltigen Stadt.

Dieser Problematik sieht sich die Mehrheit der Ballungsräume in Europa gegenüber. Wenn die strukturellen Lösungen der grundlegenden Umweltprobleme gefunden werden sollen (siehe Abschnitt II.B.2.), dann muß diese Aufgabe angepackt werden. In einigen Regionen der Europäischen Union, besonders dort, wo die Flächen relativ knapp sind, werden unterschiedliche stadtplanerische Maßnahmen durchgeführt, wie z. B. die "Kompakte Stadt", die Umnutzung zuvor bereits bebauter Flächen und eine "zielgruppenorientierte" Entwicklung neuer Wohngebiete in den Innenstädten. Die dabei gemachten Erfahrungen können anderen Gebietskörperschaften Anregungen geben und ihnen neue Möglichkeiten eröffnen.

II.C.1.d) Zunehmende soziale Segregation in den Städten

Ein anderes Problem, von dem fast alle größeren europäischen Städte betroffen sind, ist die zunehmende soziale Segregation. Einerseits ist sie die Folge von Push-Faktoren: Die Innenstädte sind verstopft, verschmutzt, gefährlich, wenig geeignet für Kinder, während die Vorstädte bessere Wohnqualität bieten und die Preise dort häufig niedriger sind. Familien mit mittlerem oder hohem Einkommen ziehen nach draußen, gefolgt vom Handel und anderem Gewerbe. Andererseits gibt es Pull-Faktoren. In den vergangen Jahren hat die Zahl der Einwanderer aus der Dritten Welt und den osteuropäischen Ländern in den meisten Mitgliedstaaten stark zugenommen. Diese Einwanderer zieht es in die vernachlässigten Innenstadtgebiete oder Großwohnsiedlungen am Stadtrand. Die kulturellen und ethnischen Unterschiede verstärken tendenziell den Trend zur sozialen Segregation, die städtische Struktur verliert an Zusammenhalt, und Probleme wie z. B. die Kriminalität greifen auf die ganze Stadt über, was möglicherweise Auswirkungen auf die allgemeine Attraktivität für Investoren hat.

Dieses Problem ist nicht nur deshalb von besonderer Bedeutung, weil es in Europa weit verbreitet ist, sondern auch, weil dadurch die Bedeutung der sozialen Dimension für das Konzept der nachhaltigen Stadtentwicklung unterstrichen wird. Nachhaltige Stadtentwicklung ist ein mehrdimensionales Konzept mit einer Umwelt-, Wirtschafts- und sozialen Dimension. Die Probleme der sozialen Segregation, die durch eine sehr hohe Langzeitarbeitslosigkeit in manchen Städten verschärft werden, weisen auf die Notwendigkeit eines sozialen Zusammenhalts für eine stabile, langfristige Entwicklung der europäischen Städte hin.

II.C.1.e) Mangelnde Verbesserung der städtischen Umweltqualität

Die Trends hinsichtlich der dritten Dimension einer nachhaltigen Stadtentwicklung, nämlich dem Ziel einer hohen Umweltqualität, sind in den europäischen Städten nicht besonders günstig. Obwohl in allen größeren Städten eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt wurden, sind die Probleme durch Lärmbelästigung, Luftverschmutzung, Wasserverschmutzung, Verkehrsüberlastung, Abfallerzeugung, Wasserverbrauch zwar nicht größer geworden, aber im allgemeinen hat sich die Lage nicht so weit verbessert, daß eine langfristige nachhaltige Stadtentwicklung gesichert wäre. Diese Trends haben nicht nur negative Konsequenzen auf die Lebensqualität und die menschliche Gesundheit, sondern können sich auch auf die Wirtschaft auswirken, indem sie zu geringeren Investition, schlechteren Beschäftigungsmöglichkeiten und sinkenden kommunalen Einnahmen führen.

II.C.2. Die sich ändernden Funktionen ländlicher Gebiete  

Seit fast 40 Jahren wurde die Entwicklung der ländlichen Räume in der Europäischen Union in hohem Maße von der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik (GAP) mitbestimmt. Die schrittweise aber fortlaufende Reform der GAP hin zu einer integrierteren Politik für die ländlichen Räume ist im Gange und wird auf die eine oder andere Weise auch in der absehbaren Zukunft fortgeführt werden. Dies spiegelt den grundlegende Wandel der Funktion der ländlichen Gebiete in Europa wider. Das Zeitalter eines stark monosektoralen Ansatzes geht unvermeidlich seinem Ende zu - wie lange dieser Prozeß auch immer dauern mag. Die Probleme und Möglichkeiten in den ländlichen Räumen (etwa 80% des EU-Territoriums) können nur durch einen multisektoralen, integrierenden Ansatz gelöst bzw. ausgeschöpft werden.

Zwei grundlegende räumliche Entwicklungen können unterschieden werden: die wachsenden Interdependenzen zwischen den Städten und den ländlichen Regionen und der generelle Wandel der Landwirtschaft als der wirtschaftlichen Grundlage der ländlichen Gebiete.

II.C.2.a) Zunehmende Interdependenzen mit den städtischen Gebieten

Die Zukunft der ländlichen Räume hängt in immer stärkerem Maße von der Entwicklung der städtischen Ansiedlungen ab. Die Beziehung von Stadt und Land unterscheidet sich in dichter besiedelten von dünn besiedelten Regionen. In dicht besiedelten Regionen wird durch die anhaltende Urbanisierung immer mehr Landschaft verbraucht. Manchmal sind ländliche Gebiete so verstädtert, daß sie kaum noch als ländlich klassifiziert werden können. Vielerorts sind Wasser und Boden verschmutzt. Die Verstädterung und die Infrastruktur führen zur Fragmentierung offener Räume und in der Folge zur irreversiblen Zerstörung des ländlichen Landschaftsbilds.

Typische ländliche Funktionen wie die extensive Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Naturerhaltung und -entwicklung hängen in hohem Maße von der Erhaltung landschaftlicher Freiräume ab. Die Gefahr der Fragmentierung und die Notwendigkeit der Erhaltung offener Landschaften sind wichtige Aufgaben in den dichter besiedelten ländlichen Gebieten. Die Raumplanung hat hier die wichtige Funktion, ein Gleichgewicht zwischen Urbanisierung und landschaftlichen Freiräumen herzustellen. Während einerseits viele Städte auf ihr ländliches Umland großen Druck ausüben, profitieren sie andererseits wirtschaftlich und sozial auch von dessen Attraktivität. Beide Wirtschaftsräume sind eng miteinander verflochten. Erholungs- und Freizeiteinrichtungen für die städtische Bevölkerung bieten für die ländlichen Gebiete gute Entwicklungsmöglichkeiten.

Größere und weniger dicht besiedelte ländliche Regionen haben bessere Chancen, ihren ländlichen Charakter zu erhalten. In einigen Regionen kann das natürliche und kulturelle Erbe Ansatzpunkt für eine touristische Entwicklung sein. Es ist von besonderer Bedeutung, daß die neuen Entwicklungen dieses Erbe bewahren. Im Jahre 1992 hatte der ländliche Tourismus einen Markanteil von 14,4% am europäischen Tourismusmarkt, und es wird ein weiteres Wachstum erwartet. Diese Entwicklung wirkt sich auch für die Wirtschaft der Städte in diesen Gebieten positiv aus. Die sich verändernde europäische Landwirtschaft hat in diesen Gebieten darüber hinaus starken Einfluß auf die kleineren ländlichen Siedlungen, die sich ebenfalls in einer dynamischen Übergangsphase befinden. Allgemein verschlechtern sich die Bedingungen für die Sicherung des Dienstleistungsniveaus, wie Unternehmensdienstleistungen, Erziehung und Bildung etc.. Für einige Siedlungen hat dies größere Probleme zur Folge.

II.C.2.b) Strukturwandel in der Landwirtschaft als grundlegender Wirtschaftsfaktor in den ländlichen Räumen

Die schrittweise Reform der europäischen Landwirtschaft wird sich vor dem Hintergrund der Liberalisierung, der Kürzung öffentlicher Ausgaben und der Umweltsituation weiter fortsetzen. Die Stellung der Landwirtschaft als Vorreiter und Triebkraft für die regionale Entwicklung der ländlichen Gebiete wird sich in vielen, nicht aber in allen Regionen Europas erhalten. In Teilgebieten des Schwarzwalds oder in den Pyrenäen beispielsweise sind Natur und Tourismus bereits die dominierenden Wirtschaftszweige. Nach einigen Schätzungen könnten zwischen 30% und 80% der Fläche aus der landwirtschaftlichen Produktionsfläche ausgegliedert werden. Dies stellt einen entscheidenden Wandel der wirtschaftlichen Basis der ländlichen Gebiete dar, der eine Reihe von Facetten beinhaltet.

Einige Gebiete können unter diesen veränderten Umständen dadurch wettbewerbsfähig bleiben, daß sie die Landwirtschaft intensivieren. Diese Gebiete haben mit bestimmten Formen der Überlastung zu kämpfen. Die Intensivierung wird durch Produktionstechniken unterstützt, die in ihrer extremen Ausprägung dazu führen, daß die Anbaumethoden mehr durch Logistik, Technik und Wissen bestimmt werden als durch die natürlichen Bedingungen. Die Produktivität pro Einheit kann so mit anderen urbanen wirtschaftlichen Aktivitäten schritthalten. In Gebieten, in denen die Intensivierung weniger weit fortgeschritten, aber immer noch Wettbewerbsfähigkeit vorliegt, führt die fortgesetzte Mechanisierung zur Vergrößerung der Betriebe, geringerer Beschäftigung und Uniformierung agrarischer Landschaften.

Andere Gebiete haben Probleme hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit und streben die Diversifizierung ihrer wirtschaftlichen Grundlage an, indem sie alternative Wirtschaftszweige entwickeln, wie z. B. verschiedene Arten der Forstwirtschaft und des ländlichen Tourismus. Die Landwirtschaft, die Landschaft, die natürliche Umgebung und der Tourismus stehen in engem Zusammenhang und hängen voneinander ab. Deshalb ist eine diversifizierte Struktur in jenen Gebieten vorhanden, die die entsprechenden natürlichen Bedingungen sowie bereits ein attraktives Landschaftsbild aufweisen, und nicht allzu weit entfernt von den Ballungszentren liegen, wie z. B. Gebiete im Süden Deutschlands, dem Zentrum Frankreichs und in vielen Regionen in Südeuropa. Ein anderes, lange bestehendes Beispiel für eine erfolgreiche ländliche Diversifikation ist die Ansiedlung von Kleinbauern in den Highlands und auf den Inseln von Schottland.

Die dritte Art, mit der ländliche Gebiet auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft reagieren, ist die Extensivierung. Dies ist vor allem in abgelegenen Gebieten zu beobachten und kann durch eine weniger intensive Landnutzung schließlich zu einer Vernachlässigung oder gar zur völligen Aufgabe der Flächen führen.

Marginalisierung tritt dann ein, wenn der Landbau bei der gegebenen Flächennutzung und sozioökonomischen Strukturen nicht mehr lebensfähig ist. Die Auswirkungen der Marginalisierung können sowohl positiv als auch negativ sein. Sie sind positiv, wenn sich die Bedingungen der Umwelt und Landschaft verbessern oder wenn es neue Möglichkeiten für Forstwirtschaft und andere Flächennutzungen gibt. Sie sind negativ, wenn eine stetige Abwanderung von Arbeitnehmern aus dem Agrarsektor und die völlige Aufgabe der Betriebe stattfindet. Teilgebiete Spaniens, Portugals, des Vereinigten Königreichs, Finnlands, Irlands, Italiens und im Süden Frankreichs tendieren in diese Richtung.

Ein Strukturwandel dieser Art in der Landwirtschaft, als wirtschaftliche Grundlage in den ländlichen Gebieten, unterstreicht den Trend zu weniger einheitlichen Bedingungen und eröffnet vielleicht mehr Chancen als er Gefahren birgt. Die Intensivierung eröffnet Perspektiven für Investitionen, Forschung über die ökologischen Bedingungen und Raum für andere Wirtschaftszweige. Die Diversifikation kann zu Einkommensquellen führen, die weniger von Subventionen abhängen, und eröffnet neue Perspektiven für den Natur- und Landschaftsschutz sowie dem ländlichen Tourismus. Sogar die Marginalisierung hat positive Folgen, indem sie die Aussichten für Naturschutz und Aufforstung verbessert.

S.W.O.T.-Analyse: Städtische Strukturen

(III)

STÄRKEN/CHANCEN

SCHWÄCHEN/GEFAHREN

A1 Entwicklung von Städteclustern in Regionen mit hohem räumlichen Zusammenhalt.

Entwicklung von Städtenetzen auf kontinentaler, transnationaler und regionaler Ebene (jedoch noch im Frühstadium, begrenzt auf Erfahrungsaustausch und ohne wirkliche strategische Ausrichtung).

Regionen mit relativ ausgewogener urbaner Struktur.

In dünn besiedelten Regionen und/oder Regionen mit geringem räumlichen Zusammenhalt bestehen Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Städteclustern bzw. Städtenetzen, die nötig sind, um eine kritische Masse von Einrichtungen und Investitionen zu erreichen. In bestimmten Grenzregionen wenden die Städte sich gegenseitig "den Rücken" zu.

Der harte Wettbewerb zwischen den Städten birgt das Risiko der Überversorgung mit Infrastruktur und der Ressourcenverschwendung.

In bestimmten Regionen bestehen Ungleichgewichte im Städtesystem wie z. B. in Fällen starker Polarisierungen um sehr einflußreiche Städte und in Fällen von Küstenorientierung auf Kosten des Hinterlands.

A2 Weltweiter Einfluß von konkurrenzstarken Weltstädten wie London und Paris.

Verstärkte Investitionen in bestimmten, attraktiven peripheren Regionen (wobei jedoch die Nachbarregionen ebenfalls davon profitieren sollten).

Privilegierte Beziehungen von "Gateway-Städten" zu bestimmten Regionen tragen zum internationalen Einfluß der Europäischen Union und zu einer Neugewichtung der Funktionen ihrer Ballungsräume bei. Ein ähnliches Phänomen sind die besonderen Beziehungen einiger Städte der Europäischen Union zu Nicht-Mitgliedstaaten.

Städte mit alten Industriezweigen stehen großen Problemen gegenüber: Notwendigkeit ökonomischen Strukturwandels bzw. Diversifikation, mangelnder sozialer Zusammenhalt.

Andere Städte sind zu sehr von wenigen Wirtschaftszweigen abhängig (Hafen oder Tourismusindustrie, Öffentliche Verwaltung usw.)

Schwierigkeiten in bestimmten Städten im ländlichen Raum hinsichtlich der Sicherung der wirtschaftlichen Dynamik.

A3 Die Stadtstrukturen sind für einige Haushaltstypen (mit einem Elternteil, ältere Menschen usw.) besonders attraktiv, was die Wiederbelebung der Innenstädte fördern könnte.

In einigen Regionen wurde erfolgreich die Politik der "kompakten Stadt" verfolgt.

Pilotprojekte für integrierte, querschnittsorientierte, strategische Planung wurden in einigen städtischen Regionen durchgeführt, wobei die ökonomische, soziale und Umweltdimension integriert wurden.

Neue Verfahren zur Schließung der Kreisläufe in den Städten (Abfall, Wasser, Energie).

Neue Siedlungs- und Verkehrspolitik in einigen Ballungsräumen.

Unstrukturierte räumliche Expansion der Städte in vielen Regionen.

Soziale Segregation, krisenhafte Verhältnisse in einigen Stadtvierteln. Industriebrachen und andere verlassene Stadtflächen. Unzureichende Funktionsmischung (Wohngebiete, Industriegebiete, Freiräume) in bestimmten Stadtvierteln. Probleme durch Boden- und Immobilienspekulation.

Die Abfallproduktion und der Energie- und Wasserverbrauch sind in den Städten oft sehr hoch.

Größer werdende Umweltprobleme in den Städten (Lärmbelästigung, Schmutz, Verkehrsstaus).

S.W.O.T.-Analyse: Ländliche Räume

(III)

STÄRKEN/CHANCEN

SCHWÄCHEN/GEFAHREN

A4 Die Stärkung der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Qualitätsprodukten und nach sanftem Tourismus hat zu einer Reorientierung und vorteilhaften Diversifikation dieses Sektors geführt.

Randgebiete könnten von der Informationsgesellschaft profitieren, bedeutsames und häufig gut erhaltenes Kultur- und Naturerbe, ihre lokalen Produkte, ihr Potential für Tourismus, die niedrigeren Kosten für bestimmte Produktionsfaktoren (Boden, Arbeitskräfte).

In einigen ländlichen Gebieten intensive Bodennutzung und Umweltprobleme: intensive Viehwirtschaft, Suburbanisierung, Zweitwohnsitze, Tourismus, Erholungsaktivitäten.

Bevölkerungsrückgang und Aufgabe von Bodenbewirtschaftung in einigen Randgebieten, vor allem in einigen schlecht erreichbaren ländlichen Gebieten, daneben Problem der Erhaltung von Basisdienstleistungen und dynamischen Städten in ländlichen Gebieten.

A5 In einigen ländlichen Regionen befindet sich die Wirtschaft bereits im Prozeß der Diversifizierung.

Gesteigerte Bereitschaft, umweltfreundliche Agrarpolitik durchzuführen.

Die weniger produktiven ländlichen Gebiete können ihre Produktion diversifizieren, indem sie Nischen im Weltmarkt und ihr großes Potential für erneuerbare Energien nutzen.

In einigen hochproduktiven ländlichen Gebieten schädigt eine intensive Landwirtschaft die Umwelt und verursacht eine verringerte Biodiversität, Verschmutzung durch Nitrate, Standardisierung der Landschaft etc.

In anderen ländlichen Gebieten könnte die bestehende landwirtschaftliche Produktion dem internationalen Wettbewerb nicht standhalten (GATT/WTO-Verträge).

II.C.3. Wandel bei der Verkehrs-, Kommunikations- und Bildungsinfrastruktur  

Struktur, Art und Nutzung der Infrastruktur sind wichtige Bestimmungsfaktoren für die Organisation des europäischen Raumes. Obwohl in den letzten Jahren auf Gemeinschaftsebene große Fortschritte gemacht wurden, sind die Folgen jahrzehntelanger national orientierter Infrastrukturentwicklung in der Europäischen Union immer noch spürbar. Die Weiterentwicklung der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten für eine stärker liberalisierte, effiziente, umweltfreundliche, den Zusammenhalt stärkende und funktionierende europäische Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur wird sich daher fortsetzen. Gleichzeitig vollziehen sich die Fortschritte bei den Verkehrs-, Transport- und Kommunikationstechnologien (Telekommunikation, Trassen für Hochgeschwindigkeitszüge) sehr schnell, Umweltauflagen können nur verschärft werden, und die Liberalisierung des Handels mit Mittel- und Osteuropa erzeugt neue Verkehrsströme.

All diese Faktoren bewirken in ihrem Zusammenspiel, daß sich die Bestimmungsfaktoren der räumlichen Strukturen in den kommenden Jahren kontinuierlich und schnell ändern werden. Die größten Veränderungen werden nicht nur durch neue physische Infrastruktur hervorgerufen, sondern durch die Art und Weise, wie die Infrastruktur genutzt wird. Darüber hinaus kann vor allem die Telekommunikationstechnologie zu grundlegenden Veränderungen der Standortstrukturen und der wirtschaftsgeographischen Muster führen. Die räumlichen Auswirkungen dieser Entwicklungen können Chancen eröffnen, aber auch Gefahren in sich bergen.

II.C.3.a) Verbleibende Inkonsistenzen entlang der Grenzen

Obwohl der gemeinsame Binnenmarkt und die gemeinschaftliche Verkehrspolitik zu einem beträchtlichen Rückgang der Effekte nationaler Grenzen auf die Infrastrukturnetze führten, sind diese Effekte in Form von fehlenden physischen oder dienstleistungsbezogenen Verbindungen immer noch deutlich sichtbar. Zwischen verschiedenen nationalen Eisenbahnnetzen gibt es sogar immer noch technische Unterschiede. Die Eisenbahnen werden gewöhnlich immer noch nicht als "normale" wirtschaftliche Unternehmen betrachtet, die den ökonomischen Prinzipien unterworfen sind. Weitere Deregulierung, Standardisierung der technischen Systeme und Einführung von Wettbewerbspreisen werden in der Europäischen Union fortgesetzt, da diese die Vorbedingungen für die Entwicklung zusammenhängender transnationaler Verkehrsnetze darstellen. Grenzüberschreitende Engpässe bestehen auch bei den Wasserwegen. Jegliche Verbesserung der Integration der inländischen Wasserwege zum multimodalen Verkehrsverbund wird mit beträchtlichen Investitionen verbunden sein. Darüber hinaus gibt es zwischen den Mitgliedstaaten viele Unterschiede bei der Schiffstechnologie, was ein großes Hindernis für die Entwicklung eines kombinierten Frachttransports bedeutet. Insgesamt muß noch einiges getan werden, bevor Europa über ein zusammenhängendes, funktionierendes Infrastrukturnetz verfügt.

II.C.3.b) Steigendes Verkehrsaufkommen

Ein größeres räumliches Problem ist der anhaltende Anstieg des Fracht- und Personenverkehrsaufkommens. Im Jahre 1990 betrug der Handel innerhalb der EU12 insgesamt acht Milliarden Tonnen Güter. Durch die Erweiterungen von 1994, die Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarktes und die Öffnung von Mittel- und Osteuropa wurde dieser Wert beträchtlich erhöht. Das Transportvolumen innerhalb der Länder ist zwar noch weit größer als zwischen ihnen, der Anteil des internationalen Transports wächst jedoch schneller an. Da die meisten Transporte über kurze Distanzen erfolgen, hat der Straßenverkehr bei weitem den größten Anteil. Je länger die Distanzen werden, desto eher werden die anderen Verkehrsarten zu wettbewerbsfähigen Alternativen.

Es ist nicht zu erwarten, daß sich das derzeitige Verkehrsaufkommen in seiner Struktur wesentlich ändert - das Gesamtaufkommen wird sogar weiter wachsen. Die Folgen dieses Wachstums sind unter anderem stärkere Überlastung, Zeitverlust, der Bedarf von zusätzlicher Infrastruktur, Emissionen von Kohlendioxid und Stickoxiden, die Fragmentierung des Landschaftsbilds, größere Lärmbelästigung und andere Umweltprobleme. Angesichts dieser Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft besteht die Frage darin, wie die Probleme dieses Wachstums bewältigt werden können. Da die Antwort nicht darin bestehen kann, mehr Infrastruktur in immer stärker belasteten Regionen zu bauen, gibt es zwei mögliche Wege, die statt dessen ausgeschöpft werden müssen:

· Senkung der Wachstumsrate, was insbesondere dadurch erreicht werden kann, daß die Transportkosten die Umweltkosten angemessen widerspiegeln,

· eine gleichmäßigere Verteilung der Wirtschaftszweige über den europäischen Raum.

Wenn strategisch-strukturelle Lösungen dieser Art versucht werden, sind langfristig beträchtliche räumliche Konsequenzen zu erwarten.

II.C.3.c) Zunehmende Überlastung und Engpässe

Ein steigendes Verkehrsaufkommen betrifft vor allem die bereits belasteten Gebiete Europas. Verglichen mit dem schnellen Wachstum im vergangenen Jahrzehnt hat es unzureichende Investitionen in die Infrastruktur gegeben. Die meisten Länder haben nicht ausreichend in öffentliche Verkehrsmittel investiert, um dieses Wachstum absorbieren zu können, und die Investitionen für den Schienenverkehr wurden in überproportional hohem Maße für Hochgeschwindigkeitstrassen und ihre Technologie aufgewendet. Die Folge davon ist eine Vielzahl von Engpässen im europäischen Verkehrsnetz mit negativen wirtschaftlichen und ökologischen Konsequenzen. Die größten Engpässe bestehen bei Fracht- und Passagierverkehr sowohl hinsichtlich weiter als auch kurzer Entfernungen in den Städten und deren Umland.

Abb. II.5: Schwerpunkte von Umweltproblemen: überlastete Verkehrsverbindungen in Problemregionen (dicht besiedelte Regionen und/oder Naturschutzgebiete)

 

Quelle: ECIS 1996

Der weitere Bau von Autobahnen kann nicht die einzige Antwort auf die Überlastungsprobleme sein, vor allem nicht in den dichter besiedelten Gebieten Europas. Straßen und Autobahnen bewirken eine weitere Dispersion bei der Flächennutzung und letztlich weitere Überlastungen. Eine schienenbasierte Infrastruktur kann zur Konzentration um Bahnhöfe führen, wo der Aufbau von dichteren Stadtstrukturen ohne übermäßige Überlastungserscheinungen möglich ist. Der Übergang vom Autoverkehr zum Schienenverkehr eröffnet Möglichkeiten, die Entwicklung überlasteter Regionen zu unterstützen. Die Impulse für die Eisenbahnen werden neue Konzentrationstendenzen erzeugen. Die Förderung einer stärker auf Eisenbahnen basierenden Infrastruktur wird daher beträchtliche räumliche Auswirkungen haben.

II.C.3.d) Unausgeglichene Erreichbarkeit in ganz Europa

Viele Regionen weisen eine gute primäre und sekundäre Infrastruktur auf. Ihre gute Erreichbarkeit fördert ihre Wettbewerbsposition ebenso wie die von ganz Europa. In anderen Gebieten Europas ist die Erreichbarkeit jedoch schlecht, so daß sie für Investitionen weniger attraktiv sind. Aufgrund der geographischen Verhältnisse leiden in Europa besonders die peripheren und ultraperipheren Regionen unter dieser Situation. Eine integrierte Erreichbarkeitsanalyse, die auf der Infrastruktur des Jahres 1995 und den bis 2010 geplanten transeuropäischen Netzen basierte, kam zu dem Schluß, daß der Erreichbarkeitsindex in 60 bis 70% des europäischen Raumes unterdurchschnittlich ist.

Abb. II.6: Muster der integrierten Erreichbarkeit für verschiedene Verkehrsarten

Quelle: Resumée der spanischen Präsidentschaft der Europäischen Union im Hinblick auf die Raumplanung 1996

In diese Kategorie fallen Finnland, Schweden, Teile des Vereinigten Königreichs, Irland, Portugal, der größte Teil Spaniens, Süditalien, Griechenland, einige Gebiete in Österreich und Deutschland und natürlich die Inseln. Abbildung II.6 zeigt die Disparitäten bei der Erreichbarkeit in kontinentaler Hinsicht auf.

Abb. II.7: Entwicklung der direkten Interkontinentalflüge

Quelle: Stratagem 1997

Die transeuropäischen Netze (TEN) wurden initiiert, um unter anderem das Erreichbarkeitsproblem auf europäischer Ebene zu lösen. Hinsichtlich der Erreichbarkeit stark peripherer und weniger zugänglichen Regionen wurden bereits Fortschritte erreicht. Transeuropäische Netze sind daher ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung einer breiter angelegten Raumentwicklungspolitik auf europäischer Ebene.

Die Öffnung Osteuropas wird der heutigen östlichen Peripherie der Europäischen Union eine relativ zentralere Position verleihen. Dennoch sind die Verkehrsnetze in diesen Regionen mit der Ausnahme der zügigen Verbesserungen in Deutschland immer noch von den alten politischen Trennlinien in Europa gekennzeichnet. Der größte Mangel besteht weiterhin in dem Fehlen adäquater Infrastruktur zur Verbindung der Städte entlang dieser Trennlinie. Neue Handelsmöglichkeiten werden diese östlichen Gebiete zweifellos erschließen. Die Lage in den Regionen des Atlantischen und des Mittelmeerbogens ist zwar ähnlich, aber die Chancen sind nicht die gleichen wie entlang der heutigen östlichen Grenze der EU.

Erreichbarkeit auf kontinentaler Ebene ist nicht das einzige Problem. Unter den schlechter erreichbaren Gebieten sind die Differenzen hinsichtlich des Grades der Erreichbarkeit ebenfalls sehr groß. Größere Städte, die an mehr als ein internationales Verkehrsnetz angeschlossen sind (Flughäfen, Häfen, Hochgeschwindigkeitsstrecken) sind im allgemeinen in einer weit besseren Lage als die mittleren und kleinen Städte in diesen Gebieten. Die Herstellung von Verbindungen zwischen den größeren und kleineren Städten ist daher sehr wichtig, um die Disparitäten hinsichtlich der Erreichbarkeit zu verringern. Das gleiche gilt für die zentral gelegene Gebiete, die ebenfalls gute sekundäre Netze bereitstellen müssen, welche die im Aufbau befindlichen transeuropäischen Netze ergänzen. Ein wichtiges Problem besteht hier wiederum hinsichtlich der wachsenden Überlastung, welche die Erreichbarkeit der Gebiete verschlechtert, die relativ gut mit Infrastruktur ausgestattet sind. Die Verbesserung der nationalen und sekundären Netze ist eine Bedingung für eine bessere Erreichbarkeit in den betreffenden Regionen.

Die Verbesserung der Erreichbarkeit in den peripheren oder weniger gut erreichbaren Regionen ist eine wichtige Bedingung, aber keine Garantie für weitere wirtschaftliche Entwicklung in diesen Gebieten. Die relative Isolierung hatte in den weniger begünstigten Gebieten häufig zur Folge, daß dort die regionale Wirtschaft überlebt hat. Bessere Erreichbarkeit über die Grenzen hinaus wird das Umland der ökonomisch starken Gebiete erweitern. Dadurch könnte ein "Pumpeffekt" erzeugt werden: Neue Infrastruktur in weniger begünstigten Gebieten fördert die Ausschöpfung der endogenen Ressourcen durch die entfernten stärkeren Regionen. Die neuerlich besser erreichbaren Wirtschaftsräume werden im Wettbewerb um Großunternehmen und wettbewerbsstarken Dienstleistungsanbieter gegen die ökonomisch stärkeren Gebiete bestehen müssen. Der Wettbewerb könnte den stärkeren Regionen mehr zugute kommen als den neuerlich gut erreichbaren schwächeren. Jede Verbesserung der Erreichbarkeit muß daher mit einer Verbesserung und/oder Spezialisierung der Produktionsbedingungen einhergehen, um die positiven ökonomischen Effekte der Erreichbarkeit nutzen zu können.

II.C.3.e) Konzentrationstendenzen und sich bildende Entwicklungskorridore

Beträchtliche räumliche Auswirkungen hat auch die anhaltende Tendenz zur weiteren Konzentration des Verkehrs und der wirtschaftlichen Aktivitäten. Große Verkehrsnetze bergen das Risiko der verstärkten räumlichen Konzentration, da Hochgeschwindigkeitsverbindungen wesentlich größere Maschen aufweisen als konventionelle Verbindungen. Sie können den "Tunneleffekt" erzeugen, indem Investoren davon abgeschreckt werden könnten, sich in Regionen niederzulassen, die unzureichend mit den großen Netzen verknüpft sind. Dies spiegelt sich auf der Fläche im Entstehen von Entwicklungskorridoren wider, die durch dichte Verkehrsströme und große Dynamik bei der Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen gekennzeichnet sind. Diese Korridore entwickeln sich besonders in stärker urbanisierten Gebieten. Da die Korridore oft transnationalen oder grenzüberschreitenden Charakter haben, bedürfen sie integrierter Raumplanungskonzepte, die über einen rein nationalen Politikansatz hinausgehen. Auch im Luftverkehr ist die Konzentrationstendenz erkennbar. Die Verbindungen zu anderen Kontinenten konzentrieren sich vor allem auf die zentralen Gebiete der EU. Die Liberalisierung scheint zur weiteren Konzentration der interkontinentalen Flüge auf die nordwestlichen Zentralflughäfen zu führen, obwohl der Luftverkehr über diesem Teil Europas bereits eine hohe Dichte aufweist.

Abb. II.8: Anteile der vier Meeresbuchten der Europäischen Union an der Seefracht

 

Europa verfügt über viele Häfen in den vier großen Meeresbuchten des Kontinents. Einige Häfen haben sich aufgrund ihrer begünstigten geographischen Lage gegenüber dem Hinterland und der damit verbundenen Wettbewerbsposition sehr gut entwickelt. Die großen Seehäfen sind auf Nordwesteuropa konzentriert, das den größten Anteil an den interkontinentalen Seeverbindungen hält. Das Hinterland der Häfen bestehen praktisch aus dem ganzen europäischen Raum und überschneidet sich in weiten Teilen. Die Häfen stehen in hartem Wettbewerb miteinander und arbeiten beständig an der Verbesserung ihrer jeweiligen Wettbewerbsposition. Die Hauptaufgabe besteht darin, ein hohes Maß an Komplementarität zwischen den Häfen herzustellen und zwar unter Berücksichtigung einer räumlich und in Bezug auf die Umwelt effizienten Nutzung der verfügbaren multimodalen Verbindungen mit dem Hinterland. Viele der Atlantik- und Mittelmeerhäfen verfügen nicht über die geographischen Wettbewerbsvorteile um einen interkontinentalen Transportknotenpunkt mit engen multimodalen Transportverbindungen zum Hinterland zu entwickeln. Diese spielen jedoch eine wichtige Rolle für die regionale Wirtschaft. Deshalb könnten viele dieser Häfen ihr Potential als europäische Kurzstreckenseehäfen ausbauen. Der Ausbau eines kohärenten Netzwerks europäischer Seehäfen ist unabdingbar. Daher sollten ihre Wettbewerbsposition und ihre Funktion als Tor nach Europa verstärkt werden, so daß sie als Entwicklungspol für ihr Hinterland dienen und einen Beitrag zu erforderlichen Neuausrichtung der Verkehrsströme auf dem ganzen Kontinent leisten.

II.C.3.f) Trends zu einem effizienter genutzten und umweltfreundlicheren Verkehrssystem

Angesichts des wachsenden Verkehrsaufkommens und der anhaltenden Konzentrations- und Überlastungstendenzen in Europa hat eine effizientere und umweltfreundlichere Nutzung des Verkehrssystems eine hohe Priorität. Diese sollte erreicht werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit von Europa insgesamt zu beeinträchtigen. Eine Möglichkeit besteht in der Weiterentwicklung des multimodalen Verkehrs, den Verbindungen von See und Straße, Schiff und Pipeline sowie Luft und Schiene. Dies gilt sowohl für den Fracht- als auch den Personenverkehr. Gegenwärtig ist das Entwicklungspotential für kombinierte Frachttransportsysteme begrenzt: Unter den gegebenen Marktverhältnissen sind diese gegenüber dem Straßenverkehr nicht konkurrenzfähig, mit Ausnahme der Überquerung natürlicher Hindernisse wie der Irischen See, dem Ionischen Meer, der Ostsee und der Alpen sowie in Gebieten mit wenigen Straßen wie in Nordskandinavien. Der Kurzstreckenverkehr in der Seefahrt zur Entlastung überlasteter Landstraßen ist ungenügend entwickelt.

Beim Personenverkehr sind die Bedingungen und Trends günstiger, besonders was die Kombination von Luftverkehr und Hochgeschwindigkeitszügen betrifft. Aufgrund der Geographie hat der Luftverkehr über kurze Strecken in Europa eine relativ große Bedeutung, was einen überproportional großen Verbrauch von Energie pro Passagierkilometer zur Folge hat. Zum Beispiel überbrücken 60% aller Flüge nach und von Amsterdam Entfernungen von weniger als 800 km. Hochgeschwindigkeitszüge ersetzen bereits einige europäische Kurzflugverbindungen wie Paris-London. Im Zuge des Ausbaus der Hochgeschwindigkeitsverbindungen wird sich dieser Trend verstärken. Die größten Umweltnachteile der Hochgeschwindigkeitszüge sind vor allem mit dem Bau der neuen Hochgeschwindigkeitstrassen verbunden (Zerschneidung der Landschaft, Lärmbelästigung in dicht besiedelten Regionen). Wenn die gegenwärtige durchschnittliche Zuggeschwindigkeit um 30% erhöht werden könnte und eine gegenüber von Flugverbindungen um 50% längere Reisezeit akzeptabel wäre, könnten über 50 europäische Städteverbindungen durch Hochgeschwindigkeitszüge bewältigt werden.

Diese kombinierten Strategien würden auch die Flughäfen entlasten, die sowohl in der Luft als auch am Boden unter Kapazitätsengpässen leiden. Die Erweiterung der Flughäfen mit all ihren räumlichen und ökologischen Problemen aufgrund ihrer Nähe zu größeren Städten könnten dadurch eingeschränkt werden. Berücksichtigt werden muß jedoch, daß eine Reise von Porto oder Athen in die europäischen Kerngebiete auch bei einer Geschwindigkeit von 300

Abb. II.9: Mögliche Korridore für die Substitution von Flugverbindungen durch Hochgeschwindigkeitszüge

 

Quelle: Stratagem 1997

Kilometern pro Stunde lange dauert. Eine Kombination von Hochgeschwindigkeitszügen und ausgewählten Flugverbindungen ist die einzige Möglichkeit zur Verbesserung der Erreichbarkeit der peripheren Regionen am Rande Europas.

Auf der lokalen und regionalen Ebene, vor allem in und nahe größerer städtisch geprägter und dichter besiedelter Regionen, haben Überlastung sowie Luftverschmutzung und Lärmbelästigung zur allgemein geteilten Auffassung geführt, daß der öffentliche Nahverkehr gefördert werden und der Gebrauch des privaten Autos erschwert werden muß. Maßnahmen wie Straßengebühren, restriktive Parkbestimmungen, steuerliche Regelungen oder technische Bestimmungen werden in den verschiedenen Regionen Europas nach und nach durchgeführt. Eine Standortpolitik, welche die Ansiedlung von großen Bürokomplexen in der Nähe von städtischen Verkehrsknotenpunkten und die Planung von neuen Wohngebieten in der Nähe angemessener öffentlicher Verkehrsmittel fördert, ist notwendig, um die Abhängigkeit vom Auto langfristig zu vermindern. Für viele lokale Gebietskörperschaften in allen Mitgliedstaaten ist dies eine wichtige Aufgabe von grundsätzlichem Interesse. In dünner besiedelten Regionen, in denen die Nachfrage hoch ist und die Entfernungen groß sind, ist der Straßenverkehr von großer Bedeutung, um eine ausreichende Bevölkerungsdichte und entsprechende Versorgung mit Dienstleistungen zu erhalten.

II.C.3.g) Disparitäten bei der Verbreitung von Innovationen und Wissen

Eine Entwicklung mit potentiell enormen aber noch unbekannten Auswirkungen ist das Wachstum der Telekommunikation und der elektronischen Informationsnetze und -technologien. Die Kombination dieser Technologien mit neuen Radio- und Fernsehtechnologien (Kabel) und neuer Rundfunkpolitik (Liberalisierung) bietet der Entwicklung neuer Dienste wie Teleerziehung, Telemedizin, Telearbeit, Telekonferenz und "elektronischen Marktplätzen" Chancen und könnten theoretisch ein weniger standortgebundenes Verhalten der Menschen und Unternehmen zur Folge haben. Das sich dadurch ergebende Entwicklungspotential für abgelegenere Regionen könnte groß sein. Die Entwicklung dieser "Infostrukturen" und der Telekommunikation auf gemeinschaftlicher Ebene ist eine potentiell starke Triebkraft für größere Integration, europäischer Wettbewerbsstärke und Wachstum.

Es besteht jedoch eine doppelte Gefahr: Erstens gibt es Markttendenzen, die trotz allem dazu führen, daß die weiter entwickelten Regionen stärker von dieser Revolution der "Infostruktur" profitieren. Gegenwärtig konzentrieren sich die Investitionen in Telekommunikation und Informationseinrichtungen eher auf bestimmte städtische Regionen. Zweitens ist Europa, verglichen mit den globalen Wettbewerbern, in diesem Bereich nicht unbedingt das Zentrum der Entwicklung. Die räumlichen Auswirkungen dieser Infostrukturen sind wenig bekannt. Es scheint, als würden sie die konventionelle Infrastruktur eher ergänzen, anstatt sie zu ersetzen. Es besteht die Möglichkeit, daß sich beide gegenseitig unterstützen und verstärken. Regionen, die sowohl hervorragende Zugangsmöglichkeiten zur Infostruktur als auch zur "traditionellen" Infrastruktur haben, befinden sich daher deutlich im Vorteil und könnten sich zu Innovationsinseln entwickeln. Trotz beträchtlicher Fortschritte (siehe Kasten), verläuft die Entwicklung in den Kohäsionsländern langsamer als in den wettbewerbsstärkeren Gebieten Europas. Regionen mit unzureichenden Zugangsmöglichkeiten zu Informationen und Wissen könnten aufgrund von Bevölkerungsrückgängen Probleme dabei haben, einen Mindestlebensstandard zu erhalten, und könnten durch Abwanderung von gut ausgebildeten Personen in andere Regionen mit besseren Zugangsmöglichkeiten einen "Brain-drain" erleiden.

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In allen Regionen der vier Kohäsionsländer (Griechenland, Irland, Portugal und Spanien) wurden große Investitionen in die Telekommunikationssysteme getätigt, digitale Vermittlungsstellen eingerichtet und Glasfaserkabel verlegt. Dadurch wurden die Disparitäten hinsichtlich der Versorgungssituation deutlich verringert. Es ist zu erwarten, daß bis zum Jahr 1999 die Zahl der Telefonanschlüsse je 100 Einwohner in Griechenland von 33 im Jahre 1987 auf 56, in Spanien von 25 auf 38 und in Portugal von 16 auf 47 steigen wird. Der Anteil von Hauptleitungen, die an digitale Vermittlungsstellen angeschlossen sind, wird erhöht, und es wird erwartet (im Kohäsionsbericht von 1996), daß bis 1999 die Digitalisierungsrate in Griechenland 80%, in Spanien 65%, in Irland 100% und in Portugal 75% erreicht. Als Folge davon werden die Quoten der Vermittlungsfehler sinken, die Reparaturzeiten zurückgehen und die Wartelisten schrumpfen. In Griechenland wurde die Wartezeit für Neuanschlüsse von 700 Tagen im Jahre 1988 auf 330 Tage im Jahre 1993 reduziert und in Portugal von 330 Tagen auf 120 Tage. Bis 1999 dürften sie auf nur 7 bzw. 30 Tage fallen. Ein Großteil der Regionen in diesen Ländern wird bis 1999 effiziente Systeme aufweisen, wenn auch noch organisatorische Verbesserungen nötig sein dürften, um zu gewährleisten, daß die Investitionen zu wettbewerbsfähigeren Telefongebühren führen.

Die zukünftigen Erweiterungen der Europäischen Union und die Entwicklung neuer Partnerschaften zur Einbeziehung von Drittländern bedeutet neuen Wettbewerb zwischen den Regionen Europas mit schlecht ausgebauten Wirtschaftsstrukturen, und den neuen europäischen Partnern.

S.W.O.T.-Analyse: Zugang zu Infrastruktur

(III)

STÄRKEN/CHANCEN

SCHWÄCHEN/GEFAHREN

B1 Regionen mit großem räumlichen Zusammenhalt, die von effizienten und gut miteinander verbundenen primären und sekundären Verkehrs- und Kommunikationsnetzen profitieren.

In der jüngsten Zeit wurden bei der Verbesserung der Erreichbarkeit in einigen peripheren oder schlecht zugänglichen Binnenregionen Fortschritte erreicht.

Die in den Leitlinien für die Transeuropäischen Verkehrsnetze geplanten neuen Verkehrsachsen eröffnen den gegenwärtig schlecht angeschlossenen Regionen neue Chancen.

Einige periphere Regionen sind durch Telekommunikationsnetze und -dienste bereits recht gut angeschlossen.

Die Liberalisierung des Verkehrs- und Telekommunikationssektors erlaubt die Schaffung neuer Strecken und Dienste zu Wettbewerbspreisen.

Mangelnde Erreichbarkeit tritt verstärkt in (ultra-) peripheren oder Binnenregionen auf: Schlechte Verbindungen und Dienste zwischen den Städten und mangelnde internationale Verbindungen.

Konzentration von interkontinentalen Verbindungen auf einige Zentralflughäfen und hocheffiziente Seehäfen im Kern Europas auf Kosten von größeren Flughäfen und Häfen in anderen Regionen.

Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Transeuropäischen Netzen (Verkehr und Telekommunikation).

Gefahr der Konzentration der Investitionen auf die TEN-Achsen, wodurch die Mittel und die Qualität der Dienste bei den regionalen Verbindungen innerhalb der groben Maschen des Netzes verknappt werden; Verstärkung dieser Tendenz durch die Liberalisierung ("allgemeine Grundversorgung" gefährdet, Telefongesellschaften neigen dazu, zuerst die profitabelsten Bereiche der Netze auszunützen).

B2 Mitgliedstaaten, die den Wandel zu intermodalen Verkehrsnetzen vollziehen.

Regionen, die mit effizienten öffentlichen Nahverkehrsnetzen und/oder mit ausgebauten Frachtverkehrssystemen im Bereich des Schienen- oder Wasserverkehrs ausgestattet sind.

Regionen mit guter Ausstattung an Binnenschiffahrtswegen.

Grenzregionen, die Verkehrseinrichtungen und Infrastruktur gemeinsam nutzen.

In Regionen mit hohem Verkehrsaufkommen bestehen Synergiepotentiale zwischen den verschiedenen Verkehrsarten (z. B. Schiene/Luft) oder zwischen Betreibern des gleichen Typs von Infrastruktur (z. B. gemeinsame Nutzung des Schienennetzes für benachbarte Häfen, deren Hinterland sich in zunehmendem Maße überschneidet).

Einige Grenzregionen nutzen die Einrichtungen und Infrastrukturen bereits gemeinsam.

Mangelnde Ausnutzung bestimmter Dienste und Infrastruktureinrichtungen in den dünner besiedelten Regionen; weiterhin fehlen Verbindungen.

"Just in time"-Verfahren steigern die Nachfrage nach Straßentransport, begünstigen die Ansiedlung von Unternehmen in der Nähe von Straßen und verschlimmern die Überlastung in Regionen, die bereits unter dieser Erscheinung leiden.

In vielen Regionen hat sich die Abhängigkeit vom Auto aufgrund einer mangelnden Standortpolitik deutlich verstärkt.

In den überlasteten Regionen fehlende oder relativ geringe Internalisierung der externen Kosten durch den Straßenverkehr.

Schwierigkeiten bei der Nutzung der gleichen Trassen für den Schienentransport von Gütern und Personen in den Regionen, in denen das Passagieraufkommen groß ist.

Unzureichende Nutzung von bestehender Verkehrsinfrastruktur in einigen Regionen.

Wettbewerb zum Schaden aller Beteiligten zwischen einigen Städten, Telefongesellschaften und Betreibern von Verkehrswegen.

Unzureichende Verbindungen zwischen den verschiedenen Netzen und Verkehrsarten.

An einigen Grenzen weiterhin Probleme aufgrund der Inkompatibilität der Verkehrstechnik.

S.W.O.T.-Analyse: Zugang zu Wissen

(III)

STÄRKEN/CHANCEN

SCHWÄCHEN/GEFAHREN

B3 Die neuen Möglichkeiten durch die Informationstechnologien (Telearbeit usw.) können in bestimmten Regionen zum Ausgleich von Nachteilen beitragen (nachhinkende Entwicklung, schlechtere Erreichbarkeit).

Einige Regionen und grenzüberschreitende/transnationale Kooperationen setzen bereits auf Forschung und technologische Entwicklung sowie Innovationen.

Zahlreiche Universitäten sind relativ gut über den gesamten Raum verteilt.

Bei den jüngeren Altersgruppen der arbeitsfähigen Bevölkerung in den weniger begünstigten Gebieten wurden große Fortschritte bei der allgemeinen und beruflichen Ausbildung gemacht.

Regionen mit Kompetenzen und Know-how, die wahrscheinlich neue Investoren anziehen (Region mit einem hohen Anteil von Unternehmen, die in Gewerbe- und Technologieparks angesiedelt sind).

Ungleiche räumliche Verteilung der Informationsgesellschaft und in einigen Regionen wenig Bewußtsein für die neuen Chancen, die sich ihnen eröffnen.

Interregionale Ungleichheit hinsichtlich der Innovationskapazitäten: Konzentration auf effiziente Zentren im Kern Europas, unterschiedliches Niveau der Technopole in den Universitäten (einige sind sehr traditionell ausgerichtet und haben schlechte Beziehungen zur Wirtschaft).

In den Mitgliedstaaten und Regionen ungleiches Niveau bei der allgemeinen und beruflichen Ausbildung.

II.C.4. Anhaltender Druck auf Europas Natur- und Kulturerbe  

Der vierte wichtige Bereich räumlicher Entwicklungen mit europäischer Bedeutung betrifft das Natur- (Flora und Fauna, Boden und Wasser) und Kulturerbe. Insgesamt sind die Tendenzen nicht positiv zu bewerten. Die wachsende Bedrohung dieses Erbes scheint die kontinuierlich gemachten Fortschritte beim Umweltschutz und der Kulturerhaltung, die während der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte erzielt wurden, wieder aufzuheben. Nichtsdestotrotz gibt es auch in diesem Bereich Chancen und Gefahren.

II.C.4.a) Verlust von Biodiversität und Naturräumen

Europa ist durch eine große Vielfalt an Naturräumen gekennzeichnet. Entsprechend der großen Zahl an Klima- und Bodentypen gibt es 35 verschiedene Vegetationstypen. In den vergangenen Jahrzehnten hat das gewachsene öffentliche Bewußtsein des Wertes dieses Naturerbes viele Staaten dazu veranlaßt, verschiedene Maßnahmen zum seinem Schutz durchzuführen, zum Beispiel durch:

· Ausweisung von Schutzgebieten deren Größe von kleinen, streng geschützten Flächen (gewöhnlich in den dichter besiedelten Gebieten) bis zu größeren, weniger streng geschützten Flächen in dünner besiedelten Gebieten reicht, die auch andere Funktionen erfüllen,

· Kauf von Land durch subventionierte Nicht-Regierungsorganisationen und dem Staat,

· Subventionen für Privateigentümer oder Nutzungsvorschriften (good practice).

Die allgemein verwendeten Kriterien für die Auswahl der Flächen sind der Gefährdungsgrad durch andere Flächennutzungen oder Aktivitäten, ihre Einmaligkeit oder Seltenheit und ihr Informationswert. Diese Maßnahmen haben in Europa zu großflächigen Natur- und Landschaftsschutzgebieten mit großer Biodiversität geführt.

Eine besondere Gefahr für dieses Erbe ist die räumliche Zersplitterung der Schutzzonen. Die Wirksamkeit der Naturerhaltung in Schutzgebieten hängt in starkem Maße von dem entsprechenden Management der sie umgebenden Gebiete ab. Nur ein großräumiger Ansatz kann den Trend zur Verringerung der Biodiversität und der weiteren Reduktion des europäischen Naturerbes umkehren.

II.C.4.b) Wasserressourcen: Angebot und Verschmutzung

Die Verschmutzung der Oberflächengewässer und des Grundwassers ist ein europaweites Problem, das sich über Grenzen hinweg erstreckt. Insbesondere die Verschmutzung durch industrielle und häusliche Abwässer wurde reduziert und auch hinsichtlich der landwirtschaftlich erzeugten Verschmutzung sind Fortschritte erzielt worden. In einigen Gebieten beeinträchtigt die Verschmutzung jedoch immer noch die Nutzung des Wassers in Form von Trinkwasserentnahme oder Erholung.

Abb. II.10: Flußverschmutzung in Europa

Quelle: Dobris-Bericht 1995

Die Häufigkeit von Hochwasser hat bei vielen europäischen Flüssen wie Rhein, Maas und Po in den letzten Jahren zugenommen. Dies hat eine Reihe von Ursachen wie die Kanalisierung der Flüsse, die Nutzung der Überflutungsgebiete für andere Zwecke und das schnellere Abfließen des Wassers durch die veränderte Flächennutzung. Selbst in trockeneren Regionen Europas, in denen Regenfälle seltener, aber heftiger sind, hat die Zahl der Hochwasser zugenommen. Die dadurch verursachten Schäden betragen allein in Spanien etwa 600 Millionen ECU pro Jahr. Eine integrierte Wasserschutzpolitik im Einzugsbereich großer Flüsse ist ein wichtiger Lösungsansatz zu diesem Problem.

Die Wasservorräte verteilen sich auf Europa unterschiedlich, aber beispielsweise selbst in Spanien sind die Vorräte im Prinzip groß genug, um den Bedarf zu decken. Das Problem besteht in der räumlichen und zeitlichen Verteilung. Im Süden ist die trockenste Jahreszeit aufgrund von Tourismus und Landwirtschaft diejenige Zeit mit dem größten Bedarf, aber auch im Norden bestehen bei Quellen und Grundwasser saisonale Kapazitätsengpässe. Bei einer besseren Wasserpolitik dürfte der Bedarf für Umverteilungsmaßnahmen auf europäischer Ebene klein sein. Doch wenn sich die Lage weiterhin verschlechtert, stellen diese eine Option für die Zukunft dar.

II.C.4.c) Weiterer Druck auf die Kulturlandschaft

Die Art und Weise, in der die lokalen und regionalen Gemeinwesen im Laufe der Jahrhunderte die Umwelt behandelt und den Boden kultiviert haben, hat zu einer großen landschaftliche Vielfalt geführt. Die jeweilige Landschaft hat die Identität der Gemeinwesen und Regionen mit geprägt; gleichzeitig stellt ihre Vielfalt ein europäisches Kulturerbe dar. Diese Landschaften sind historisch, ästhetisch und wirtschaftlich von Bedeutung. Charakteristische Landschaften tragen zur Attraktivität eines Gebietes für Industrieansiedlungen, für Tourismus und für andere wirtschaftliche Investitionen bei. Niemand begrüßt die Zerstörung dieser Landschaften, doch fast unbemerkt geschieht dies allmählich und in kleinen Schritten durch den Bedarf der modernen Landwirtschaft an größeren Flächen, Zerschneidung durch Infrastruktur, Entwaldung, Trockenlegung und Massentourismus. Die Entwicklung spezieller Schutzmaßnahmen für diese Landschaften ist schwierig, denn nicht einzelne Aspekte, sondern der Gesamtzusammenhang stellt den Wert dar. Darüber hinaus sind Landschaften unlösbar mit anderen Flächennutzungen verknüpft und können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die einzige wirksame Lösung ist eine Raumplanung, die dazu in der Lage ist, unvereinbare Flächennutzungen in Gebieten mit wertvollem Kulturerbe zu vermeiden.

II.C.4.d) Steigender Druck auf das europäische Kulturerbe

Ähnliches gilt für das Kulturerbe. Auch dieses Erbe ist von großem historischen, ästhetischen und ökonomischen Wert für die lokalen, regionalen und nationalen Gemeinwesen und seine Vielfalt ist auch für Europa von großer Bedeutung. Das Kulturerbe besteht aus einzelnen Objekten (Denkmälern, Gebäuden, Brücken, archäologische Stätten) und aus Stadtlandschaften, historischen Ortskernen, Dörfern und kulturellen Muster. Der ökonomische Wert, der vor allem auf dem Tourismus, aber auch auf der allgemeinen Attraktivität der Stadt für Investitionen beruht, ist deutlicher erkennbar als beim Naturerbe. In Europa hält der Stadttourismus einen Anteil von 28,3% am Tourismus und nimmt nach einer Schätzung mit einer Wachstumsrate von jährlich 4,7% zu. Dies ist ein deutlich höherer Wert als für den traditionellen Küsten- und Bergtourismus, der nach Schätzungen um 2,3% bzw. 3,0% wachsen wird.

Diese Attraktivität ist die Hauptquelle für die Belastungen, die dieses Erbe zerstören können und die die "wirtschaftliche Gans töten könnte, welche die goldenen Eier legt". Für viele historische Städte gilt, daß die alten Straßenzüge und historischen Gebäude und Stätten, die den ästhetischen und ökonomischen Wert darstellen, ausreichend geschützt werden, andererseits aber andere Stadtgebiete darunter zu leiden haben, daß dieser Wert ausgeschöpft wird. Das Kulturerbe größerer historischer Städte wie Athen oder Rom wird durch die Auswirkungen der großstädtischen Funktionen (Luftverschmutzung, saurer Regen) in Mitleidenschaft gezogen. Einige Städte wie Venedig, Florenz und Brügge sind so stark vom Tourismus dominiert, daß die Belastungsgrenzen allein schon dadurch erreicht werden. Weniger historisch geprägte und daher auch weniger streng geschützte, aber nichtsdestotrotz attraktive Städte sind den Belastungen durch Boden- und Gebäudespekulation, Standardisierung von Gebäuden und Fassaden und Ausbau der verkehrlichen Erschließung ausgesetzt.

Die nationalen und lokalen Gebietskörperschaften haben viele Erhaltungsmaßnahmen in Gang gesetzt, doch die Belastungen bestehen weiterhin. In vielen Fällen wäre eine integrierte, querschnittsorientierte Strategie grundlegend. Eine Möglichkeit für weitere europäische Maßnahmen könnte darin bestehen, die Bewertung der kulturellen Effekte in Umweltverträglichkeitsprüfungen einzubeziehen.

S.W.O.T.-Analyse: Naturerbe

(III)

STÄRKEN/CHANCEN

SCHWÄCHEN/GEFAHREN

C1 Dichte und kohärente Netze von Schutzgebieten.

Große Gebiete mit hoher Biodiversität, deren Erhaltung durch die Beibehaltung der menschlichen Aktivitäten begünstigt wird.

In einigen Regionen kollektives Bewußtsein dafür, daß eine intelligente und aktive Politik für die Erhaltung des Naturerbes nötig ist.

Mangelnde räumliche Vernetzung von Schutzgebieten.

Gefährdung von Gebieten mit großem ökologischen Wert aufgrund des Fehlens von schnellen und wirksamen Schutzmaßnahmen.

Empfindliche Gebiete, die durch starken städtischen Tourismus belastet werden oder durch Infrastrukturprojekte gefährdet sind.

Gebiete, in denen die Gefahr großflächiger Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen besteht.

Gebiete, die stark durch Erdbeben, Erosion und Verwüstung gefährdet sind, und in denen es an Schutz und politischen Maßnahmen mangelt.

C2 Gebiete mit großen, qualitativ hochwertigen Wasserreserven.

Regionen mit effizienter Wasserwirtschaft und hohem Anteil an Wirtschaftszweigen mit umweltfreundlicher Technologie.

Größere Fortschritte bei der Verbesserung der Wasserqualität einiger Flüsse.

In Regionen mit starker räumlicher Kohärenz eine gemeinsame Politik für transnationale oder grenzüberschreitenden Wassereinzugsgebiete und/oder Grundwasservorkommen.

Regionen, die von Feuchtgebieten profitieren, die eine hohe Qualität aufweisen oder in denen eine hohe Qualität wieder hergestellt wird.

Regionen, die von verschmutzten Grundwasservorkommen betroffen sind oder in denen entsprechende Gefahren bestehen.

Transnationale oder grenzüberschreitenden Gebiete mit denselben Wasserressourcen, die jedoch, was den Wasserverbrauch betrifft, unterschiedliche Ziele verfolgen, so daß das Risiko der Ablenkung oder Reduzierung des Flußstroms besteht.

Von Versalzung bedrohte Küstenregionen.

Regionen mit stark zerstörten Feuchtgebieten.

Regionen mit häufigen Überflutungen oder Trockenheit.

S.W.O.T.-Analyse: Kulturerbe

(III)

STÄRKEN/CHANCEN

SCHWÄCHEN/GEFAHREN

C3 Gebiete mit gut erhaltener, hoher landschaftlicher Vielfalt, die die kulturelle Identität der Regionen bestimmt.

Landschaften mit hoher ästhetischer Qualität.

Durch traditionelle Landwirtschaft geformte Landschaften von großem historischen Interesse sind erhalten geblieben.

Regionen mit neuem Landschaftsbild, daß von neuen Funktionen geprägt ist (z. B. Energieproduktion, Anbau von Rohstoffpflanzen).

Landschaften, die durch unangemessene Planung und Bebauung ruiniert werden.

Zerstörtes Landschaftsbild in wirtschaftlich schwachen Regionen.

Gebiete, die durch Vereinheitlichung oder Standardisierung des Landschaftsbilds bedroht sind.

Schwierigkeiten bei der Entwicklung solider Landschaftspolitik in ländlichen Gebieten: In vielen Fällen ist die Landschaft das zufällige Ergebnis einer Vielzahl zufälliger Handlungen.

C4 Wachsende Popularität der Erhaltung des Kulturerbes.

In einigen Regionen wurde ein reiches kulturelles Erbe erhalten und gepflegt, insbesondere wenn es eine Grundlage für die Tourismusindustrie darstellt.

Regionen, in denen beträchtliche Anstrengungen unternommen wurden, Stadtviertel oder Industriegebäude wiederherzustellen.

Regionen mit hoher Kreativität und Innovationen bei der Stadtplanung.

Neigung, gegenüber dem Natur- und Kulturerbe eine zu konservative Haltung einzunehmen.

Regionen mit sehr reichem Kulturerbe, das von Verfall bedroht oder betroffen ist.

Wirtschaftlich schwache Regionen, in denen die Stadtlandschaften verfallen.

Regionen, deren Stadtlandschaften sich immer stärker angleichen.

Schwierigkeiten bei der Einrichtung einer soliden Stadtplanung: Neue Gebäude sind oft isoliert und nicht in das Stadtbild eingegliedert.

II.D. Die Auswirkungen der Gemeinschaftspolitiken auf den europäischen Raum  

Die Gemeinschaftspolitiken können als Ausdruck des politischen Willens der Mitgliedstaaten angesehen werden, in bestimmten Bereichen eine gemeinsame Politik durchzuführen. Diese sind zunächst nicht darauf ausgerichtet, die räumliche Entwicklung zu fördern, sondern ihre eigenen spezifischen Ziele zu erreichen. Es sollte jedoch daran erinnert werden, daß Art. 130b des Maastrichter Vertrags die Mitgliedstaaten und die Kommission dazu verpflichtet, im jeweiligen Kompetenzbereich das Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zu fördern, welches in Art. 130a niedergelegt ist. Im besonderen impliziert dieses Ziel die Förderung einer ausgewogenen Entwicklung der Gemeinschaft als Einheit.

Der Maastrichter Vertrag vom 7. Februar 1992 und nachfolgend die Ergebnisse des Europäischen Rats in Edinburgh hatten eine beträchtliche Ausweitung der Kompetenzen für die Europäische Union und die Kommission sowie eine beträchtliche Aufstockung der Haushaltsmittel für die EU-Politik zur Folge. Der Maastrichter Vertrag hat insbesondere die Kompetenzen derjenigen Fachpolitiken der Europäischen Union gestärkt, die ausgeprägte räumliche Wirkungen haben. Um die Ziele des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (Art. 130a) und des Umweltschutzes (Art. 130r-t) besser verfolgen zu können, wurden wichtige Politikinstrumente wie der Kohäsionsfonds geschaffen und finanzielle Mittel für die Transeuropäischen Netze (TEN) bereitgestellt. Die Kommission ist nun in der Lage, durch eine Reihe wichtiger Gemeinschaftspolitiken eine Raumentwicklungspolitik durchzuführen: Gemeinschaftliche Agrarpolitik, Verkehrspolitik und Transeuropäische Verkehrsnetze, Strukturpolitik, Forschung und technologische Entwicklung, Wettbewerbspolitik und Umweltpolitik.

Die räumlichen Folgen dieser Politiken für die Europäische Union können bewertet werden, indem eine Reihe von Kriterien angewendet werden, wie:

· Auswirkungen auf die Flächennutzung,

· Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur der Regionen,

· Auswirkungen auf die Raumstruktur,

· Auswirkungen auf Einkommen und Produktionskapazitäten,

· regionale Fördermaßnahmen,

· räumlich differenzierte öffentliche Fördermaßnahmen.

Gemäß diesen Kriterien haben die Strukturpolitik, die Gemeinschaftliche Agrarpolitik, die Politik der Transeuropäischen Verkehrsnetze, die Forschungs- und Entwicklungspolitik sowie die gemeinschaftliche Gesetzgebung im Bereich der Umweltpolitik die größten räumlichen Wirkungen.

Die räumlichen Auswirkungen der Politik der Europäischen Union werden durch folgende Faktoren beeinflußt:

· räumliche Verteilung der finanziellen Mittel,

· Harmonisierung und Konvergenz des gesetzlichen Rahmens für die nationalen Politiken.

Obwohl diese Politiken nicht ausdrücklich räumliche Ziele verfolgen, sind ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der Regionen beträchtlich und vielfältig.

In finanzieller Hinsicht sind die Gemeinschaftliche Agrarpolitik und die Strukturfonds die beiden bedeutendsten EU-Politiken. Während die Strukturpolitik ausdrücklich räumliche Ziele verfolgt, um zur Verringerung der sozioökonomischen Disparitäten zwischen den Regionen beizutragen, verfolgt die landwirtschaftliche Markt- und Preispolitik ein solches Ziel nicht ausdrücklich. Angesichts der äußerst heterogenen Produktionsstrukturen hat diese Politik eine Reihe von räumlichen Konsequenzen. Das gilt auch für die Forschungs- und Technologiepolitik, bei der das Problem der regionalen Verteilung von Innovationen bisher noch nicht zufriedenstellend gelöst wurde.

Die räumlichen Auswirkungen dieser großen Ausgabenbereiche sind bereits mehrfach, zumeist jedoch fallbezogen, analysiert und beschrieben worden.

Häufig traten widersprüchliche Wirkungen auf, und in einigen Fällen war die Effizienz der Intervention insgesamt aufgrund fehlender Ziele und mangelnder Harmonisierung niedrig. Der erste Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Kommission zeigt die gegenwärtigen Probleme deutlich auf. Eine echte Verbesserung würde folglich darin bestehen, die Politiken für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Regionen auf konsistente Weise zu integrieren.

Das Europäische Raumentwicklungskonzept soll ein Bezugsrahmen sein, auf den sich die derzeit für die Gemeinschaftspolitik verantwortlichen Institutionen beziehen können, damit sie bei ihren Politikentscheidungen die räumliche Planungsdimension berücksichtigen. Dadurch wird es die Konvergenz verschiedener Politikbereiche fördern und die Widersprüche und negativen Effekte beseitigen. Die Mitgliedstaaten und die Kommission betrachten die Raumplanung als einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Effizienz der verschiedenen Politikbereiche der EU. Dabei berücksichtigen sie die Tatsache, daß die auf Gemeinschaftsebene und auf nationaler oder regionaler Ebene durchgeführten Maßnahmen sich gemäß dem Subsidiaritätsprinzip einander ergänzen sollten.

II.D.1. Die Gemeinschaftliche Agrarpolitik  

Die Gemeinschaftliche Agrarpolitik ist auf die Schaffung einer hochproduktiven Landwirtschaft ausgerichtet, die besonders auf einige Regionen in Nordwesteuropa konzentriert ist. Die Gemeinschaftliche Agrarpolitik trug gleichzeitig dazu bei, den Rückgang der Zahl der Flächen und den Trend zur Aufgabe von Flächen besonders in den südlichen Mitgliedstaaten Betriebe zu verlangsamen.

Die Gemeinschaftliche Agrarpolitik führte zu einer intensiveren Nutzung von Flächen mit hohem Produktionspotential und einer Konzentration der Landwirtschaft auf Flächen, die für die modernen Produktionsweisen am besten geeignet sind. Das Ergebnis bestand in einer Vereinheitlichung des Landschaftsbilds (große Felder, Monokulturen, Straßen für schwere Landmaschinen usw.) sowie im Übergang von traditioneller Bodenbearbeitung und variablen Produktionsmethoden zu spezialisierter Produktion und intensiver Viehzucht. Das bewirkte eine Abnahme der Flächen für Dauergrünland und die Trockenlegung großer Teile der Feuchtgebiete.

Auch wenn das vorrangige Ziel der Reform der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik die globale Wettbewerbsfähigkeit im Nahrungsmittelsektor ist, müssen die räumlichen Auswirkungen dieser Reform als positiv bewertet werden. Durch die Reform kam es zu wesentlichen Änderungen, indem die Unterstützung für relativ ärmere Regionen und Länder, in denen mehr Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, erhöht wurde. Drei der ärmsten Mitgliedstaaten gehören heute zu den Nettoempfängern der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik.

Andererseits hat die Reform zu einer größeren Konzentration der Produktion auf die Bereiche bewirkt, die hinsichtlich Bodenproduktivität und Marktnähe komparative Vorteile aufweisen. Durch die Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation im Jahr 1999 und die Erweiterung um die zentral- und osteuropäischen Länder könnte sich dieser Trend in der Zukunft noch weiter verstärken.

Die Reform von 1992 war auch darauf ausgerichtet, die Überproduktion und somit den Bedarf für preisunterstützende Maßnahmen zu verringern. In den Jahren 1993 bis 1994 wurden sechs Millionen Hektar Flächen stillgelegt, daneben wurden neue Richtlinien für den Ackerbau eingeführt. Hinsichtlich der Einkommensverteilung kommt das System vor allem den Gebieten in Europa mit intensiver Landwirtschaft zugute, da die direkten Zahlungen aufgrund historischer Erträge gewährt werden. Regionen mit weniger intensiv wirtschaftenden Produzenten sind daher relativ gesehen benachteiligt.

Die Regelungen zur Verringerung der Zahl des Weideviehs pro Hektar zielen darauf ab, die Verbindung zwischen Ackerbau und Viehzucht wieder herzustellen. Diese können in vielen Gebieten dazu führen, daß extensive Bewirtschaftungsmethoden besonders dort wieder eingeführt werden, wo Viehzucht vorherrscht. Beispielsweise sehen die Schaffleischrichtlinien eine Prämie für die am wenigsten begünstigten Regionen vor, so daß die wirtschaftliche und räumliche Marginalisierung verringert wird. Es sollte jedoch dafür Sorge getragen werden, daß ein umweltfreundliches Management eingeführt wird und die Gefahren der Überweidung vermieden werden.

Die Reform von 1992 führte die Umweltdimension in die Agrarpolitik ein, insbesondere durch Regelungen zum umweltfreundlichen Landbau und zur Wiederaufforstung. Diese Regelungen haben unterschiedliche räumliche Wirkungen. Die bisher gemachten Erfahrungen deuten darauf hin, daß dem letztgenannten Bereich insgesamt größeres Interesse gilt als dem erstgenannten.

Trotz der positiven Effekte der Reform, die eine bessere Kombination von Wettbewerbsfähigkeit, räumlichem Ausgleich, landwirtschaftlichem Einkommen und Umweltzielen bewirkte, kann die Gemeinschaftliche Agrarpolitik nicht alle Funktionen alleine erfüllen. Es besteht die Frage, ob die Mitgliedstaaten und die Europäische Union die notwendigen Anstrengungen hinsichtlich der Förderung und ökonomischen Diversifizierung der schwächsten Regionen mit ländlichem Charakter sowie der Nutzung von Synergiepotentialen in Zusammenhang mit den mittelgroßen Städten in ausreichendem Maße unternommen haben. Dabei sollte anstelle einer sektoralen eine integrierte Entwicklung gefördert werden.

II.D.2. Die Strukturfonds und der Kohäsionsfonds  

Das Hauptziel der Strukturinterventionen ist die Stärkung der Investitionskapazitäten der weniger dynamischen Regionen der Europäischen Union, so daß sie ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können: Verbesserung der Basisinfrastruktur, Förderung der Unternehmensentwicklung und Berufsausbildung, Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten, Modernisierung und Diversifizierung der ländlichen Gebiete.

Der erste Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt enthielt die positive Nachricht, daß, obwohl es noch ein langer Weg bis zur Schließung der Entwicklungslücke zwischen den ärmeren und reicheren Mitgliedstaaten ist, sich diese in der Vergangenheit doch tendenziell verkleinert hat. Andererseits haben sich die regionalen Disparitäten innerhalb der meisten Mitgliedstaaten nicht verringert, sondern manchmal sogar vergrößert. Dies bedeutet wiederum, daß innerhalb der Mitgliedstaaten die Konzentration der Wirtschaftszweige und Humanressourcen gleich geblieben ist oder sogar zugenommen hat und sich das Ausmaß der Umweltbelastungen und sozioökonomischen Marginalisierung verschlechtert hat.

Es scheint eine kausale Beziehung zwischen effizienter Nutzung und Hebelwirkung der Strukturfonds einerseits und dem Ausmaß der Integration der regionalen Entwicklungskonzepte in die regionale oder nationale Raumentwicklungsstrategien mit klar definierten Prioritäten andererseits zu bestehen.

Darüber hinaus besteht offenbar ein Potential für die Verbesserung der Komplementarität und der Konsistenz zwischen den Programmen der verschiedenen strukturpolitischen Zielen, die in Regionen innerhalb der Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Die Planung und Implementation jedes Programms wurde entsprechend eigener Grundsätze und nicht im Rahmen einer allgemeinen Raumentwicklungsstrategie für größere Gebiete oder den ganzen nationalen Raum durchgeführt. In ähnlicher Weise haben die grenzüberschreitenden Programme bisher nur Teilerfolge dabei gehabt, ihr Ziel der Koordinierung der Maßnahmen von Regionen mit gemeinsamen Grenzen zu erreichen.

Die Strukturfonds haben signifikant dazu beigetragen, die Umweltqualität in den Kohäsionsländern und den Ziel-1-Regionen zu verbessern. Beträchtliche Investitionen wurden in umweltfreundliche Infrastruktur getätigt (Wasser, Boden, Luft, Abfall). Diese Anstrengungen müssen jedoch mit den Zielen der Verkehrsinfrastruktur in Einklang gebracht werden, die in diesen Regionen verfolgt werden. Da die wirtschaftliche Entwicklung das Hauptziel darstellt, wurden bei diesen Zielen der Schutz der Ökosysteme oft nicht ausreichend berücksichtigt.

Zusammengefaßt: Auch wenn die Strukturpolitik sehr positive wirtschaftliche Auswirkungen ausgelöst und die Konvergenz real gefördert hat, müssen noch Fortschritte im Hinblick auf eine bessere Anwendung des Prinzips der räumlichen Subsidiarität gemacht werden. Dies würde zu umfassenderen regionalen und /oder nationalen Entwicklungsstrategien führen.

II.D.3. Die Transeuropäische Netze  

II.D.3.a) Transeuropäische Verkehrsnetze

Die Gemeinschaftspolitik verfolgt in diesem Bereich zwei Ziele: erstens die Verbesserung der Erreichbarkeit in der gesamten Europäischen Union, besonders durch Vervollständigung der Infrastruktur im ganzen europäischen Raum, Ergänzung von bisher fehlenden Verbindungen, Beseitigung von Engpässen, Verbesserung der Erreichbarkeit der Inseln, Binnenregionen, peripheren und ultraperipheren Regionen; zweitens die optimale Ausnutzung der bestehenden Kapazitäten und Förderung der Integration der verschiedenen Verkehrsarten auf der Grundlage ihrer komparativen Vorteile, wobei die sozialen und die Umweltbedingungen angemessen berücksichtigt werden.

Die Auswirkungen der Transeuropäischen Netze auf die räumliche Verteilung der produktiven Aktivitäten ist wichtig, da sie die Grundlage für andere Investitionen insbesondere in den weniger begünstigten Regionen darstellen. Das ist der Grund dafür, weshalb in der Regionalpolitik der Ausbau der Infrastruktur in den abgelegensten Regionen der Europäischen Union bisher eine hohe Priorität hatte. Hier sollte jedoch angemerkt werden, daß es noch große Lücken gibt.

Transeuropäische Verkehrsnetze tragen zur Öffnung des europäischen Raumes bei. Dadurch werden den peripheren Ländern und Regionen neue Möglichkeiten geboten. Zwischen den Städten könnten jedoch beträchtliche Unterschiede bestehen bleiben, je nach Nähe zum Verkehrsnetz. Die Städte in der Nähe der neuen Verbindungen, die bisher eine schlechte Anbindung zum Netz hatten, dürften am meisten profitieren. Das gilt vor allem für einige Städte in den Kohäsionsländern. Vorteile könnte es auch für mittelgroße Städte in den Kerngebieten sowie für einige Großstädte in den Kohäsionsländern geben. Städte in abgelegenen Gebieten und einige sehr große Städte, die bereits sehr gut mit Infrastruktur ausgestattet sind, dürften demgegenüber den geringsten Nutzen daraus ziehen.

Obwohl fünf der vierzehn TEN-Hauptprojekte teilweise in den vier Kohäsionsländern liegen, werden doch die meisten Projekte in den zentralen Regionen durchgeführt. Darüber hinaus hat der Bau von Hochgeschwindigkeitsverbindungen und Fernverbindungen Priorität, wobei der damit verbundene Verkehr exportorientiert ist. Diese Entscheidungen begünstigen eindeutig die wohlhabenderen Regionen der Europäischen Union.

Zu den geplanten Verbindungen gehören auch Umgehungen von wichtigen Städten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Projekte die Engpässe und Überlastungen an der eigentlichen Wurzel bekämpfen. Diese Probleme sind das Ergebnis eines außerordentlichen Anstiegs der Ströme an Gütern, Dienstleistungen und Menschen in der Folge der Vollendung des gemeinsamen Binnenmarkts und der Konzentration der wirtschaftlichen Aktivitäten aufgrund der Marktkräfte. Maßnahmen zur Bekämpfung der Überlastung könnten daher durch die Liberalisierung des Verkehrswesens neutralisiert werden, wenn nicht gleichzeitig eine Investitionspolitik durchgeführt wird, die die Einrichtung alternativer Verbindungen oder den Wechsel zu alternativen Verkehrsarten im Blick behält. Eine solche Politik sollte auch die Verbesserung der sekundären und regionalen Verkehrsnetze fördern, die die peripheren Länder und Regionen, insbesondere die weniger begünstigten, mit dem Herzstück des transeuropäischen Verkehrssystems verbinden.

In einigen Ländern im Zentrum der Europäischen Union sowie in den Kohäsionsländern hat der Straßenbau eine sehr hohe Priorität. Die wichtige Rolle der See- und Küstenschiffahrt scheint dadurch besonders im Atlantik- und Mittelmeerraum etwas unterschätzt zu werden. In dieser Hinsicht erscheint der Ausbau der Häfen und die Einrichtung von Schiffahrtslinien nicht als ausreichend, um die Anbindungen mit dem Festland zu schaffen und dort den Verkehr zu entlasten.

Das Potential des Schienenverkehrs und der Binnenschiffahrt scheint ebenfalls nicht vollständig bei den Entscheidungen zu den transeuropäischen Verkehrsnetzen berücksichtigt worden zu sein. Die Berücksichtigung der spezifischen geographischen Bedingungen ist eine Vorbedingung für die Art von Infrastrukturinvestitionen, die notwendig sind, um das Produktionspotential der peripheren Regionen zu verbessern. Werden bei den transeuropäischen Verkehrsnetzen, die hauptsächlich auf ökonomischen Wirtschaftlichkeitskriterien beruhen, die verschiedenen Bedürfnisse der Regionen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur berücksichtigt? Die unterschiedlichen Siedlungsstrukturen der Regionen (dispers, konzentriert oder entlang von Korridoren) sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Disperse Siedlungsstrukturen erfordern effiziente sekundäre Straßenverbindungen, aber nicht unbedingt Hochgeschwindigkeitsverbindungen mit einer hohen Kapazität. Entwicklungspole erfordern effiziente Umschlagterminals an Knotenpunkten, während Siedlungskorridore multimodale, interregionale Verbindungen benötigen. Hochproduktive Regionen müssen Kapazitäten für großes Verkehrsaufkommen schaffen, um den Trends zur Globalisierung gerecht zu werden. In Regionen mit differenzierter und qualitativ hochwertiger Produktion haben Verbindungen mit anderen Regionen und Netzwerken Priorität. Schließlich benötigen Regionen mit Produktion intangibler Güter bessere Verbindungen zwischen den Telekommunikationsnetzen und Personenverkehrsnetzen (Hochgeschwindigkeitszüge, Flugverbindungen).

Da die Verkehrsdienstleistungen in peripheren Ländern und Regionen in rein finanzieller Hinsicht kurzfristig weniger profitabel sind als in den wohlhabenderen Regionen der Europäischen Union, ist in diesen Regionen die Einführung angemessener Bestimmungen für die Sicherung eines ausreichenden Niveaus öffentlicher Dienstleistungen im allgemeinen wichtiger. Die Einführung solcher Verpflichtungen ist deshalb von Bedeutung, um die erwünschten, aber oft nur langfristigen Effekte der Liberalisierung und des Wettbewerbs mit den unvermeidlicherweise unsicheren und riskanten Investitionen im Verkehrsbereich im Einklang zu bringen. In den ärmsten, am wenigsten entwickelten und abgelegensten oder eingeschlossenen Regionen kann der öffentliche Verkehr folglich dazu beitragen, die erwünschten Effekte der Liberalisierung für die Effizienz mit der Notwendigkeit angemessener Dienste zu erschwinglichen Preisen in allen Regionen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

II.D.3.b) Telekommunikationsnetze

Die Telekommunikationstechnologien ermöglichen auf europäischer Ebene eine bessere räumliche Integration, besonders im Hinblick auf die spektakulären Möglichkeiten der elektronischen Übertragung von Informationen. Die Schaffung einer "gemeinsamen Informationsregion" ist das Ziel der europäischen Telekommunikationsnetze. Im Unterschied zu den Maßnahmen im Bereich Verkehr und Energie ist diese Maßnahme eher auf fortschrittliche Telematikanwendungen und -dienste von allgemeinem Interesse als auf den Ausbau der Infrastruktur ausgerichtet.

Die fortschreitende Liberalisierung erfüllt nicht automatisch spezifische regionale Bedürfnisse. Das Hauptproblem, das die transeuropäischen Telekommunikationsnetze lösen sollen, besteht weniger in fehlenden Verbindungen im Netz, sondern vielmehr in der mangelnden Verfügbarkeit von Anwendungen und Diensten zur Deckung der Bedürfnisse der Unternehmen und einzelnen Bürger. Die Telekommunikations- und Informationstechnologien haben per se keine besonderen räumlichen Wirkungen; auch sind sie in diesem Zusammenhang nicht die bestimmenden Faktoren. Ihre Nutzung beeinflußt nichtsdestotrotz die Fähigkeit von Regionen, ihre Humanressourcen, Infrastrukturen und andere Ressourcen auszuschöpfen und auszubauen, wodurch das Entwicklungspotential beeinflußt wird. Das ist besonders wichtig für die kleinen und mittleren Unternehmen, die vor allem in den weniger begünstigten Regionen einen Großteil an der regionalen Wirtschaftsstruktur repräsentieren.

Die Qualität der Informationen und der Telekommunikationsnetze ist daher ein wichtiger Faktor dafür, in welchem Maße die Regionen mit der gleichen Chance an der Informationsgesellschaft teilnehmen können, während gleichzeitig die Liberalisierung weiter fortschreitet. So gab es 1993 zwischen den zentral gelegenen Ländern und den Kohäsionsländern noch größere Unterschiede beim Anteil der Haushalte, die an das Kabelnetz angeschlossen waren (dies ist ein Gradmesser dafür, wie stark auf lokaler Ebene die Wettbewerbsvorteile und Dienstleistungen mit hohen Kapazitäten ausgeschöpft werden können). Größere Unterschiede bestehen diesbezüglich sowie hinsichtlich der mit der Informationsgesellschaft verbundenen Kosten auch innerhalb dieser Länder.

Zusammenfassend läßt sich folgendes sagen: Ohne Interventionen in bestimmten Bereichen besteht die Gefahr, daß die Modernisierung des öffentlichen Telefonnetzes und besonders die Entwicklung von Breitbandnetzen in einigen Regionen nicht schnell genug stattfinden wird, um wichtige Dienste wie das Internet bereitstellen zu können. Um entsprechend eine harmonische Entwicklung der Europäischen Union besonders im Hinblick auf den Zusammenhalt zu gewährleisten, ist es erforderlich, den Liberalisierungsprozeß regelmäßig zu überprüfen. Was den Umfang der Dienste betrifft, besteht die Notwendigkeit für Regelungen, die dafür Sorge tragen, daß alle Regionen von der gesamten Bandbreite der Vorteile durch die Liberalisierungen profitieren, sei es hinsichtlich des Preisniveaus, des Niveaus der Dienste oder des Innovationsniveaus. Die zielgerichtete Förderung von Investitionsausgaben zur Sicherung gleicher Zugangsmöglichkeiten zu den Diensten in weniger entwickelten, peripheren und/oder ländlichen Gebieten der Europäischen Union muß daher gegebenenfalls durch Rahmenregelungen in Übereinstimmung mit den Wettbewerbsregeln ergänzt werden. Darüber hinaus wäre es ratsam, in diesen Regionen die notwendige Infrastruktur zu vervollständigen und die Nachfrage zu stimulieren, wobei die verschiedenen Entwicklungsniveaus angemessen berücksichtigt werden sollten.

II.D.4. Die Umweltpolitik der Europäischen Union  

In drei Bereichen hat die Umweltpolitik der Europäischen Union wichtige Bestimmungen erlassen:

· für Produkte, die im gemeinsamen Binnenmarkt vertrieben werden,

· bei der Definition von Mindeststandards und Emissionsobergrenzen bei Wasser, Luft und Boden,

· hinsichtlich der Flächennutzung (Richtlinien zum Vogelschutz, Naturschutzgebiete, Nitrate und Umweltverträglichkeitsprüfungen).

Die beiden letztgenannten Bereiche sind aus räumlicher Sicht von großer Bedeutung, haben sich aber als schwierig zu implementieren erwiesen. Bei der Evaluierung ihrer Auswirkungen sollte deshalb berücksichtigt werden, daß einige Richtlinien in einer Reihe von Mitgliedstaaten noch nicht vollständig umgesetzt wurden.

Die Umweltrichtlinien, welche Mindeststandards und Emissionsobergrenzen vorschreiben, beeinflussen die Standortwahl der wirtschaftlichen Aktivitäten nicht auf direktem Wege. Umweltrichtlinien können jedoch die Bildung von Industrieclustern begünstigen, da einige Unternehmen danach streben dürften, die Einrichtungen zur Abluft-, Abwasser- und Abfallbehandlung gemeinsam zu nutzen. Die genannten Richtlinien sowie die die Flächennutzung betreffenden Bestimmungen stellen Bedingungen dafür dar, welche Produktion in geschützten Gebieten toleriert wird. Das hat zur Folge, daß bestimmte Aktivitäten, die mit den ökologischen Anforderungen nicht in Einklang zu bringen sind, in den betreffenden Gebieten nicht stattfinden können.

Die Aufstellung von Emissionsnormen auf europäischer Ebene hat die Verschmutzung bzw. deren Wachstumsrate verringert. Die Wasserqualität einiger Flüsse und Küstengewässer hat sich radikal verbessert. Es ist jedoch nicht möglich, zu beurteilen, inwieweit die Wasserrichtlinien, die Schließungen bedeutender industrieller Komplexe und der Bau von Kläranlagen jeweils dazu beigetragen haben. Bisher wurden nur Versuche unternommen, einen stärker räumlichen oder integrierten Ansatz bei der Wasserpolitik zu verfolgen. Dieser Ansatz würde gleichzeitig ein effizienteres langfristiges Management von Qualität und Quantität der Wasserversorgung ermöglichen und die Biodiversität erhalten.

Von den die Flächennutzung beeinflussenden Richtlinien ist die "Nitratrichtlinie" diejenige mit der größten Bedeutung für die Mitgliedstaaten, in denen Stallzucht auf industrieller Weise betrieben wird (besonders bei der Schweinezucht) und in denen die Landwirtschaft sich auf wenige Flächen konzentriert. Während des letzten Jahrzehnts hat sich die Fläche für Schutzgebiete gemäß der "Vogelrichtlinie" verfünffacht. Dank der Unterstützung durch die Gemeinschaftsinitiative LIFE, die dem Naturschutz dient, wurde der Trend zum Rückgang oder gar Verschwinden wichtiger Feuchtgebiete in der ganzen Europäischen Union umgekehrt. Das NATURA 2000-Netz im Rahmen der Habitat-Richtlinien zielt darauf ab, das Konzept der ökologischen Netze zu verwirklichen. Die Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hat große Auswirkungen, was Verwaltung und Verfahren betrifft. Um entscheidenden Einfluß auf größere Vorhaben zu erhalten, müßte die Bewertung von unabhängigen Körperschaften durchgeführt werden.

Kosten und Nutzen der Gesetzgebung im Hinblick auf Mindeststandards und Emissionsobergrenzen können nicht im ganzen europäischen Raum gleich groß sein. Ihre Auswirkungen hängen von den verschiedenen Bedingungen und Bedürfnissen in den einzelnen Regionen und folglich von der relativen Bedeutung der Implementationskosten ab. Die wirtschaftliche Kapazität, die unterschiedlichen demographischen Strukturen und die Produktionskapazität müssen auch hinsichtlich des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in Betracht gezogen werden. Stark urbanisierte Regionen sowie Regionen, die durch alte Industriezweige gekennzeichnet sind, werden durch diese Art von Gesetzen häufig am meisten belastet. Demgegenüber scheinen sich die weniger entwickelten Regionen, die häufig durch weniger intensive, traditionelle Landwirtschaft und niedrige Bevölkerungsdichte gekennzeichnet sind, in einer günstigeren Lage zu befinden. Die Attraktivität dieser Regionen für Unternehmen wird um so größer werden, je mehr Aufmerksamkeit der Erhaltung der Umweltqualität gewidmet wird. Da deren Ökosysteme im allgemeinen besser erhalten sind und ihre Biodiversität größer ist, werden diese Regionen vermutlich am meisten von der "Habitat"-Richtlinie profitieren, wenn im Rahmen von NATURA 2000 Vorranggebiete ausgewählt werden.

II.D.5. Vorläufige Schlußfolgerungen  

Die Gemeinschaftspolitiken wirken im Hinblick auf die räumliche Entwicklung der Europäischen Union nicht neutral. Unter anderem zielen sie darauf ab, daß die ganze Gemeinschaft von den positiven Effekten der europäischen Integration profitiert. Dazu gehört die Milderung bestimmter Effekte des Liberalisierungsprozesses und des Strebens nach größerer Wettbewerbsfähigkeit. Beides beeinflußt die Politik der Transeuropäischen Netze, die Binnenmarktpolitik, die Wirtschafts-, Wettbewerbs-, Forschungs- und Energiepolitik. Von den Auswirkungen dieser Politiken sind eindeutig eher die wohlhabendsten Länder betroffen, auch wenn periphere und abgeschnittene Regionen berücksichtigt werden.

Im Rahmen einer integrierten Sicht des ganzen Raumes ergeben sich bezüglich der Weiterentwicklung der sektoral, strukturell und horizontal ausgerichteten Gemeinschaftspolitiken drei Punkte. Folgendes muß erreicht werden:

· eine ausgewogenere räumliche Verteilung der produktiven Aktivitäten, um gegenwärtig bestehende Konzentrationstendenzen in den wettbewerbsfähigsten Regionen zu korrigieren,

· eine nachhaltigere Flächennutzung, um sicherzustellen, daß hinsichtlich der Basisinfrastruktur die angemessenen Entscheidungen getroffen werden und daß ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der kurzfristigen Profitabilität und dem langfristigen Interesse des gesamten europäischen Raumes hergestellt wird,

· eine stärkere Berücksichtigung spezifischer regionaler Bedürfnisse. Strukturhilfen können hierbei eine besondere Rolle spielen, insbesondere wenn eine stärkere räumliche und finanzielle Konzentration der finanziellen Mittel es ermöglicht, die größten und dringendsten Probleme effizienter zu behandeln und wenn bei der Gewährung dieser Hilfen die langfristigen strategischen räumlichen Prioritäten angemessen berücksichtigt werden.

Darüber hinaus würde die Anwendung der Grundsätze der Interdependenz, Integration und querschnittsorientierten Analyse bei der Entwicklung der Gemeinschaftspolitiken vermutlich eine bessere Verbindung der politischen Strategien und Programme erlauben, die bisher getrennt voneinander verfolgt werden. Damit im Zusammenhang steht die Ausschöpfung der Komplementarität und des Potentials für gemeinsam geteilte Verantwortung durch Kooperation.

Diese Überlegungen führen zu folgendem Schluß. Wie die anderen Gemeinschaftspolitiken verfolgen auch diejenigen Politiken mit eindeutig räumlichen Wirkungen bestimmte Ziele aus einer relativ eingeschränkten Perspektive. Diese Politiken werden in spezialisierten Foren diskutiert und verabschiedet. Es besteht daher das nicht unbeträchtliche Risiko, daß Entscheidungen auf unterschiedlicher Grundlage getroffen werden und deren Ergebnisse miteinander im Widerspruch stehen könnten. Dies kann langfristig die Wirksamkeit der verschiedenen Politiken einschränken und die optimale Verwendung der verfügbaren öffentlichen Mittel verhindern. Das Potential des EUREK, eine größere Konsistenz der Gemeinschaftspolitiken zu fördern, sollte daher im Zentrum der Debatte über die europäische Raumentwicklung stehen.

II.E. Weitergehende Raumanalysen  

In den vorangegangenen Abschnitten wurden raumwirksame Entwicklungen von gesamteuropäischer Tragweite beschrieben. Sie dienen in Teil III als Ausgangspunkt für die Vorschläge einer Reihe von Politikoptionen. Auf dieser Grundlage wird in Teil IV angestrebt, eine breite Debatte über diesen ersten Entwurf des EUREK anzustoßen. Der in den vorhergehenden Abschnitten dargestellte erste Überblick über raumwirksame Entwicklungen basiert auf Informationen, die einer Vielzahl von Veröffentlichungen entnommen wurden. Er vermittelt einen Einblick in das komplexe Bild der räumlichen Entwicklung in Europa und stellt die Grundlage für eine erste Bewertung der materiellen Entwicklungen und Trends dar, die einerseits Stärken und Chancen sowie andererseits Schwächen und Gefahren bedeuten.

Natürlich ist mehr Wissen, sind mehr Informationen und verläßliche Daten über räumliche Themen auf europäischer Ebene nötig, um die sachlichen Lücken zu füllen (wie die Auswirkungen der Telekommunikation) und eine besser integrierte räumliche Analyse zu ermöglichen. Das fünfte Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung könnte eine Quelle für weitere notwendige Untersuchungen zu einigen Aspekten wie zum Beispiel zur nachhaltigen Stadtentwicklung sein.

Über neue Studien und Forschungen hinaus sind in drei anderen Bereichen tiefergehende Arbeiten notwendig, um die räumliche Analyse auf europäischer Ebene zu verbessern. Um eine bessere vergleichende Evaluierung der räumlichen Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren einzurichten, sind Vereinbarungen über die relevanten Kriterien und deren Indikatoren nötig. Diese Kriterien sind sowohl einzeln als auch in kombinierter Form erforderlich, um verschiedene Gebietstypologien zu entwickeln und langfristige europäische Szenarien zu erstellen. Auf der Grundlage eines Kriteriensatzes kann mittels einer vergleichenden Analyse festgestellt werden, welche Städte und Regionen in Europa hinsichtlich der drei grundlegenden Ziele des EUREK über relativ gute oder schlechte Aussichten im Hinblick auf die räumliche Entwicklung verfügen.

II.E.1. Entwicklung von räumlichen Kriterien und Indikatoren  

Um Kriterien praktisch handhabbar zu machen, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

· mindestens ein quantitativer und/oder qualitativer Indikator für jedes Kriterium,

· Bewertungsmethoden aufgrund eines kombinierten Indikatorensystems.

Diese Forschungsaufgabe bedarf noch gründlicher Überlegungen und Diskussionen. Im November 1996 wurde unter der spanischen Präsidentschaft ein Satz von vier Kriterien für das EUREK vorgeschlagen. Diese wurden nunmehr zu sieben Kriterien erweitert, die den multisektoralen Ansatz des EUREK besser widerspiegeln und ein Ausgangspunkt für die Diskussion sein könnten.

Geographische Lage: Die geographische Lage ist der relative Standort eines Gebietes im kontinentalen, transnationalen oder regionalen Zusammenhang. Dieses Kriterium kann unter anderem dafür verwendet werden, den Grad der Erreichbarkeit eines Gebietes innerhalb einer gegebenen Menge anderer Gebiete zu messen. Im Gebiet der Europäischen Union hat das Ruhrgebiet beispielsweise eine zentrale Position, Griechenland eine periphere. Aus regionaler Sicht sind die nördlichen Gebiete der Niederlande peripher, während die westlichen Gebiete der Niederlande zentral gelegen sind. Physische geographische Merkmale, vor allem Gebirge und Meere, beeinflussen die Erreichbarkeit natürlich ebenfalls. Aus europäischer Sicht muß die geographische Lage auch im Zusammenhang mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen gesehen werden, wie zum Beispiel das strenge skandinavische Klima oder lange Trockenzeiten im Süden der Europäischen Union.

Wirtschaftliche Stärke: Wirtschaftliche Stärke im räumlicher Hinsicht betrifft die relative (internationale, nationale oder regionale) ökonomische Stellung einer Stadt, Region oder eines Gebietes sowie die Fähigkeit, diese Stellung zu erhalten oder zu verbessern und auch den Grad der Ausstrahlung auf die umgebenden Gebiete. Es gibt keinen einfachen Indikator für die auf diese Weise definierte wirtschaftliche Stärke. Eine dauerhaft hohes Niveau wirtschaftlicher Stärke erfordert zumindest eine überdurchschnittliche Wertschöpfung und/oder ein überdurchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen, eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote, eine günstige, moderne und diversifizierte sektorale Wirtschaftsstruktur und (ein Potential) für intensive Handelsbeziehungen mit anderen Regionen (der Welt).

Soziale Integration: Soziale Integration drückt das Ausmaß der Beziehungen zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen aus, unterschieden nach Alter, Einkommen, Bildung, Wohnsituation, Sprache, Kultur oder Nationalität. In räumlicher Sicht verringern soziale Probleme wie gesellschaftliche Ausgrenzung oder Ausschluß, die oft mit hoher Arbeitslosigkeit zusammenhängen, den sozialen Zusammenhalt in und zwischen (vor allem urbanen) Gebieten, was wiederum die wirtschaftlichen Entwicklungschancen einschränkt.

Räumliche Integration: Räumliche Integration drückt die Möglichkeiten für und das Ausmaß der (wirtschaftlichen und kulturellen) Beziehungen in und zwischen Gebieten aus und kann die Bereitschaft für Kooperation widerspiegeln. Sie zeigt beispielsweise auch den Grad der Verbindungen zwischen Verkehrssystemen verschiedenen räumlichen Zuschnitts an. Räumliche Integration wird positiv beeinflußt durch effiziente Verwaltungen, physische und funktionale Komplementarität zwischen Gebieten und dem Fehlen von kulturellen und politischen Konflikten.

Druck auf die Flächennutzung: Druck auf die Flächennutzung kann auf eine höhere Wahrscheinlichkeit für Interessenkonflikte zwischen unterschiedlichen Arten der Flächennutzung oder verschiedenen Bodeneigentümern hindeuten oder kann in einigen Regionen Probleme durch Über- oder Unternachfrage anzeigen. In sehr dynamischen Gebieten wie Ballungsräumen konkurrieren Wohnungsbau und wirtschaftliche Aktivitäten um den zur Verfügung stehenden Raum. Das führt zur Flächenübernutzung und hohen Bodenpreisen, die stärkere wirtschaftliche Akteure begünstigen. Andererseits kann mangelnde Bodennachfrage mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Flächenaufgabe oder Versteppung von Gebieten einhergehen.

Naturpotential: Dieses Kriterium betrifft die Merkmale des Ökosystems und andere Naturgebiete, ihre relative Bedeutung, Empfindlichkeit, Größe oder Seltenheit. Es kann die Grundlage für eine Bewertung von in Beziehungen stehenden Funktionen verschiedener Naturpotentiale in Europa und den Lebensraum verschiedener Arten bilden. Darüber hinaus kann es die Grundlage für die Aufgabenteilung im Hinblick auf die Entwicklung bestimmter Typen natürlicher Lebensräume bieten.

Kulturelles Vermögen: Diese Kriterium betrifft die Merkmale der Landschaften, historischen und modernen Strukturen und Gebäudegruppen, ihre relative Bedeutung, Empfindlichkeit, Größe oder Seltenheit. Historische Stadtzentren stellen beispielsweise ein großes Kulturvermögen dar, das durch zahlreiche Belastungen gefährdet ist. Andere historische Kulturgüter können die Tourismusentwicklung fördern. Die Indikatoren zur Bewertung der Qualität, Bedeutung und zukünftigen Entwicklung des Natur- und Kulturvermögens sind jedoch noch unterentwickelt.

Diese sieben Kriterien sind keineswegs die einzig möglichen. Sie stellen jedoch einen Ausgangspunkt für die weitere Arbeit an einem Satz von Kriterien und Indikatoren dar, dem alle Mitgliedstaaten zustimmen können. Besonders wichtig ist dabei vor allem die kombinierte Anwendung der räumlichen Kriterien, die für die Zwecke einer räumlichen Analyse von hohem Wert wäre.

II.E.2. Forschung zur Typologie von Gebieten  

Die kombinierte Anwendung der Kriterien und Indikatoren kann verwendet werden, um Gebietstypologien zu erstellen. Verschiedene Kriterien und Indikatoren führen dabei natürlich zu unterschiedlichen Gebietstypologien. Die Forschung zur Weiterentwicklung der Gebietstypologien ist wichtig, da sie als Werkzeug zur Formulierung von Hypothesen über die Beziehung zwischen Elementen der physischen und sozialen Geographie einerseits und der Fachpolitiken andererseits dienen.

Die Aufgabe der Erstellung einer Gebietstypologie nicht nur auf europäischer, sondern auch auf transnationaler Ebene muß sofort in Angriff genommen werden. Es ist allgemein anerkannt, daß dies von entscheidender Wichtigkeit ist, wenn die Verwendung der Kriterien und Indikatoren bei einer vergleichenden räumlichen Analyse jemals einen praktischen Nutzen haben soll.

II.E.3. Entwicklung langfristiger Szenarien  

Alternative langfristige Szenarien sind ein unabdingbarer Bestandteil der weiteren räumlichen Analyse im Rahmen des EUREK. Das gegenwärtige EUREK-Trendszenario, das unter der französischen Präsidentschaft erarbeitet wurde, basiert auf bestimmten Annahmen, die mittelfristig gültig sind. Die Abschätzung der sich entwickelnden Haupttrends, ihre Richtung, ihre Triebkräfte und ihre zu erwartenden räumlich differenzierten Auswirkungen stellt jedoch eine schwierige Aufgabe dar, die in langfristiger Perspektive durchgeführt werden muß. Wenn angenommen werden kann, daß das EUREK den Rahmen einer gemeinsamen Perspektive für die Organisation des europäischen Raumes bildet, ist es notwendig, alternative Hypothesen für den langfristigen Wandel in folgenden Bereichen zu untersuchen:

· demographische Entwicklungen und Veränderungen in der Verteilung der Bevölkerung,

· die Auswirkungen der Globalisierung,

· die Anpassung der Regionen und die Intensivierung des internationalen Handels,

· die Dominanz des tertiären Sektors,

· die Entwicklung der Informationsgesellschaft,

· die Auswirkungen des technologischen Wandels auf Verkehr, Telekommunikation und Energieerzeugung,

· die Weiterentwicklung der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik,

· die Erweiterungen der EU nach Mittel- und Osteuropa,

· die Beziehungen zu den nicht EU-Mitgliedstaaten im Mittelmeerraum.

Durch diese Forschungsbemühungen kann eine Informationsbasis für die Entwicklung alternativer Szenarien bis zum Jahr 2015 bereitgestellt werden. Wichtig ist dabei jedoch, ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit verstärkter europäischer Politikkooperation im Bereich der Raumplanung in kurzfristiger Perspektive und der Einschätzung politischer "Spielräume" vor dem Hintergrund der langfristigen Entwicklung herzustellen.

 

RAUMENTWICKLUNGSPOLITIK AUF EUROPÄISCHER EBENE 
POLITISCHE ZIELE UND OPTIONEN FÜR DEN EUROPÄISCHEN RAUM
UMSETZUNG DES EUROPÄISCHEN RAUMENTWICKLUNGS- KONZEPTS

  

 

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