Berlin (agrar.de) – Vor dem Hintergrund, dass weltweit immer noch rund 923 Mio. Menschen unter Hunger leiden, die Nachfrage nach Lebensmitteln ständig wächst und das Preisniveau entsprechend steigt, stellt die Gewährleistung einer hinreichenden Rohstoffverfügbarkeit des Ernährungssektors eine große und globale Herausforderung dar.
Für die Ernährungsindustrie gehe es darum, hochwertiges und ausreichendes Lebensmittelangebot in den Märkten der Welt sicherzustellen, so die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) in einem aktuellen Positionspapier. Dies sei auch eine entscheidende Voraussetzung, um dem chronischen Hunger, insbesondere in Entwicklungsländern aber auch in Schwellenländern wirksam zu begegnen; nur so könne der Zielsetzung der Milleniumerklärung der Staats- und Regierungschefs der Welt aus dem Jahr 2000 entsprochen werden, die Armut und den Anteil der Hungernden bis 2015 weltweit zu halbieren.
Die globale Verfügbarkeit von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird sowohl von der Nachfrage- als auch von der Angebotsseite her beeinflusst.
Eine Weltbevölkerung, die nach Prognosen der Welternährungsorganisation FAO bis 2050 um ca. 30% auf ca. 9 Milliarden Menschen anwachsen wird, sowie Änderungen der Konsumgewohnheiten in bevölkerungsstarken Schwellenländern prägen die Entwicklung auf der Nachfrageseite. Hinzu kommt eine Nutzungskonkurrenz um landwirtschaftliche Flächen zwischen Rohstoffen für Lebensmittel und für die Erzeugung von Bioenergie/-kraftstoffen, die insbesondere durch hohe Rohölpreise forciert wird.
Witterungsbedingte Ernteausfälle, geringe Lagerbestände sowie Exportbeschränkungen in einzelnen Staaten sind relevante Faktoren auf der Angebotsseite. Gerade für Getreide und Ölsaaten resultieren aus dieser Gesamtentwicklung eine Angebotsverknappung und damit einhergehend eine Verteuerung dieser Erzeugnisse.
Bei der Identifizierung und Auswahl geeigneter Maßnahmen, um eine globale Rohstoffverfügbarkeit des Ernährungssektors zu gewährleisten, sind die komplexen sachlichen und politischen Implikationen und Abhängigkeiten der Thematik zu berücksichtigen. Die Berührungen und Überschneidungen mit anderen Politikzielen, wie z. B. der Bekämpfung des Klimawandels oder der Sicherstellung der Energieversorgung, erfordern eine sachgerechte Gesamtbetrachtung sowie –abwägung.
Vor diesem Hintergrund spricht sich die deutsche Ernährungsindustrie für folgende Maßnahmen aus:
– Die Entwicklungs- und Schwellenländer müssen zur Selbsthilfe befähigt werden. Wesentlich ist, ihre landwirtschaftlichen Produktionspotentiale auszuschöpfen bzw. zu erschließen. Dies setzt insbesondere voraus, die Ausbildung von Fachkräften zu fördern, um die agrarwirtschaftliche Kompetenz vor Ort zu stärken. Darüber hinaus ist es aber auch erforderlich, in diesen Staaten geeignete institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen damit sich dauerhafte und selbsttragende Strukturen etablieren können.
– Die Industrieländer sind gefordert, ihre Agrarpolitiken in Einklang mit den globalen Entwicklungszielen und den Zielen der WTO-Runde zu bringen. Die Ernährungsindustrie unterstützt das Anliegen der Bundesregierung, in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU für die Fortsetzung des marktorientierten Kurses (Abbau der Interventionsmechanismen) einzutreten. Wettbewerbsverzerrende Handelshemmnisse in den Industrie- und Entwicklungsländern müssen beseitigt werden. So erhalten Entwicklungsländer einen Anreiz, die eigene Nahrungsmittelproduktion auszubauen, und der Welthandel kann seine marktausgleichende Funktion wahrnehmen. Ein rascher und ausgewogener Abschluss der Doha-Runde ist anzustreben.
– Die Produktivität der Landwirtschaft muss generell gesteigert werden. Hierzu ist es erforderlich, die Ertragspotentiale der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zu verbessern. Voraussetzung hierfür ist eine verstärkte Förderung der Agrarforschung, insbesondere im Hinblick auf Pflanzenzucht und –schutz.
– Im Kontext der Erschließung von Ertragspotentialen ist auch die Grüne Gentechnik zu berücksichtigen. Erforderlich ist eine sachbezogene Diskussion, die die Chancen und Möglichkeiten dieser Technologie in adäquater Weise berücksichtigt; erforderlich sind klare, zeitnahe und wissenschaftsbasierte Entscheidungen des europäischen Gesetzgebers zu Anbau und Vermarktung von Produkten, die mit Hilfe der Grünen Gentechnik hergestellt worden sind.
– Es ist sicherzustellen, dass sich der Einsatz von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zur Herstellung von Bioenergie nicht zu Lasten der Lebensmittel auswirkt. Die quantitative und qualitative Rohstoffverfügbarkeit für Lebensmittel zu angemessenen Preisen ist unabdingbar und muss gewährleistet sein. Die Lebensmittelproduktion muss das Kerngeschäft der Landwirtschaft bleiben. Zur Vermeidung von entsprechenden Nutzungskonkurrenzen zwischen der Lebensmittelkette und den Erzeugern von Bioenergie ist es erforderlich, die Entwicklung und den Ausbau von Biokraftstoffen der so genannten zweiten Generation zu fördern und zu forcieren. Darüber hinaus ist es zielführend, die Rohstoffgrundlage für Biokraftstoffe durch die Erstreckung auf tierische Abfälle zu erweitern; die dafür notwendige Anpassung der rechtlichen Voraussetzungen ist zeitnah vorzunehmen.
Bei der verbindlichen Fixierung von Biokraftstoffquoten sollten insbesondere im Rahmen der EU einheitliche Regelungen getroffen werden. Durch vorauseilende, über noch nicht beschlossene EU-Vorgaben hinausgehende nationale Quotenregelungen werden vor dem Hintergrund der globalen Zusammenhänge weder entscheidende klimarelevante noch die Energiesicherheit betreffende Vorteile realisiert.
– Dem Klimawandel und dadurch bedingten Ernteausfällen sowie Beeinträchtigungen der Biodiversität ist entgegenzuwirken. Dies bedarf zielführender internationaler Abstimmungen und Vereinbarungen, insbesondere eines Post-Kyoto-Abkommens.
Das Positionspapier steht zum Download auf der BVE-Hompage bereit.
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