26. November 2007

Experten lehnen Novelle des Gentechnik-Gesetzes ab

Themen: Gentechnik,Haftung,Verbände — info @ 17:11

Berlin (agrar.de) – Die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle des Gentechnik-Gesetzes (16/6814) wird von Sachverständigen abgelehnt. Das wurde, so der Pressedienst des Bundestages, während einer öffentlichen Anhörung im Agrarausschuss deutlich.

Die Novellierung sieht die Umstellung von der Anmelde- zur Anzeigepflicht vor, mit der Folge, dass der Betreiber der gentechnischen Anlage sofort nach Eingang der Anzeige bei der zuständigen Behörde mit den Arbeiten beginnen kann. Beibehalten wird in der Novelle der öffentliche Zugang zum Standortregister für Gentechnik-Anbauflächen ebenso die verschuldensunabhängige Haftungsregelung.

Mit der Gesetzesänderung, so der Deutsche Bauernverband, werde das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel einer Förderung der Gentechnik-Anwendung in Deutschland nicht erreicht. Insbesondere die unveränderten Haftungsregelungen beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO), nach denen Landwirte verschuldensunabhängig haftbar sind, auch wenn sie der ‚guten fachlichen Praxis‘ folgen, seien nicht akzeptabel. Der Bauernverband plädierte daher weiterhin für einen Haftungsfonds.

Das Gesetz schwäche den Innovationsstandort Deutschland, kritisierte die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie. Die Angaben im öffentlich zugänglichen Teil des Standortregisters müssten auf die Gemarkung beschränkt werden, um Zerstörungen auf GVO-Feldern zu verhindern. Als ‚wissenschaftlich nicht begründet‘ werden die Anbauabstände von GVO-Mais zu herkömmlichem Mais von 150 Metern und zu ökologisch bewirtschafteten Flächen von 300 Metern abgelehnt.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bemängelte die Haftungsregelungen hingegen aus einem anderen Grund. Sie seien unzureichend, da sie erst bei einer Verunreinigung von 0,9 Prozent greifen würden. Dieser Grenzwert sei zu hoch angesetzt und schaffe Rechtsunsicherheit. Wolle man Kontamination verhindern, müsse der Wert auf 0,1 Prozent gesenkt werden. Das entspräche einer Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Vorgaben, so der BÖLW. Kontaminierte Reste aus wissenschaftlichem GVO-Anbau dürften nicht zur Biogasgewinnung genutzt, sondern müssten vernichtet werden, forderte Rechtsanwältin Katrin Brockmann aus Berlin. Dem widersprach Professorin Inge Broer von der Universität Rostock. Die industrielle Verwendung von Auskreuzungsprodukten sei sinnvoll. Rund um GVO-Versuchsfelder angebaute ‚Mantelsaaten‘ könnten durchaus zur Gewinnung von Biogas genutzt werden. Eine schleichende Vermischung sei dabei sehr unwahrscheinlich. Broer kritisierte die Beibehaltung der genauen Standortbenennung. Dies habe bisher bei den Forschungseinrichtungen zu ‚erheblichen‘ Verlusten geführt. Rechtsanwalt Achim Willand aus Berlin lehnte nachbarschaftliche Regelungen zwischen GVO-Anbauern und Nicht-GVO-Anbauern ab. Es sei im Interesse der Allgemeinheit, Lebensmittel vor einer schleichenden Verunreinigung zu schützen. Dies zu überwachen sei Aufgabe der zuständigen Behörden, da es sonst zu einem erheblichen Verlust an Transparenz und Kontrolle über die Verwendung von GVO komme.

Die Koexistenz von gentechnisch verändertem Anbau und konventioneller Produktion in der Landwirtschaft werde durch das Gesetz nicht gestützt, sagte die Einzelsachverständige Mute Schimpf. Ein besonderes Kontaminationsrisiko besteht ihrer Ansicht nach bei der Ernte. Um eine Auskreuzung zu vermeiden müssten daher GVO-Landwirte eigene Mähdrescher benutzen, die nicht in Kontakt mit gentechnisch unverändertem Getreide kommen.

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